In seinem Taxi bringt Thomas die junge Anaïse in ein kleines Fischerdorf, das in einem entlegenen Winkel von Haiti liegt. Anaïse ist aus Europa angereist, um einem Familiengeheimnis nachzugehen, das sich wie ein dunkler Schatten über ihrem Leben ausbreitet und dessen Ursprung in jenem Dorf liegt, aus dem auch Thomas stammt. Vor vielen Jahren hat sich dort ein tragisches Unglück ereignet. Der erfolgreiche Geschäftsmann Robert Montès - Anaïse' Großvater - und der ehemalige Polizeichef Pierre André Pierre sind nach einem nächtlichen Brand, der ihre benachbarten Häuser in Schutt und Asche gelegt hat, spurlos verschwunden. Sind die beiden einer Racheaktion zum Opfer gefallen? Oder haben sie selbst das Feuer gelegt, um ihre vermeintlichen Verbrechen zu vertuschen? Thomas warnt Anaïse, dass ihre Nachforschungen zwangsläufig ins Leere laufen werden. Denn er weiß, dass an diesem magischen Ort die Wahrheit allen gehört und niemand seinem Schicksal entfliehen kann.
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Ein Haitibild fern von Armuts- und Erdbebendramatik, aber auch von Tourismuskitsch entwirft Lyonel Trouillot in seinem Roman "Die schöne Menschenliebe", berichtet Irene Binal angetan. Der Eindruck, der sich der aus einem westlichen Land angereisten Anaïse - maßgeblich durch den redseligen Taxifahrer Thomas - vermittelt, ist der einer heilen, nahezu paradiesischen Gemeinschaft, in der das durch harmonisches Miteinander herbeigeführte, gelebte Glück das höchste Gut ist, referiert die Rezensentin, die das Geschehen als "eine ebenso kluge wie poetische Parabel deutet", in der jeder Figur die Rolle eines Akteurs in der haitianischen Geschichte und Gesellschaft zukommt, von der mulattischen Oberschicht bis zu den westlichen Menschenrechtsvertretern. Trouillot "politisiert, ohne politisch zu werden", fasst Binal die Leistung des Autors zusammen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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