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Von Iwan dem Schrecklichen bis Nikolaus II. bietet dieser Band eine kleine Geschichte Rußlands im Spiegel seiner Herrscher. Die Autoren, ausgewiesene Fachhistoriker, schildern in biographischen Portraits Leben und Wirken der 24 Zaren, und nehmen zugleich die großen Entwicklungslinien der russischen Geschichte in den Blick. Fast 400 Jahre zaristischer Herrschaft werden in diesem Band wieder gegenwärtig.
Zum Autor/Herausgeber: Hans-Joachim Torke ist Professor für osteuropäische Geschichte an der Freien Universität Berlin. Er hat zuletzt bei C.H.Beck eine "Einführung in die Geschichte Rußlands" (1997) vorgelegt.
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Produktbeschreibung
Von Iwan dem Schrecklichen bis Nikolaus II. bietet dieser Band eine kleine Geschichte Rußlands im Spiegel seiner Herrscher. Die Autoren, ausgewiesene Fachhistoriker, schildern in biographischen Portraits Leben und Wirken der 24 Zaren, und nehmen zugleich die großen Entwicklungslinien der russischen Geschichte in den Blick. Fast 400 Jahre zaristischer Herrschaft werden in diesem Band wieder gegenwärtig.

Zum Autor/Herausgeber: Hans-Joachim Torke ist Professor für osteuropäische Geschichte an der Freien Universität Berlin. Er hat zuletzt bei C.H.Beck eine "Einführung in die Geschichte Rußlands" (1997) vorgelegt.
Autorenporträt
Hans-Joachim Torke war Professor für Osteuropäische Geschichte an der Freien Universität Berlin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.08.1995

Seelenmessen für die Opfer
Von Iwan bis Nikolaus: Die Porträtgalerie der russischen Zaren

Daß die russischen Zaren hierzulande keinen allzu guten Ruf genießen, verdanken sie vor allem demjenigen, der sich die Zarenkrone als erster aufs Haupt gesetzt hat: Iwan IV., der "Schreckliche". Von der Herrschaft des letzten Rjurikiden sind weniger seine Reformen des Heeres und des Gerichtswesens, als die spätere Terror-Phase im Gedächtnis geblieben, um so mehr, nachdem Stalin diese als Rechtfertigung für die eigenen Verbrechen benutzt hatte.

Und in der Tat war die destruktive Energie Iwans des Schrecklichen (auf russisch eigentlich "der Strenge", seinerzeit ein durchaus gängiges Attribut des Zarenbildes) für Familie und Volk gleichermaßen verhängnisvoll. An diesem Urteil läßt auch Frank Kämpfer in Becks Zarenbuch keinen Zweifel. Die Gründe waren vielfältig und der explosive Charakter nur eine Ursache für die Untaten des zuletzt schmerzgebeugten Alkoholikers, der ganze Sippen auslöschte und sogar den eigenen Sohn und Thronfolger erschlug. Iwan IV. wurde von Höherem getrieben.

Der "gottgekrönte Zar" träumte vom Ideal der "reinen Autokratie", einer Selbstherrschaft ohne Stände und Widerstandsrecht. Gestützt auf eine willfährige Kirche, die ihn als Herrscher über das "Dritte Rom", die Schutzmacht der Christenheit, verherrlichte, forderte er die bedingungslose Unterwerfung aller Schichten. Daß ihm die Intrigen des bojarischen Hochadels in der politischen Realität Moskaus täglich die engen Grenzen seiner Macht vor Augen führten, traf somit nicht nur seinen Cäsarenstolz, sondern auch sein Herrschaftsideal; die Schaffung der Opritschnina schien nicht nur eine angemessene, sondern auch eine gottgefällige Antwort auf den vermeintlichen Ungehorsam.

Eigentlich ein Sonderterritorium des Zaren, verdankt die Opritschnina ihren mörderischen Ruf der ordensähnlichen Schlägertruppe gleichen Namens und sollte ein Synonym für staatlichen Terror bleiben, bis die Diktatoren des zwanzigsten Jahrhunderts neue Maßstäbe setzten. Von Iwan IV. weiß man immerhin, daß er - zerrissen von Haß und Hybris - Seelenmessen für die Opfer seiner Rachefeldzüge lesen ließ.

