Jim Jarmusch lässt in seinem Kultfilm 'Paterson' den dichtenden Busfahrer Paterson - die Hauptfigur - Gedichte von Ron Padgett in sein Heft notieren: "Beim Drehbuchschreiben wusste ich schon, dass ich Gedichte von Ron Padgett verwenden wollte ... ich liebe seine Gedichte sehr. Einige hat er speziell für den Film verfasst. Er gehört zur New York School ... Ihre Gedichte nehmen sich selbst nicht so ernst. Sie feiern die kleinen Dinge. Jedes Gedicht wird immer nur für eine bestimmte Person und nicht für die ganze Welt geschrieben." Besser als Jim Jarmusch kann man nicht sagen und zeigen, was einen an Ron Padgetts frischen und lebenszugewandten Gedichten so begeistert.
Als Exponent der amerikanischen Beat-und-Pop-Bewegung hatte Ron Padgett (geb. 1942 in Tulsa, Oklahoma) sein deutschsprachiges Debut 1969 in der Anthologie 'Silver Screen' von Rolf Dieter Brinkmann. Heute gilt er als einer der
wichtigsten amerikanischen Lyriker der Gegenwart. Padgett ist nun auch im Deutschen neu zu entdecken: Die Auswahl von Jan Volker Röhnert stellt etwas über hundert Gedichte aus vier Jahrzehnten vor - darunter alle Gedichte aus dem Film 'Paterson'.
Als Exponent der amerikanischen Beat-und-Pop-Bewegung hatte Ron Padgett (geb. 1942 in Tulsa, Oklahoma) sein deutschsprachiges Debut 1969 in der Anthologie 'Silver Screen' von Rolf Dieter Brinkmann. Heute gilt er als einer der
wichtigsten amerikanischen Lyriker der Gegenwart. Padgett ist nun auch im Deutschen neu zu entdecken: Die Auswahl von Jan Volker Röhnert stellt etwas über hundert Gedichte aus vier Jahrzehnten vor - darunter alle Gedichte aus dem Film 'Paterson'.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 28.11.2017Hätt ich nur
Pflaumenverse
Von Jim Jarmusch geschätzt:
Die Gedichte Ron Padgetts
William Carlos Williams’ Gedichtzyklus „Paterson“ ist einer der Gründungstexte der modernen amerikanischen Lyrik. „Paterson“ heißt auch der jüngste Film von Jim Jarmusch, der in der gleichnamigen Stadt in New Jersey spielt (Williams wohnte im benachbarten Rutherford). Er handelt von einem Gedichte schreibenden Busfahrer – der ebenfalls Paterson heißt. Die Gedichte, die dieser Busfahrer schreibt, leiht sich Jarmusch in dieser Williams-Hommage allerdings nicht von Williams selbst, er hat sie von einem alten Freund extra für den Film schreiben lassen, in jenem Stil poetischer Beiläufigkeit, den Williams etabliert hat.
Ron Padgett ist der Name dieses Ghostwriters, und in seinen früheren Gedichten findet sich ebenfalls eine Verbeugung vor dem großen Meister: „Was werd ich frühstücken?/ Hätt ich nur ein paar Pflaumen/ wie die in Williams’ Gedicht./ Bat seine Frau um Verzeihung,/ dass er sie aß,/ aber wen er nicht um Verzeihung bat, sind jene,/ die sein Gedicht lasen/ und sie ebenso wenig essen konnten.“
Williams Pflaumengedicht, das vielleicht noch berühmter ist als sein Zyklus „Paterson“, hält man besser nicht neben diese Zeilen des 1942 geborenen und in New York lebenden Ron Padgett. Allzu sehr würde sein Epigonentum deutlich, der Versuch, die Dinge und Begebenheiten des Alltags in ihrer spezifischen Schönheit aufblitzen zu lassen. Hat man bei Williams immer den Eindruck, seine Gegenstände speisen sich aus unmittelbarer Anschauung, aus eigenem Erleben, so wirken viele der Gedichte Padgetts, als lägen ihnen trockene Überlegungen und die Bücher anderer zu Grunde.
Ist schon die Diktion von William Carlos Williams in ihrer Knappheit kaum ins immer etwas längere, steifere Gegenwartsdeutsch zu bringen, so verliert Padgett in der Übersetzung Jan Volker Röhnerts noch zusätzlich. „Hätt ich nur ein paar Pflaumen“ – da klingt ungewollt der hohe Ton Hölderlins an; und auch „Bat seine Frau um Verzeihung“ wirkt gestelzt im Vergleich zum originalen „He apologized to his wife“.
