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Sommer 1983. Nick Guest hat eine Dachkammer bei den Feddens im reichen Londoner Stadtteil Notting Hill bezogen - und so taucht der Zwanzigjährige in eine ihm bis dahin fremde Welt ein, in der Luxus allgegenwärtig und gesellschaftlicher Einfluss selbstverständlich ist. An Nicks Entwicklung vom kleinbürgerlichen Provinzler zum dandyhaften Kosmopoliten spiegelt der Booker-Preisträger Alan Hollinghurst das große Thema der englischen Literatur: die Klassengesellschaft. Und so ist dieser Roman ein nachdenklich stimmendes Sittenporträt der Thatcher-Ära, in einer Prosa, die funkelnd, aufregend und rar…mehr

Produktbeschreibung
Sommer 1983. Nick Guest hat eine Dachkammer bei den Feddens im reichen Londoner Stadtteil Notting Hill bezogen - und so taucht der Zwanzigjährige in eine ihm bis dahin fremde Welt ein, in der Luxus allgegenwärtig und gesellschaftlicher Einfluss selbstverständlich ist. An Nicks Entwicklung vom kleinbürgerlichen Provinzler zum dandyhaften Kosmopoliten spiegelt der Booker-Preisträger Alan Hollinghurst das große Thema der englischen Literatur: die Klassengesellschaft. Und so ist dieser Roman ein nachdenklich stimmendes Sittenporträt der Thatcher-Ära, in einer Prosa, die funkelnd, aufregend und rar ist.

Nick Guest ist entschlossen, es in London weit zu bringen. Und der Schlüssel zum Erfolg des zwanzigjährigen Provinzlers ist die Familie Fedden. Sie laden ihn bereitwillig ein, in ihr stattliches Haus in Notting Hill zu ziehen und an ihrem glamourösen Leben teilzunehmen. Gerald Fedden arbeitet als Tory-Abgeordneter unter Margaret Thatcher, seine Frau Rachel entstammt einer immens reichen jüdischen Bankerfamilie. Aus Nicks anfänglicher Faszination entwickelt sich eine rückhaltlose Hinwendung, auch weil die Feddens, anders als seine kleinbürgerlichen Eltern, seine zaghafte Homosexualität zu akzeptieren scheinen ? solange sie ihr Leben nicht beeinflusst. Außerdem brauchen sie ihn, Nick kümmert sich um ihre manisch-depressive Tochter. Catherines Hochs und Tiefs gehören für ihn zum Mythos dieser verzauberten, fremden Welt. Drei Jahre vergehen, und aus dem schüchternen Nick ist ein Dandy geworden, der sich in der Highsociety zu bewegen weiß und seinen Platz in der lebenshungrigen Szene gefunden hat. Der allerdings eines nicht darf: öffentlich zu seinem Liebhaber Wani stehen, einem »neuen Konservativen«. Doch es gelingt den Männern nicht lange, ihre Liebe geheim zu halten - und dann zerbricht nicht nur diese Fassade des schönen Scheins.

Alan Hollinghurst, ein Meister psychologischer Beschreibung, lässt in diesem klassischen Entwicklungsroman die Thatcher-Ära aufleben, mit großer Genauigkeit und atmosphärisch dicht. Er spiegelt diese »gespenstische Zeit«, wie er selbst diese Dekade bezeichnet, in der Vielfalt ihrer Sprachen - alles glitzert ironisch und ist übersprüht mit funkelndem Geist. Hollinghursts fein geschliffene, berauschende Prosa ist eine wahre Huldigung an die Schönheit.

Autorenporträt
Alan Hollinghurst, geboren 1954 in Stroud, Gloucestershire, zählt zu den bedeutendsten Gegenwartsautoren Großbritanniens.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.10.2005

Tanz mit dem Vulkan
Ein Buch über Maggie für Angie: Alan Hollinghursts Roman

Nachdem von einem Erdrutsch-Sieg bei den Wahlen 1979 in Großbritannien ebensowenig die Rede sein konnte wie jetzt bei uns, erscheint es um so wichtiger, die knappe Mußezeit in Bücher zu investieren, deren Lektüre nicht nur Vergnügen, sondern auch Erkenntnis verspricht. Zur heute beginnenden Buchmesse stellt sich daher die alte Frage besonders drängend: Wer liest was und wozu? Als Kind hat Angela Merkel verschlungen, was sie kriegen konnte: Popper, Grass und Böll, Bulgakov und Solschenizyn, später kam Brussigs "Helden wie wir" dazu. Ausdrücklich gelobt hat sie Orwells "Farm der Tiere" und Klemperers "Tagebücher". Heutzutage, so steht zu vermuten, ist das Adreßverzeichnis des Handys Frau Merkels meistkonsultiertes Buch.

Beim Rundgang über die Frankfurter Bücherschau drücken Verleger den Volksvertretern gern eine als passend empfundene Lektüre in die Hand. Doch nicht nur die Kandidatin selbst, sondern auch das Wahlvolk kann sich jetzt auf die erste deutsche Kanzlerin einstimmen - mit einem Roman aus England: "Die Schönheitslinie" von Alan Hollinghurst, der dort 2004 mit dem Booker-Preis ausgezeichnet wurde. Er ist wie geschaffen für die angehende Regierungschefin - und für alle, die erleben wollen, was weibliche Totalherrschaft bedeuten kann und was uns erspart bleiben dürfte, weil Angela Merkel zwar eine Margaret Thatcher sein, aber keine werden möchte.

Ein spätviktorianisches Herrenhaus mit Schieferdach, senffarbenen Steinmauern und zig Schlafzimmern, dessen Hauptportal von einem Butler geöffnet wird? "Beeindruckend, keine Frage." Der Cézanne über dem Kamin? "Recht hübsch." Und die Dame mit rötlichem Haar, die dort drüben sitzt, in langem Rock und weißgoldener Jacke? ",In diesem Haus werden sie keine Klagen über die Lady hören.' - ,In meinem auch nicht, das kann ich Ihnen versichern.'"

Die Kunst des englischen Understatements besteht darin, daß es tatsächlich etwas gibt, das herunterzuspielen sich lohnt, und darf keinesfalls mit herkömmlich übertriebener Bescheidenheit verwechselt werden. Margaret Thatcher machte als Tochter eines Lebensmittelhändlers mit Selbstherrlichkeit politisch wett, was ihr an nobler Herkunft fehlte - und setzte als Waffe der Frau beileibe nicht nur die Handtasche ein: "Ach, die sind doch alle in sie verliebt. Sie hat blaue Augen, und damit hypnotisiert sie die Männer."

Alan Hollinghurst schildert weniger die Premierministerin selbst als ihre Wirkung. Maggie, Angie - die unangemessene Vertraulichkeit, mit der ein Wahlvolk den Namen seiner Regierungschefin im Mund führt, steht in krassem Widerspruch zur tatsächlichen Nähe. In den wohlgenährten Kreisen der Tories hingegen ist allenthalben mit ehrfürchtigem Unterton einzig von "ihr" die Rede; was "sie" tun wird, läßt sich jedoch nur erhoffen, niemals vorhersagen: "Ich werde eine nicht unerhebliche Spende an die Parteikasse überweisen, und . . . wer weiß, was dann." So tönt Vasallentreue. In vorauseilender Gefallsucht wird für eine Party, zu der die Premierministerin möglicherweise zusagen wird, eine grüne Haustür toryblau gestrichen; und als Hollinghursts Protagonist, der Universitätsdozent Nick Guest, die Chuzpe hat, die Lady zum Tanz aufzufordern, kommt dies für die Umstehenden einem sicheren Eintrag in die Geschichtsbücher gleich.

Einzig die Frauen, von der Premierministerin wirkungsvoll links liegengelassen, erweisen sich als charmeresistent: ",Ich habe sie beim Essen ein bißchen belauscht. Seht her, ich bin ein bedeutender Mensch, der ganz häuslich und genießerisch ist - das ist ihre Masche. - ,Das finden sie gerade toll, alle seufzen erleichtert, reden den ganzen Abend nur über die Vorteile von Margarine und Butter, und urplötzlich liegt sie ihnen mit der europäischen Landwirtschaftspolitik in den Ohren.'"

