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Politiker scheinen an neue Grenzen ihrer Gestaltungsmöglichkeiten zu stoßen. Sie müssen sich mit Haut und Haaren einer gesichtslosen Partei verschreiben und sich vor allem der eigenen Vermarktung widmen. Welche Politik gemacht wird, entscheiden jedoch längst andere: Medien, Bürokraten und Manager. Bettina Gaus fragt, welche verheerenden Auswirkungen auf das politische System zukommen wenn diese Entwicklung anhält. Sie formuliert eine intelligente, fulminante Medienkritik und ermuntert die Politiker zu mehr Selbstbewußtsein und Streitkultur.

Produktbeschreibung
Politiker scheinen an neue Grenzen ihrer Gestaltungsmöglichkeiten zu stoßen. Sie müssen sich mit Haut und Haaren einer gesichtslosen Partei verschreiben und sich vor allem der eigenen Vermarktung widmen.
Welche Politik gemacht wird, entscheiden jedoch längst andere: Medien, Bürokraten und Manager.
Bettina Gaus fragt, welche verheerenden Auswirkungen auf das politische System zukommen wenn diese Entwicklung anhält.
Sie formuliert eine intelligente, fulminante Medienkritik und ermuntert die Politiker zu mehr Selbstbewußtsein und Streitkultur.
Autorenporträt
Bettina Gaus, geboren 1956, lebte von 1990 bis 1996 in Nairobi und berichtete für den Deutschlandfunk aus den Krisengebieten in Ost- und Zentralafrika. Seit 1996 ist sie politische Korrespondentin der taz, deren Parlamentsredaktion in Bonn sie bis 1999 leitete. Im Jahr 2000 erschien ihr Buch Die scheinheilige Republik (dva).
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 03.04.2000

Wider das Mainzer Hofsängertum
Bettina Gaus beklagt den Niedergang der Streitkultur in einem Land, das redegewandt geblieben, aber denkfaul geworden ist
BETTINA GAUS: Brot und Spiele. Das Ende der demokratischen Streitkultur, Deutsche Verlags-Anstalt, München 2000. 300 Seiten, 34 Mark.
Bettina Gaus, Redakteurin der Berliner tageszeitung (taz), hat ein höchst erfrischendes Buch geschrieben, dem man nur wünschen kann, dass es in seinem Genre, der kritischen Betrachtung des eigenen Landes, Schule machen wird. In der Ära Kohl war diese Domäne so gut wie ausschließlich von jener Spezies der eher konservativen Großdenker besetzt, die uns mit ihren stets druckreifen Suaden überschütteten und alles, was war, im Wesentlichen guthießen.
Mit dieser babylonischen Gefangenschaft eines Mainzer Hofsängertums, das Helmut Kohl gleichsam als demokratisch gewendeten und europäisch erweiterten Bismarck psalmodierte, hat Bettina Gaus nichts gemein. Was an ihrem Buch besticht, ist ein Ton, der jeglicher Phrase misstraut, die allzu häufig zum pathologischen Vollbild der deformation professionelle eines politischen Leitartiklers gehört. Schließlich, und das ist vielleicht die wichtigste Voraussetzung für den wohltuend geschärften Blick, mit dem Bettina Gaus auf hiesige Zustände und Zumutungen schaut, hat sie lange Jahre als Korrespondentin in Afrika gelebt und gearbeitet. Der Hintergrund dieser Erfahrung verschafft ihr eine innere Distanz, die ihrem unaufgeregtem Urteil sehr zu gute kommt. Gleichzeitig widersteht sie aber auch der Versuchung, das eigene Land gewissermaßen ethnologisch zu erforschen, es zum exotischen Objekt aufgeklärter Neugier zu machen, um die aus solcher Vorgehensweise resultierende Wahrnehmungsdifferenz ironisch umzumünzen.
Zwei Seiten der Medaille
Bettina Gaus kritisiert vor allem zwei Mangelerscheinungen, die das politische Leben in der „scheinheiligen Republik” so anämisch erscheinen lassen: den Mangel an „Streitkultur”, wie der Untertitel ihres Essays bereits verheißt, und den Mangel an politischen Visionen, an politischer Phantasie. Beide Mangelerscheinungen sind, so könnte das Fazit der Lektüre lauten, die zwei Seiten einer Medaille: Je komplexer die politischen Problemlagen werden, desto mehr institutionalisierte Kompetenzen gilt es auf europäischer wie föderaler Ebene einzubinden. Hinzu kommen noch die für die politische Praxis nicht minder wichtigen Rücksichtnahmen auf den jeweiligen Koalitionspartner wie auf die einflussreichen, vorzugsweise wirtschaftlichen Interessengruppen.
Das alles macht die dicken Bretter noch dicker, die zu bohren das Wesen der Politik ausmacht. Das weiß auch Bettina Gaus. Dennoch wird man ihrer Klage zustimmen, dass diese Voraussetzungen den Mangel an Streitkultur und Visionen möglicherweise strukturell erklären, ihn damit aber weder entschuldigen noch rechtfertigen.
Sehr zu Recht beklagt die Autorin beispielsweise, dass die Wiedervereinigung das Vertrauen in die Kraft von Visionen nicht gefördert, sondern im Gegenteil die Politiker dazu veranlasst hat, Vorstellungen, die über den Tag hinaus reichten, gar nicht erst zu wagen. Ja, schlimmer noch: Die Rechte wie die Linke, so Gaus, sei gleichermaßen überfordert, ihre alten Visionen den seit 1989 veränderten Gegebenheiten anzupassen. Dieses Defizit materialisiere sich in einem stillschweigenden Konsens aller Parteien, die prinzipiell in allen wichtigen Fragen übereinstimmten. Dafür liefert der Kosovo-Krieg nur ein Exempel, gegen dessen deutsche Beteiligung eine Reihe gewichtiger Gründe gesprochen hätten. Die aber seien nie wirklich öffentlich diskutiert worden. Zutreffend ist auch, dass, wie Bettina Gaus schreibt, „die Teilnahme der Bundeswehr an der Nato-Militäroperation (im Kosovo) für den größten Wertewandel in der Geschichte der Bundesrepublik steht – aber kaum ein anderes Thema den Verfall der demokratischen Streitkultur in Deutschland auf vergleichbar bedrückende Weise” zeigt.
Schade nur, dass die Autorin damit zwar eine ganze Reihe von Fragen verknüpft, sie jedoch nicht beantwortet. Letzten Endes begnügt sie sich damit, die Analyse jener Gründe den Historikern aufzutragen, die für die Teilnahme der Bundesrepublik den Ausschlag gaben und die, wie von ihr zu Recht beklagt, nicht öffentlich diskutiert wurden.
Das ist umso mehr zu bedauern, als man Bettina Gaus eine solche Analyse durchaus zutrauen möchte. In deren Licht hätten ihre kritischen Anmerkungen zur „scheinheiligen Republik” vermutlich entschieden an Plausibilität gewonnen. Hat sie sich das versagt, weil sie fürchtete, sich rettungslos im legalistischen Verhau einer völkerrechtlichen Grundsatz-Erörterung zu verstricken?
Auch an anderen Punkten hält sich die Autorin mit ihrem Urteil zurück. So beispielsweise dann, wenn sie das Dilemma schildert, in das Umweltminister Jürgen Trittin geriet, als ihn der Kanzler dazu zwang, die Geltung der Verordnung zur Rücknahme von Altautos durch die Automobilhersteller von 2003 auf 2006 zu vertagen. Sie stellt das dar, als erfülle sich darin das Wesen des Tragischen in seiner ganzen fürchterlichen Unentrinnbarkeit. Unsinn, möchte man da rufen: Das Entscheidende ist doch das Prinzip und nicht das Datum seiner Gültigkeit – selbst wenn es erst drei Jahre später fällig wird. Entsprechendes gilt für die Mindestlaufzeiten von Kernkraftwerken, bei denen Differenzen von fünf Jahren dem Streit um des Kaisers Bart zum Verzweifeln ähnlich sehen.
Und so verhält es sich auch mit der Lieferung eines Testpanzers vom Typ Leopard an die Türkei, der von großen Teilen der Grünen als Sünde wider den Heiligen Geist bündnisgrüner Prinzipien angesehen wird. Derlei Bedenken erinnern an politische Theologie, während reale Politik – nicht Realpolitik – immer mit einem Gran gestalterischen Zynismus betrieben werden muss, will man mit ihr Erfolg haben. Alle diese Einwände zeigen aber nur, wie überaus anregend und über weite Strecken klug reflektiert dieses Buch ist, mit dem sich eine Autorin zu Wort meldet, von der man gerne noch mehr lesen möchte.
JOHANNES WILLMS
Reden im Bundestag: Nur, wer bis zum frühen Nachmittag an der Reihe war und möglichst ein Manuskript mit markierten Schlüsselsätzen zum Zitieren auslegt, hat gute Chancen auf 1. 30 in der Tagesschau.
 Foto: SZ
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"Was an ihrem Buch besticht, ist ein Ton, der jeglicher Phrase misstraut".Der "wohltuend geschärfte Blick, mit dem Bettina Gaus auf hiesige Zustände und Zumutungen schaut ... Eine Autorin ..., von der man gern noch mehr lesen möchte".Johannes Willms, Süddeutsche Zeitung

"Aber zugegeben, so verhält sich das mit geglückten Streitschriften: Beweispflichtig wird, wer anderer Meinung ist. Nur eine leidenschaftliche Journalistin wie Bettina Gaus kann diesen Duktus aus kundiger Argumentation und unangestrengter Zuspitzung so konsequent durchhalten. Der Essay als Leitartikel!" Gunter Hofmann, Die Zeit

"Mutig, entschieden und eloquent plädiert die Autorin daher für eine neue demokratische Streitkultur und für den Mut zu politischen Visionen." Wochenschau-methodik