Mit dem Zarenbuch wendet sich der Beck-Verlag an ein Publikum, das Interesse, aber nicht allzuviel Vorwissen mitbringt. Dabei schaffen die Porträts den roten Faden durch ein fesselndes Panorama von fast vierhundert Jahren russischer Geschichte. Namhafte Osteuropa-Historiker - neben dem Herausgeber Hans-Joachim Torke Heinz-Dietrich Löwe, Helmut Neubauer und Erich Donnert - fassen den Forschungsstand auf hohem Niveau zusammen. Zugleich führen sie in aktuelle wissenschaftliche Diskurse ein, wie etwa den von Kämpfer skizzierten Vergleich zwischen Iwan IV. und Peter I., der nur auf den ersten Blick abwegig scheint. Immerhin rangen beide mit der trägen, zynischen, "nutzlosen" Moskowiter Gesellschaft, verfügten über eine immense Gewaltbereitschaft, ordneten die Reformen des Heeres und der Verwaltung ihren außenpolitischen Ambitionen unter und waren jederzeit bereit, die traditionelle Kultur mit Füßen zu treten.

Erich Donnert schmälert in seinem Kapitel über Peter den Großen nicht die Verdienste des Herrschers, der Rußland auf den Weg zum westlichen Absolutismus führte. Dennoch kritisiert er die "Hast" und "Brutalität" der petrinischen Perestroika, die den Zaren und sein Werk dem Volk entfremdeten. Dies galt für die "Seelensteuer" und vor allem für den Bau St. Petersburgs, das der Zar und Zimmermann buchstäblich auf den Knochen Zehntausender Arbeiter errichtete. "Der Zar übertrug zwar die organisatorischen und technischen Neuerungen der westlichen Zivilisation, weigerte sich jedoch, dem Volk die notwendigen Freiheitsrechte zu gewähren", urteilt Donnert. Die mythische Symbiose von Zar und einfachem Volk erhielt unter Peter I. tiefe Risse - heute gehört sie in Rußland wieder zu den gängigen Klischees der Monarchie.

Torke und seine Mitautoren bemühen sich, auch den weniger beachteten Zarinnen und Zaren Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Vor allem die Regierungen von Anna und Elisabeth, die das Pech hatten, in der Zeit zwischen Peter I. und Katharina II. zu herrschen, erfahren eine neue Würdigung. Immerhin konnten die beiden Zarinnen dank einer außerordentlich kompetenten Führungs- und Beraterclique die Modernisierung und Stabilisierung Rußlands fortführen. Peters I. Tochter Elisabeth gelang es sogar, die Russen ein wenig mit der gewaltsamen Europäisierung auszusöhnen.

Die im Vergleich zum restlichen Europa erkennbare Rückständigkeit Rußlands war nach dem Dafürhalten Hans-Joachim Torkes ohnehin keine Folge eines Mangels an Reformen. Fatal war vielmehr, "daß alle Reformen nur Halbheiten geblieben waren, weil die Kaiser auf ihre Macht nicht verzichten wollten". Langfristig konnten aber auch die Zaren die Zeichen der Zeit nicht verleugnen. Katharina die Große rechtfertigte ihre Autokratie noch mit den enormen Ausmaßen ihres Reiches. Doch bereits Nikolaus I. konnte die Illusion der unangreifbaren Selbstherrschaft nur noch mit blanker Gewalt aufrechterhalten. Und auch diese Illusion starb mit Alexander II.

Daß ausgerechnet der "Zar-Befreier", der mit der Aufhebung der Leibeigenschaft die vielleicht wichtigste soziale Reform durchgeführt hatte, 1881 wegen seiner zunehmend antiliberalen Haltung dem Attentat der revolutionären "Naroda i Wolja" zum Opfer fiel, ist eine der vielen blutigen Absurditäten der russischen Geschichte.

Bestand für Rußland angesichts der gesellschaftlichen Zerrissenheit noch eine Chance für eine friedliche Wandlung zu einer "normalen" parlamentarischen Demokratie? Glaubt man Torke, so gab es sie durchaus. Immerhin hatte Nikolaus II. sich mit dem Oktobermanifest von 1905 bereits in diese Richtung drängen lassen. Freilich ließ sich zu diesem Zeitpunkt die revolutionäre Intelligenzija kaum noch in die Gesellschaft integrieren, so daß die politischen Unzulänglichkeiten des Zaren, die er mit einem moralisierenden Politikverständnis und einem rückwärtsgewandten Mystizismus zu übertünchen versuchte, ihn schließlich das Leben kosteten - und die Romanows den Thron. SONJA ZEKRI

Hans-Joachim Torke (Hrsg.): "Die russischen Zaren 1547 - 1917". Verlag C. H. Beck, München 1995. 360 S., geb., 24 Abb., 49,80 DM.

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'... ein elementares Werk zum Verständnis Rußlands und seiner Geschichte.' Wolfgang Koydl, Süddeutsche Zeitung