In seinem Nachwort weist Röhnert auf einen interessanten Deutschlandbezug Padgetts hin. Offenbar stand der Dichter eine Weile in Kontakt mit Rolf Dieter Brinkmann und half ihm bei der Übersetzung von Frank O’Haras „Lunch Poems“ (ein weiterer, von Padgett unerreichter Meilenstein der amerikanischen Nachkriegsdichtung) und der Zusammenstellung der Anthologie „Silverscreen“ (1969). Die umfangreiche Auswahl aus Padgetts Werk hätte ohne Jarmuschs Film den Weg ins Deutsche kaum gefunden. Und es wäre auch kein großer Verlust gewesen.
TOBIAS LEHMKUHL
Ron Padgett: Die schönsten Streichhölzer der Welt. Aus dem Englischen von Jan Volker Röhnert. Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung, Mainz 2017. 288 Seiten, 22 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Pflaumenverse
Von Jim Jarmusch geschätzt:
Die Gedichte Ron Padgetts
William Carlos Williams’ Gedichtzyklus „Paterson“ ist einer der Gründungstexte der modernen amerikanischen Lyrik. „Paterson“ heißt auch der jüngste Film von Jim Jarmusch, der in der gleichnamigen Stadt in New Jersey spielt (Williams wohnte im benachbarten Rutherford). Er handelt von einem Gedichte schreibenden Busfahrer – der ebenfalls Paterson heißt. Die Gedichte, die dieser Busfahrer schreibt, leiht sich Jarmusch in dieser Williams-Hommage allerdings nicht von Williams selbst, er hat sie von einem alten Freund extra für den Film schreiben lassen, in jenem Stil poetischer Beiläufigkeit, den Williams etabliert hat.
Ron Padgett ist der Name dieses Ghostwriters, und in seinen früheren Gedichten findet sich ebenfalls eine Verbeugung vor dem großen Meister: „Was werd ich frühstücken?/ Hätt ich nur ein paar Pflaumen/ wie die in Williams’ Gedicht./ Bat seine Frau um Verzeihung,/ dass er sie aß,/ aber wen er nicht um Verzeihung bat, sind jene,/ die sein Gedicht lasen/ und sie ebenso wenig essen konnten.“
Williams Pflaumengedicht, das vielleicht noch berühmter ist als sein Zyklus „Paterson“, hält man besser nicht neben diese Zeilen des 1942 geborenen und in New York lebenden Ron Padgett. Allzu sehr würde sein Epigonentum deutlich, der Versuch, die Dinge und Begebenheiten des Alltags in ihrer spezifischen Schönheit aufblitzen zu lassen. Hat man bei Williams immer den Eindruck, seine Gegenstände speisen sich aus unmittelbarer Anschauung, aus eigenem Erleben, so wirken viele der Gedichte Padgetts, als lägen ihnen trockene Überlegungen und die Bücher anderer zu Grunde.
Ist schon die Diktion von William Carlos Williams in ihrer Knappheit kaum ins immer etwas längere, steifere Gegenwartsdeutsch zu bringen, so verliert Padgett in der Übersetzung Jan Volker Röhnerts noch zusätzlich. „Hätt ich nur ein paar Pflaumen“ – da klingt ungewollt der hohe Ton Hölderlins an; und auch „Bat seine Frau um Verzeihung“ wirkt gestelzt im Vergleich zum originalen „He apologized to his wife“.
In seinem Nachwort weist Röhnert auf einen interessanten Deutschlandbezug Padgetts hin. Offenbar stand der Dichter eine Weile in Kontakt mit Rolf Dieter Brinkmann und half ihm bei der Übersetzung von Frank O’Haras „Lunch Poems“ (ein weiterer, von Padgett unerreichter Meilenstein der amerikanischen Nachkriegsdichtung) und der Zusammenstellung der Anthologie „Silverscreen“ (1969). Die umfangreiche Auswahl aus Padgetts Werk hätte ohne Jarmuschs Film den Weg ins Deutsche kaum gefunden. Und es wäre auch kein großer Verlust gewesen.
TOBIAS LEHMKUHL
Ron Padgett: Die schönsten Streichhölzer der Welt. Aus dem Englischen von Jan Volker Röhnert. Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung, Mainz 2017. 288 Seiten, 22 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Jürgen Brocan nimmt die Gedichte von Ron Padgett mit in den Alltag. Da machen sie sich gut, findet er. Wenn der Autor aus der Beschreibung einer Streichholzdschachtel ein Liebesgedicht macht oder anderen alltäglichen Dinge mit Metaphern und Assoziationen poetische Stimmungen abringt, aber leicht und fließend, geht Brocan mit. Zuweilen etwas geschwätzig und beliebig, meist aber von "Witz und Wehmut durchschossen", bietet die Auswahl dem Rezensenten die Chance, diesen vielleicht unbekanntesten aller von der New York School beeinflussten Dichter kennenzulernen. Das Nachwort unterstützt ihn darin. Jan Volker Röhnerts Übersetzung scheint ihm kongenial, nur manchmal etwas zu umgangssprachlich. Den Satzspiegel findet Brocan gewöhnungsbedürftig.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH