Fünf Menschen, die sich zufällig begegnen, bilden einen Kreis. Jeder von ihnen hat ein dunkles Geheimnis. Doch eines davon ist schwarz wie die Nacht. Fünf Menschen, die unterschiedlicher nicht sein könnten, versammeln sich jeden Montag im selben Haus. Sie alle sind Verlorene, die in ihrem Leben Schande auf sich geladen haben und sich nun auf der Suche nach Hilfe zufällig begegnet sind. In ihrer Mitte sitzt der Therapeut Tony De Silva, der eine ganz eigene Vergangenheit hat. In ihrem Kreis offenbaren sich die fünf gegenseitig ihre dunkelsten Geheimnisse. Dabei gibt es nur eine Regel: Nichts von dem, was zwischen ihnen besprochen wird, darf jemals nach außen dringen. Selbst als einer der fünf ermordet aufgefunden wird, bricht keiner sein Schweigen. Und doch ist nichts mehr wie zuvor. Denn zum Kreis gehört nun auch ein Mörder - der alles über die anderen weiß.
buecher-magazin.deIn diesem Buch taucht Mark Billinghams üblicher Ermittler Tom Thorne nur in einer winzigen Szene auf. Billingham lässt sich viel Zeit, seine Protagonisten vorzustellen, fünf Menschen aus ganz unterschiedlichen gesellschaftlichen Schichten, die einmal in der Woche beim Therapeuten Tony zusammenkommen. Robin ist Chirurg, Chris ein Stricher, Heather eine ehemalige Drogensüchtige, Diane eine reiche Hausfrau, die ihre Scheidung nicht verkraftet hat, und als jüngstes Mitglied der Runde, Caroline, übergewichtig und voller Komplexe. Alle habe eine Sucht, über die Tony ihnen weghelfen soll. Alles darf in der Gruppe besprochen werden, aber nur in der Gruppe. Doch das feste Regelwerk beginnt zu bröckeln, ein Mord folgt. Das Motiv könnte in der Aufforderung Tonys an alle liegen, über die größte Schande ihres Lebens zu sprechen. Für die Polizei wird es zu einem Albtraum, das dicke Mauerwerk aus Schweigen zu durchbrechen. Jeder ist verdächtig, jeder hat eine Schande zu verstecken. Billingham inszeniert dieses Kammerspiel aus Verdacht und Lügen, menschlichen Tragödien und Schuld mit großer Liebe zum Detail. Dem Netz des Schicksals entgeht keiner, und unschuldig ist hier niemand, auch nicht das Opfer.
© BÜCHERmagazin, Margarete von Schwarzkopf (mvs)
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Hannes Hintermeier hat mit Mark Billinghams Gruppentherapie-Krimi zwar keinen Page-Turner, aber einen soliden Psychothriller zu annoncieren. Mannigfach Abhängige treffen sich vierhundert Seiten lang zur Therapiestunde, bis eine Teilnehmerin ermordet wird. War es der Therapeut? Stark findet Hintermeier Billinghams spannungsgeladenen Dialoge, doch erfasst den Rezensenten irgendwann die Müdigkeit, weil alle Beteiligten im Buch immer verdächtiger und verdächtiger werden, wenn der Autor großzügig Motive streut.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.08.2016Ein Mord, den jeder begeht
Mark Billingham seziert eine tödliche Gruppentherapie
"Hattet ihr eine gute Woche?" So lautet die Standarderöffnung der wöchentlich stattfindenden Therapiesitzung im Wintergarten von Tony da Silva. Gut im Sinn von: ohne Rückfall in eure Sucht. Denn ein Vorleben mit Abhängigkeit haben alle fünf Teilnehmer der Gruppentherapie. Da ist der aufbrausende Chris, ein junger Stricher, der Drogen gegen Computerspiele und Internetpornographie eingetauscht hat. Da ist Robin, Anfang sechzig, der als Arzt weitermachte, als er längst medikamentensüchtig war, weil er sein Renommee nicht aufs Spiel setzen wollte. Da ist Diana, attraktiv, Anfang fünfzig, die sich dem Suff ergab, weil ihr Mann mit einer Jüngeren durchbrannte; jetzt ist sie konsumsüchtig. Dann Heather, Anfang dreißig, versucht ihre Drogen- und Spielsucht hinter sich zu lassen, und schließlich die Neue, die zur Gruppe stößt, als die Geschichte einsetzt: Caroline, Kassenfrau im Supermarkt, fettleibig, fresssüchtig, medikamentenabhängig.
Dass der Therapeut nicht nur selbst einst Junkie war, sondern auch Probleme mit seiner Gattin und Tochter hat, wird alsbald deutlich: Nina findet den Job ihres Mannes eher peinlich, die Tochter Emma kifft sich derweil um den Verstand. Aber das sind Bereiche, die nicht angetastet werden dürfen; das Privatleben des Therapeuten ist tabu, ebenso wie sexuelle Kontakte innerhalb der Gruppe. Woran sich selbstredend zwei nicht halten. Ansonsten wissen bei all dem Seelenstriptease alle ziemlich gut Bescheid über das Innenleben der Mitstreiter, nach außen wird davon nichts getragen. Auch dann nicht, als die Polizei ihre Ermittlungen aufnimmt, weil Heather in ihrer Wohnung erstochen wurde. Nun bleiben fünf Verdächtige übrig.
Schon in Billinghams Roman "Die Lügen der Anderen" (2014) war es eine ähnliche Konstellation: Drei englische Paare, die zusammen in Florida urlauben, einer der sechs ist der Mörder eines behinderten Kindes, dessen Leiche in den Sümpfen entdeckt wird. Auch in "Die Schande der Lebenden" ist schnell klar, dass einer aus dem Kreis oder der Therapeut der Mörder sein muss, aber bis dieses Geheimnis gelüftet wird, muss man durch mehr als vierhundert Seiten Therapie- und Pubgespräche. Nun ist Billinghams Stärke eindeutig der Dialog, mit dem er Spannung transportiert. Dennoch stellt sich irgendwann eine gewisse Ermüdung ein, weil er mit dem Aufsprühen von Sahnehauben - alle ohnehin schon Verdächtigen werden immer noch verdächtiger und also paranoid - großzügig umgeht. Dabei macht sich auch bemerkbar, dass in der deutschen Übersetzung alle, obwohl sie in der Klassengesellschaft Englands nicht auf gleichen Etagen logieren, ein ähnlich kultiviertes Englisch sprechen.
Im ständigen Wechsel der Zeitebenen vervielfacht Billingham geschickt die Zahl der möglichen Motive - und die Intensität der Wahrheitssuche: Neben der ermittelnden Beamtin Nicola Tanner (lesbisch, die Gattin trinkt zu viel) und ihrem asiatischen Kollegen suchen auch die Mitglieder der Gruppe nach dem Mörder. Am Ende des Romans ist die Polizei dabei, den Fall ungelöst ad acta zu legen, und fürs Erste wissen nur die Leser, wer warum die manipulative Heather ermordet hat. Kein Page-Turner, aber ein solider Psychothriller. Wenn man nur wüsste, was uns die Fledermaus auf dem Cover sagen will?
HANNES HINTERMEIER
Mark Billingham: "Die Schande der Lebenden". Roman.
Aus dem Englischen von Joachim Körber. Atrium Verlag, Zürich 2016. 446., geb., 19,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Mark Billingham seziert eine tödliche Gruppentherapie
"Hattet ihr eine gute Woche?" So lautet die Standarderöffnung der wöchentlich stattfindenden Therapiesitzung im Wintergarten von Tony da Silva. Gut im Sinn von: ohne Rückfall in eure Sucht. Denn ein Vorleben mit Abhängigkeit haben alle fünf Teilnehmer der Gruppentherapie. Da ist der aufbrausende Chris, ein junger Stricher, der Drogen gegen Computerspiele und Internetpornographie eingetauscht hat. Da ist Robin, Anfang sechzig, der als Arzt weitermachte, als er längst medikamentensüchtig war, weil er sein Renommee nicht aufs Spiel setzen wollte. Da ist Diana, attraktiv, Anfang fünfzig, die sich dem Suff ergab, weil ihr Mann mit einer Jüngeren durchbrannte; jetzt ist sie konsumsüchtig. Dann Heather, Anfang dreißig, versucht ihre Drogen- und Spielsucht hinter sich zu lassen, und schließlich die Neue, die zur Gruppe stößt, als die Geschichte einsetzt: Caroline, Kassenfrau im Supermarkt, fettleibig, fresssüchtig, medikamentenabhängig.
Dass der Therapeut nicht nur selbst einst Junkie war, sondern auch Probleme mit seiner Gattin und Tochter hat, wird alsbald deutlich: Nina findet den Job ihres Mannes eher peinlich, die Tochter Emma kifft sich derweil um den Verstand. Aber das sind Bereiche, die nicht angetastet werden dürfen; das Privatleben des Therapeuten ist tabu, ebenso wie sexuelle Kontakte innerhalb der Gruppe. Woran sich selbstredend zwei nicht halten. Ansonsten wissen bei all dem Seelenstriptease alle ziemlich gut Bescheid über das Innenleben der Mitstreiter, nach außen wird davon nichts getragen. Auch dann nicht, als die Polizei ihre Ermittlungen aufnimmt, weil Heather in ihrer Wohnung erstochen wurde. Nun bleiben fünf Verdächtige übrig.