Der Ästhet Nick, der es in der Kunst des stilvollen Schnorrens weit gebracht hat, kommt zu dem Schluß, daß dem Konservatismus eine gewisse "ästhetische Dürftigkeit" anhafte. "Es gibt Schreckgespenster in beiden Parteien, was das Aussehen betrifft." Das sei aber nicht das Hauptproblem. Das sieht Nick allerdings auch nicht im hemmungslosen Mißbrauch von Macht, Geld und Drogen, der sich mit den Regierungsjahren ausbreitenden Vulgarität und Dekadenz. Nicht die moralische Heuchelei bedrückt ihn, sondern einzig die Stillosigkeit, mit der sie betrieben wird.

Auch wenn man mit Ambrose Bierce der Meinung sein kann, daß die Buchdeckel bei Hollinghurst zu weit auseinanderklaffen - fast sechshundert Seiten liegen dazwischen -, ist es doch das Wissen um die Hybris, die auf die Glanzzeit der britischen Konservativen folgte, das der Lektüre des Romans beklemmende Aktualität verleiht. Die Granden der Konservativen stürzten Margaret Thatcher 1990, als die Angst vor den Wählern größer geworden war als die Furcht vor der Eisernen Lady. Von dem Verrat hat sich die Partei bis heute nicht erholt. Die Männer der Union hingegen tun bislang so, als seien derartig langfristige Folgen von Angela Merkels Herrschaft nicht zu erwarten. Aber vielleicht wird auch Edmund Stoiber eines Tages erkennen müssen, daß er es nicht mit einer Kanzlerin von seinen Gnaden zu tun hat, sondern mit "einer Unbeholfenheit, die in Macht umgewandelt war". Daß Angela Merkel den kommenden deutschen Jahren, so wie Margaret Thatcher einst den englischen Achtzigern, ihren Namen aufprägen wird, bleibt vorerst unwahrscheinlich. Darüber immerhin ist man nach der Lektüre von Hollinghursts Roman erleichtert.

FELICITAS VON LOVENBERG

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Selten ist die Suche nach Liebe, Sex und Schönheit so exquisit in Romanform gegossen worden." (Booker-Preis-Jury) "Allen Werken Hollinghursts gemeinsam ist die große Eleganz seiner Prosa. Er schreibt sicher mit am geschliffensten und perfektesten in der an Stilisten nicht gerade armen britischen Literatur. Seine Romane sind präzise gearbeitete Uhrwerke, jeder Satz ist so spiegelblank poliert wie das Tafelsilber auf einem englischen Adelssitz." (die tageszeitung) "'Die Schönheistslinie' ist das reife, vollendete Meisterwerk eines großen englischen Stilisten - und schon ein Klassiker." (The Observer)

