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Hand aufs Herz: Bei "Scholle" läuft Ihnen eher das Wasser im Mund zusammen, als dass Sie an eine Künstlervereinigung denken, oder? Zu Unrecht ist diese Gruppe in Vergessenheit geraten, denn sie leitete maßgeblich die künstlerische Entwicklung ein, die in der "Brücke" und dem "Blauen Reiter" ihre Fortsetzung fand. "Die Scholle" wurde 1899 von Mitgliedern der Münchner Sezession gegründet, um ohne das Kunstdiktat Franz von Lenbachs ausstellen zu können.

Produktbeschreibung
Hand aufs Herz: Bei "Scholle" läuft Ihnen eher das Wasser im Mund zusammen, als dass Sie an eine Künstlervereinigung denken, oder? Zu Unrecht ist diese Gruppe in Vergessenheit geraten, denn sie leitete maßgeblich die künstlerische Entwicklung ein, die in der "Brücke" und dem "Blauen Reiter" ihre Fortsetzung fand. "Die Scholle" wurde 1899 von Mitgliedern der Münchner Sezession gegründet, um ohne das Kunstdiktat Franz von Lenbachs ausstellen zu können.
Autorenporträt
Dr. Felix Billeter, selbständiger Kunsthistoriker und Publizist in München, betreut den Nachlass Hugo Troendle sowie das Hans Purrmann-Archiv. Der Schwerpunkt seiner Publikationen liegt auf dem Gebiet der Klassischen Moderne, Beckmann, Purrmann und der Münchner Moderne, sowie der Sammlungsgeschichte.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 07.02.2008

Wo der Jugendstil seinen Anfang nahm
Zwei Neuerscheinungen zur Kunstgeschichte erinnern an die Münchner Ursprünge der Secession
Beim Vergleich der beiden Bücher „Die Scholle” und „Münchner Secession” gewinnt allein schon vom Äußeren her „Die Scholle”: Der vor Sinnlichkeit sprühende, farbenfrohe weibliche Halbakt von Leo Putz, des bekanntesten Malers der Münchner Künstlervereinigung Scholle, ist bei weitem anziehender als der helle Beigeton mit dem Prägedruck des Signets der Secession von Stuck. Aber nicht nur äußerlich fällt das Buch „Münchner Secession. Geschichte und Gegenwart” gegenüber der Veröffentlichung zur Scholle zurück: Da es nicht nur ein Kapitel der Münchner Kunstgeschichte beleuchtet, sondern die Secession bis heute verfolgt, ist gut die Hälfte des Buches mehr oder weniger bekannten, oft auch ziemlich mittelmäßigen und uninteressanten Künstlern gewidmet. Trotzdem hält das Buch genügend Erhellendes bereit: Der historische Teil ist für jeden Liebhaber der Münchner Kunstgeschichte interessant. Denn die Münchner Secession ist – anders als die Wiener – kaum im allgemeinen Bewusstsein verankert. Dabei war die Münchner die erste, die diesen Namen trug. Sie galt einst auch als eine der wichtigsten und berühmtesten, weil mit ihr die deutsche Secessionsbewegung ihren Anfang nahm.
Aufbegehren gegen Lenbach
Gegründet wurde die Münchner Secession als Gegengewicht zu Franz von Lenbach. Als Verfechter der Hierarchie der Künste wollte Lenbach bestimmen, welche Kunst in München zu sehen sein sollte. Sein Instrument war die Münchner Künstlergenossenschaft mit ihren Jahresausstellungen im Glaspalast. Die impressionistische Freiluftmalerei etwa lehnte Lenbach ab. Die Jüngeren begehrten auf, gründeten 1892 die Secession und brachten eine ganze Hundertschaft von Künstlern auf ihre Seite, darunter so bekannte Namen wie Franz von Stuck, Lovis Corinth, Max Slevogt, Max Liebermann, Leopold von Kalckreuth. Der Glaspalast aber blieb den „Abtrünnigen”, wie man sie nannte, noch jahrelang verschlossen.
Hilfe kam von anderer Seite, vom Verleger und Herausgeber der Münchner Neuesten Nachrichten Georg Hirth, mit dessen Hilfe die Mitglieder der Secession ein eigenes Ausstellungsgebäude errichten konnten. Der Bauplatz wurde ihnen von dem Baurat Franz Brandl aus Bad Reichenhall zur Verfügung gestellt. Leider war die Nutzung auf fünf Jahre begrenzt, und das Münchner Secessions-Gebäude an der Prinzregentenstraße – nicht so spektakulär wie das Wiener, aber auch recht ansehlich – wurde wieder abgerissen. Als Ausweichquartier wurde der Secession das Ausstellungsgebäude am Königsplatz, die heutige Antikensammlung, zur Verfügung gestellt.
Später wechselten die Secessionisten doch noch in den Glaspalast, den sie sich mit den anderen Gruppen teilten. Die Macht der Künstlergenossenschaft war gebrochen. Georg Hirths 1896 erstmals aufgelegte Zeitschrift Die Jugend wurde zur Namensgeberin des neuen Stils, die 1899 gegründete Gruppe Die Scholle lieferte Illustrationen. Die Entscheidung, sich zu einer Gruppe zusammenzuschließen, geschah aus rein pragmatischen Gründen, weil Gruppen seit 1899 bei der Jahresausstellung keinerlei Jury mehr passieren mussten. Außerdem luden sich Künstlergruppen gegenseitig ein, sodass sie auch überregional wahrgenommen wurden. Ihr Zentrum schuf sich Die Scholle in Holzhausen am Ammersee, wo heute noch das Gasteiger-Haus von ihrer Künstlerkolonie zeugt.
Neue Ära der Vermarktung
Mit Der Scholle beginnt auch eine neue Ära der Vermarktung. Der Opernsänger und zeitweilige Direktor des Gärtnerplatztheaters, Franz Josef Brakl, ein leidenschaftlicher Bildersammler, eröffnete 1905 gemeinsam mit Heinrich Thannhauser in der Goethestraße 64 „Brakls Moderne Kunsthandlung”. Hirth legte ihm „Die Scholle” sehr ans Herz, und Brakl verkaufte alle seine Werke von Franz von Lenbach, Wilhelm von Kaulbach, Gabriel von Max und Franz von Defregger, um sich ganz den Künstlern der Scholle zu widmen. Man schaltete Anzeigen in großen Zeitungen, suchte Kontakte überregional wie international und organisierte umfangreiche Einzelausstellungen. Brakls „Moderne Kunsthandlung” professionalisierte die Vermarktung der Künstler, und das zu einem Zeitpunkt, wo die Jahresausstellungen durch nachlassende Qualität an Bedeutung zu verlieren begannen. Für die Künstler der Scholle, wie die Brüder Erler, Robert Weise, Adolf Münzer, Walter Georgi und Leo Putz, lief es gut. 1910 gab es eine erste Retrospektive, 1911 löste sich die Gruppe auf, und manch einer der Künstler geriet in Vergessenheit.
Aber auch heute gibt es noch große Scholle-Verehrer wie Siegfried Unterberger. Seiner Sammlung sind das Buch „Die Scholle. Eine Künstlergruppe zwischen Secession und Blauer Reiter” und die begleitende Ausstellung in Schweinfurt gewidmet. Ein Prachtband, der alle Scholle-Künstler in vorzüglichen Abbildungen vorstellt, die Gruppe kunsthistorisch würdigt und den Markt- und den Sammlungsaspekt gründlich beleuchtet.
Bettina Best, Jochen Meister und Andreas Strobl: Münchner Secession. Geschichte und Gegenwart. Prestel Verlag. 192 Seiten, 49,95 Euro.
Siegfried Unterberger, Ute Strimmer und Felix Billeter: Die Scholle. Eine Künstlergruppe zwischen Secession und Blauer Reiter. Prestel Verlag. 299 Seiten, 49,95 Euro.
Die Ausstellung im Museum Georg Schäfer in Schweinfurt läuft noch bis 1. Juni. HANNE WESKOTT
Leo Putz: Parsifal, um 1900. Sammlung Siegfried Unterberger. Foto: VG Bild
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