Martin Mosebach hat sich auf die Suche nach der "italienischen Essenz" begeben. Und er hat sie gefunden. Er lässt sich durch Venedig treiben, folgt Auf- und Untergang der Sonne in Rom, beschwört das Bild der Piazza, des Herzens der italienischen Stadt, und erlebt den sinnlichen Zauber und die Lebensfreude der Commedia dell'arte. Man möchte in den nächsten Zug steigen, die beschriebenen Orte aufsuchen und sich selbst diesem Orchester der Sinne hingeben.
"Das kälteste Land der Welt" wird Italien im Prolog eines Buches genannt, das Martin Mosebach den Phänomenen dieser Region deutscher Sehnsucht gewidmet hat. Mosebach, Mitarbeiter im Literaturblatt dieser Zeitung, sucht hier unter der Oberfläche westlicher Modernität nach Spuren eines vormodernen, "ewigen" Italien. Er entdeckt im Süden des Landes die Mentalität eines "misogynen Matriarchats", er schildert die lebendige Fortdauer vorchristlicher Totenkulte und definiert die Commedia dell'arte als italienische Lebensform. Seine Veduten italienischer Städte rufen eine Welt hervor, in der "Gewohnheit" ein anderes Wort für "Glück" war. In Sprichwörtern vom Golf von Neapel schließlich kommt das Land selbst zu Wort, in den drastischen Einsichten einer versinkenden Kultur der "gesteigerten Anschaulichkeit". (Martin Mosebach: "Die schöne Gewohnheit zu leben. Eine italienische Reise". Berlin Verlag, Berlin 1997. 189 S., geb., 36,- DM.) F.A.Z.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Die Stücke erinnern in ihrer stilistischen Präzision und analytischen Klugheit an die Denk- und Städtebilder Walter Benjamins. Süddeutsche Zeitung