Schon in Billinghams Roman "Die Lügen der Anderen" (2014) war es eine ähnliche Konstellation: Drei englische Paare, die zusammen in Florida urlauben, einer der sechs ist der Mörder eines behinderten Kindes, dessen Leiche in den Sümpfen entdeckt wird. Auch in "Die Schande der Lebenden" ist schnell klar, dass einer aus dem Kreis oder der Therapeut der Mörder sein muss, aber bis dieses Geheimnis gelüftet wird, muss man durch mehr als vierhundert Seiten Therapie- und Pubgespräche. Nun ist Billinghams Stärke eindeutig der Dialog, mit dem er Spannung transportiert. Dennoch stellt sich irgendwann eine gewisse Ermüdung ein, weil er mit dem Aufsprühen von Sahnehauben - alle ohnehin schon Verdächtigen werden immer noch verdächtiger und also paranoid - großzügig umgeht. Dabei macht sich auch bemerkbar, dass in der deutschen Übersetzung alle, obwohl sie in der Klassengesellschaft Englands nicht auf gleichen Etagen logieren, ein ähnlich kultiviertes Englisch sprechen.
Im ständigen Wechsel der Zeitebenen vervielfacht Billingham geschickt die Zahl der möglichen Motive - und die Intensität der Wahrheitssuche: Neben der ermittelnden Beamtin Nicola Tanner (lesbisch, die Gattin trinkt zu viel) und ihrem asiatischen Kollegen suchen auch die Mitglieder der Gruppe nach dem Mörder. Am Ende des Romans ist die Polizei dabei, den Fall ungelöst ad acta zu legen, und fürs Erste wissen nur die Leser, wer warum die manipulative Heather ermordet hat. Kein Page-Turner, aber ein solider Psychothriller. Wenn man nur wüsste, was uns die Fledermaus auf dem Cover sagen will?
HANNES HINTERMEIER
Mark Billingham: "Die Schande der Lebenden". Roman.
Aus dem Englischen von Joachim Körber. Atrium Verlag, Zürich 2016. 446., geb., 19,99 [Euro].
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»So kann Billingham hier ein Feuerwerk an abgründigen Charakteren abbrennen, die nichts zurückhalten und auch nicht überleben müssen. Den eigenen Ton der Erzählung wie der einzelnen Figuren hat der Übersetzer Joachim Körber gut getroffen. [...] Tanner ist der Kontrapunkt für die schillernden Charaktere und Konstellationen in diesem Roman, der die Bezeichnung Psycho-Thriller ausnahmsweise wirklich verdient hat. [...] gerade diese kristallene Geschlossenheit [ist es], die dem Roman seine Eindringlichkeit verleiht.« Nicolas Freund, Süddeutsche Zeitung »Allerbeste Psychospannung mit abgründig-überzeugenden Charakteren.« Susanne Walsleben, Für Sie »Mark Billingham ist mit 'Die Schande der Lebenden' ein exzellenter Psychothriller gelungen. Prädikat: Lesenswert.« Lukas Jenkner, Stuttgarter Zeitung »Wer bei 'Die Schande der Lebenden' an Agatha Christie denkt, liegt nicht falsch. Mark Billingham, einer der produktivsten und intelligentesten britischen Krimischreiber, schafft es jedoch,dem ausgereizten Plot verblüffende Wendungen abzuringen; sein im besten Sinne fast unblutiger Thriller fesselt.« stern »Einmal eingeweiht, legt man dieses Buch nicht mehr weg.« Meike Dinklage, Brigitte »Er ist ein Meister der psychologischen Spannung, der subtil aufgebauten und sich dann mörderisch zuziehenden Beziehungsnetze, wie man es auch von Patricia Highsmith oder Ruth Rendell alias Barbara Vine kennt und schätzt.« Andreas Frane, Nürnberger Zeitung »Genau darin liegt die Meisterschaft des Erzählers Mark Billingham: Seine Figuren werden plastisch, sie werden zu tatsächlich realistischen Menschen, anstatt nur Figuren innerhalb einer erdachten Handlung zu sein.« Axel Knönagel, dpa »Mark Billingham hat Luigi Pirandellos berühmtes Bühnenstück ,Sechs Personen suchen einen Autor' zu einem coolen Psychothriller von der Sorte 'Katz-und-Maus'-Spiel modifiziert, der eindrucksvoll belegt, was Karen Slaughter, ebenfalls keine Kleine im internationalen Krimi-Zirkus, einmal so formuliert hat: 'Billingham ist Weltklasse'.« Peter Henning, Schweiz am Sonntag