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 16.07.2010

Eine Herausforderung
in Hellblau
„Die Schönheitslinie“
von Alan Hollinghurst
Sie gehören zu den großen Paaren der modernen Literatur: der Smalltalk und die Großstadt. In Paris, London, Moskau und St. Petersburg hatten sie im 19. Jahrhundert ihre großen Auftritte in den Salons, und wenn sie und ihr alter Trauzeuge, der Roman, gut drauf sind, sind die beiden noch immer ein hinreißendes Paar. Der englische Schriftsteller Alan Hollinghurst hat dafür in seinem Roman „Die Schönheitslinie“, mit dem er 2004 den Booker Prize gewann, einen mustergültigen Beleg geliefert.
Das London der ewigen achtziger Jahre zwischen der Wiederwahl Margaret Thatchers 1983 und ihrem dritten Wahlsieg 1987 ist seine Bühne. Und der Smalltalk straft wie immer, wenn er gut ist, seinen Namen Lügen. Er ist ja das Medium der großen Dinge, und so geht es in diesem Roman um Geld, Liebe und Tod, ob er gerade im südfranzösischen Ferienhaus des neu zugewählten Tory-Abgeordneten zu Gast ist, in seiner Stadtwohnung in Kensington Gardens oder im Wahlkreis in der Provinz. Als unausweichliches Gesprächsthema, aber ohne je beim Namen genannt zu werden, in einer heiter-bösen Szene auch leibhaftig, geht Margaret Thatcher durch den Roman. Riesige Summen versickern im Smalltalk, denn mancher verdient sein Geld mit dem spekulativen Ruinieren von Firmen. Der Sex tritt im homosexuellen Gewand auf, nicht zuletzt, um dem talk of the town am Ende einen veritablen Skandal liefern zu können. Und der Tod tritt hinzu, weil in den achtziger Jahren der Aids-Tod seine ersten öffentlichen Auftritte hatte.
Mit nicht geringem Sarkasmus hat Hollinghurst den Sohn eines auf alte Möbel, Uhren und Porzellan spezialisierten bürgerlichen Antiquitätenhändlers zum Helden des Romans und Nachfahren der homosexuellen Dandys der Jahrhundertwende gemacht. Dieser Nick Guest, von Kindheit trainiert in die Einfühlung in alte Werte, hat in Oxord studiert. Und er hat es mit – auch, wenn er auf die Körper seiner Geliebten blickt – dem schönen Schwung der Schönheitslinie, wie sie William Hogarth beschrieben hat, und spürt den Geheimnissen im Stil des großen Autors Henry James nach, verschmäht aber ebenso wenig den Schwung der Kokain-Linie.
Sein Opportunismus macht diesen Nick zum idealen Beobachter im Haus des Tory-Abgeordneten, in dessen Sohn er hoffnungslos verliebt ist. Sein Liebesleben zieht über seinem Haupt die Aids-Nachrichten aus dem Freundeskreis wie schwarze Raben zusammen, und dass in der Thatcher-Ära alle Antiquitäten des guten alten britischen Kapitalismus in eine reißende Tanzbewegung gerieten, begreift der Leser spätestens, wenn der Held die Namenlose zum Tanz auffordert: Nick „starrte das Gesicht der Premierministerin an, ihren ganzen Kopf, spitz und gekrönt, in dem er eine hübsche, doch eigentlich unmögliche Verschmelzung des Vortizismus mit dem Barocken erkannte. Sie erwiderte mit einem Lächeln, einer tierhaften Flinkheit, einer hellblauen Herausforderung.“
LOTHAR MÜLLER
Alan Hollinghurst
Foto: Robert Taylor
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Sabine Franke entdeckt in "Die Schönheitslinie" alle nötigen Zutaten für einen "ordentlichen Gesellschaftsroman". Der homosexuelle Nick verliebt sich in seinen reichen Mitstudenten, erhält Zugang zu dessen Politikerfamilie und erfährt allerlei "Intimitäten" aus dem Leben der Reichen und Schönen, teilt die Rezensentin mit, die das Etikett der englischen Kritik, es handele sich bei diesem Buch um ein "Sittenstück des 20. Jahrhunderts", gar nicht verkehrt findet. Der Autor schildert darin das "rasante Leben" der achtziger Jahre während der Thatcher-Ära und betrachtet die britische Gesellschaft "ganz unverdruckst" aus "schwuler Sicht", so die Rezensentin eingenommen. Dabei habe Hollinghurst auch ein Buch über den "richtigen Ton" geschrieben, der in England entscheidend die feinen Unterschiede der Gesellschaftsschichten markiert, meint Franke. Den Höhepunkt seiner "gesellschaftlichen Integration" erreicht der junge Student, wenn er Margaret Thatcher auf einer Party seiner Gönner zum Tanz auffordert, doch am Ende wird er aus der feinen Gesellschaft wieder verstoßen und zum "Sündenbock" für den Karriereknick des Hausherrn gemacht, verrät die Rezensentin, die diesen Roman einfach "wundervoll" findet.

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