Grete und Bernd leben auf dem Stern Sehrsehrfern. Grete ist eine »Schnett«, Bernd ein »Schmoo«. Niemals, so wird gewarnt, dürfen die roten Schnetts und die blauen Schmoos miteinander spielen. Das war schon immer so. Und wenn es nach den Großeltern geht, würde das auch so bleiben. Aber Grete und Bernd kümmert es nicht. Sie lernen sich kennen und sie verlieben sich ...Eine Romeo und Julia-Geschichte der Schöpfer des »Grüffelo«, wunderbar gereimt und außerirdisch schön illustriert, die im wahrsten Sinne des Wortes nicht von dieser Welt ist. Oder vielleicht doch?
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.10.2019Willkommen bei den Schnetts
Romeo und Julia im All: Das neueste Bilderbuch von Axel Scheffler und Julia Donaldson wärmt verstockte Herzen.
Es war einmal ein Stern, der hieß Sehrsehrfern. Etwa so beginnt das Märchen um die beiden Außerirdischen Grete (wohlgemerkt nicht Greta) vom Volk der Schnetts und Bernd vom Stamme der Schmoos, und wie beinahe alle Zukunftsgeschichten und Utopien spielt auch diese in einer kaum zu datierenden Niezeit, einer "Uchronie": Sowohl der See Lubuleete, an dessen Ufer Grete lebt, als auch der "böcklige" Berg, auf dem Bernd haust, sind von phantasievollen Urzeitgewächsen wie Farnen und geschuppten Bäumen umstanden, die zwischen Hieronymus Bosch und Jurassic Park changieren. Mit dem gewichtigen Unterschied freilich, dass sie viel charmanter gemalt sind als der animierte Hollywood-Donnerechsenwald und von Ufos anstelle von Archaeopterixen oder Urriesenlibellen umschwirrt werden. Ist doch das Duo hinter dem Buch notorisch für den Grüffelo, den die britische Autorin Julia Donaldson als literarische Figur ersonnen und dem Axel Scheffler eine vergleichbar untersetzte kindgeliebte Gestalt verliehen hat wie nun dem tiefblauen und gepunkteten Bernd mit seine Hörnern.
Diese Sorgfalt sieht man den Seiten - wie auch der bis auf eine holprige Stelle fließend gekonnten Übersetzung Salah Naouras - an. Die Figuren sind nicht einfach nur schwarz umrandet und ausgetuscht, vielmehr übermalt Scheffler seine aquarellierten Wesen nochmals mit Buntstiften und zeichnet anschließend ihre Konturen mit schwarzer Feder nach.
Der Effekt ist einzigartig und lohnt den Aufwand: Die Körper seiner Kreaturen schwanken durch diese konträre Mischung aus Wasserfarben und Buntstift zwischen Dichte und Diaphanie. Es wirkt, als watschelten Glasfensterfiguren durch die Landschaft, die sich aus dem Bleirutengeflecht eines gotischen Kirchenfensters befreit hätten, oder als gäben farbstrotzende kleine Energiebündel pausenlos eine Art Aura an ihre Umwelt ab, da die Buntstiftausmalung bei nahezu jeder Figur über die Kontur hinausstrahlt und etwa bei Greta sich stets rote Farbschlieren ihres Körpers in die gelben Entenfüße ziehen.
Die alte Maltechnik passt jedoch genauso gut zu dem flirrenden Feuerstrahl der fliegenden Untertassen oder den herrlichen Felszeichnungen schon auf dem Eingangsbild, die mit ihren aufgerissenen Konturen ebenso krakelige Höhlenmalerei sein können wie gesprühte Graffiti der Jetztzeit.
Von der Geschichte an sich darf nicht mehr verraten werden, als dass Grete und Bernd gewissermaßen zu Romeo und Julia der überzeitlichen Niezeit heranwachsen, obwohl ihre Großeltern sie doch eindringlich vor den abartigen Anderen "mit Känguruschwanz am Popo!" respektive der abscheulichen Gewohnheit, Rotkohl zu essen oder "Tee in Netze zu kippen", warnen. Wie das Pärchen in einer Rakete vom Heimatplaneten flieht, auf dem der Hass regiert, und von der buckligen Verwandtschaft über mehrere und immer bunter und surrealer werdende Planeten verfolgt wird, erwärmt den kalten Orbit ebenso wie das verstockteste Alienherz.
Anders als bei Shakespeares Drama, dagegen ähnlich wie in dem sehr irdischen Science-Fiction-Klassiker "Enemy Mine - Geliebter Feind" von Wolfgang Petersen aus dem Jahr 1985 kann aus einer solch kindgerechten, dennoch unpeinlichen Toleranzgeschichte "für alle Kinder Europas"- wie es im Abspann heißt - auch etwas völlig Neues herauskommen.
STEFAN TRINKS
Axel Scheffler,
Julia Donaldson: "Die Schnetts und die Schmoos".
Aus dem Englischen von Salah Naoura. Verlag Beltz & Gelberg, Weinheim 2019. 32 S., geb., 13,95 [Euro]. Ab 4 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Romeo und Julia im All: Das neueste Bilderbuch von Axel Scheffler und Julia Donaldson wärmt verstockte Herzen.
Es war einmal ein Stern, der hieß Sehrsehrfern. Etwa so beginnt das Märchen um die beiden Außerirdischen Grete (wohlgemerkt nicht Greta) vom Volk der Schnetts und Bernd vom Stamme der Schmoos, und wie beinahe alle Zukunftsgeschichten und Utopien spielt auch diese in einer kaum zu datierenden Niezeit, einer "Uchronie": Sowohl der See Lubuleete, an dessen Ufer Grete lebt, als auch der "böcklige" Berg, auf dem Bernd haust, sind von phantasievollen Urzeitgewächsen wie Farnen und geschuppten Bäumen umstanden, die zwischen Hieronymus Bosch und Jurassic Park changieren. Mit dem gewichtigen Unterschied freilich, dass sie viel charmanter gemalt sind als der animierte Hollywood-Donnerechsenwald und von Ufos anstelle von Archaeopterixen oder Urriesenlibellen umschwirrt werden. Ist doch das Duo hinter dem Buch notorisch für den Grüffelo, den die britische Autorin Julia Donaldson als literarische Figur ersonnen und dem Axel Scheffler eine vergleichbar untersetzte kindgeliebte Gestalt verliehen hat wie nun dem tiefblauen und gepunkteten Bernd mit seine Hörnern.
Diese Sorgfalt sieht man den Seiten - wie auch der bis auf eine holprige Stelle fließend gekonnten Übersetzung Salah Naouras - an. Die Figuren sind nicht einfach nur schwarz umrandet und ausgetuscht, vielmehr übermalt Scheffler seine aquarellierten Wesen nochmals mit Buntstiften und zeichnet anschließend ihre Konturen mit schwarzer Feder nach.
Der Effekt ist einzigartig und lohnt den Aufwand: Die Körper seiner Kreaturen schwanken durch diese konträre Mischung aus Wasserfarben und Buntstift zwischen Dichte und Diaphanie. Es wirkt, als watschelten Glasfensterfiguren durch die Landschaft, die sich aus dem Bleirutengeflecht eines gotischen Kirchenfensters befreit hätten, oder als gäben farbstrotzende kleine Energiebündel pausenlos eine Art Aura an ihre Umwelt ab, da die Buntstiftausmalung bei nahezu jeder Figur über die Kontur hinausstrahlt und etwa bei Greta sich stets rote Farbschlieren ihres Körpers in die gelben Entenfüße ziehen.
Die alte Maltechnik passt jedoch genauso gut zu dem flirrenden Feuerstrahl der fliegenden Untertassen oder den herrlichen Felszeichnungen schon auf dem Eingangsbild, die mit ihren aufgerissenen Konturen ebenso krakelige Höhlenmalerei sein können wie gesprühte Graffiti der Jetztzeit.
Von der Geschichte an sich darf nicht mehr verraten werden, als dass Grete und Bernd gewissermaßen zu Romeo und Julia der überzeitlichen Niezeit heranwachsen, obwohl ihre Großeltern sie doch eindringlich vor den abartigen Anderen "mit Känguruschwanz am Popo!" respektive der abscheulichen Gewohnheit, Rotkohl zu essen oder "Tee in Netze zu kippen", warnen. Wie das Pärchen in einer Rakete vom Heimatplaneten flieht, auf dem der Hass regiert, und von der buckligen Verwandtschaft über mehrere und immer bunter und surrealer werdende Planeten verfolgt wird, erwärmt den kalten Orbit ebenso wie das verstockteste Alienherz.
Anders als bei Shakespeares Drama, dagegen ähnlich wie in dem sehr irdischen Science-Fiction-Klassiker "Enemy Mine - Geliebter Feind" von Wolfgang Petersen aus dem Jahr 1985 kann aus einer solch kindgerechten, dennoch unpeinlichen Toleranzgeschichte "für alle Kinder Europas"- wie es im Abspann heißt - auch etwas völlig Neues herauskommen.
STEFAN TRINKS
Axel Scheffler,
Julia Donaldson: "Die Schnetts und die Schmoos".
Aus dem Englischen von Salah Naoura. Verlag Beltz & Gelberg, Weinheim 2019. 32 S., geb., 13,95 [Euro]. Ab 4 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
»Das neueste Bilderbuch von Axel Scheffler und Julia Donaldson wärmt verstockte Herzen.« Stefan Trinks, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28.10.2019 »...wie die 'Grüffelo'-Erfinder Axel Scheffler und Julia Donaldson ihre 'Romeo und Julia'-Geschichte im Weltall verorten und doch auf die Erde zielen, auf Gruppen, die sich vom bloßen Hörensagen her (aber dafür umso inniger) hassen, ist großartig in Wort und Bild. Prächtig sind Schefflers Zeichnungen, die für 'Die Schnetts und die Schmoos' komplementäre Physiognomien erschaffen, weil das am besten zusammenpasst, das sich ergänzt.« Tilman Spreckelsen, Frankfurter Allgemeine Woche, 11.10.2019 »Es ist ein echtes Buch gegen Vorurteile geworden und geschrieben für alle Kinder Europas: 'Die Schnetts und die Schmoos', eine Liebesgeschichte auf fernen Planeten.« Juli liest, 8.10.2019 »Ein raketenstarkes Abenteuer!« Leipziger Volkszeitung, 26.10.2019 »Axel Scheffler und Julia Donaldson haben ein sehr witziges, buntes Buch erschaffen, das Salah Naoura wunderbar in deutsche Verse übertragen hat, und das vor allem eins beweist: Vorurteile gibt es nur in unseren Köpfen. Es lohnt sich, sie abzubauen.« Angela Sommersberg. Kölnische Rundschau, 7.2.2020 »So geht (Völker-)Verständigung für Kleine.« Eltern, 2/2020