Eine Schule auf Juist, ein Traum von Gemeinschaft und Freiheit - doch die Welt steuert auf den Abgrund zu
Juist, 1925: Tatkräftig und voller Ideale gründet eine Gruppe von Lehrern am äußersten Rand der Weimarer Republik ein ganz besonderes Internat. Mit eigenen Gärten, Seewasseraquarien und Theaterhalle. Es ist eine eingeschworene Gemeinschaft: die jüdische Lehrerin Anni Reiner, der Musikpädagoge Eduard Zuckmayer, der zehnjährige Maximilian, der sich mit dem Gruppenzwang manchmal schwer tut, sowie die resolute Insulanerin Kea, die in der Küche das Sagen hat. Doch das Klima an der Küste ist hart in jeder Hinsicht, und schon bald nehmen die Spannungen zu zwischen den Lehrkräften und mit den Insulanern, bei denen die Schule als Hort für Juden und Kommunisten verschrien ist. Im katastrophalen Eiswinter von 1929 ist die Insel wochenlang von der Außenwelt abgeschlossen. Man rückt ein wenig näher zusammen. Aber kann es Hoffnung geben, wenn der Rest der Welt auf den Abgrund zusteuert?
Ein Roman über Wagemut und Scheitern, Leidenschaft und Missgunst, Freundschaft und Verrat. Eine große Geschichte - hervorragend recherchiert und packend erzählt.
Juist, 1925: Tatkräftig und voller Ideale gründet eine Gruppe von Lehrern am äußersten Rand der Weimarer Republik ein ganz besonderes Internat. Mit eigenen Gärten, Seewasseraquarien und Theaterhalle. Es ist eine eingeschworene Gemeinschaft: die jüdische Lehrerin Anni Reiner, der Musikpädagoge Eduard Zuckmayer, der zehnjährige Maximilian, der sich mit dem Gruppenzwang manchmal schwer tut, sowie die resolute Insulanerin Kea, die in der Küche das Sagen hat. Doch das Klima an der Küste ist hart in jeder Hinsicht, und schon bald nehmen die Spannungen zu zwischen den Lehrkräften und mit den Insulanern, bei denen die Schule als Hort für Juden und Kommunisten verschrien ist. Im katastrophalen Eiswinter von 1929 ist die Insel wochenlang von der Außenwelt abgeschlossen. Man rückt ein wenig näher zusammen. Aber kann es Hoffnung geben, wenn der Rest der Welt auf den Abgrund zusteuert?
Ein Roman über Wagemut und Scheitern, Leidenschaft und Missgunst, Freundschaft und Verrat. Eine große Geschichte - hervorragend recherchiert und packend erzählt.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.07.2020Reformpädagogik auf Juist
Sandra Lüpkes besucht "Die Schule am Meer"
Sie hat nur neun Jahre bestanden, aber mit ihrer reformpädagogischen Ausrichtung die Landschulbewegung beispielhaft geprägt. Der Lehrer Martin Luserke, der eine Zeitlang auch Wickersdorf geleitet hatte, war ihr Gründer. Nachdem er sich endgültig von dem umstrittenen August Wyneken getrennt hatte, baute er 1925 mit Gleichgesinnten auf der Nordseeinsel Juist die Schule am Meer. Zunächst waren es provisorische Unterkünfte in den Dünen, aber je großzügiger die Spenden einliefen - vor allem von jüdischen Mäzenen -, desto mehr wurden sie abgelöst durch sturmsichere Häuser, es reichte sogar für ein Theater. Luserke führte darin Shakesspeare, aber auch eigene Werke und moderne Dramen auf. Schauspiel gehörte zum Lehrplan wie Segeln, Gartenbau, Handwerk und vor allem Sport. Für Musik war Carl Zuckmayers Bruder Eduard zuständig.
Sandra Lüpkes hat lange auf Juist gelebt und der Insel mehrere Romane gewidmet. Für ihr neues Werk konnte sie sich auf das umfangreiche "Logbuch", eine Art Schultagebuch von Luserke, stützen und damit viele sachliche Details in ihrem Roman verwenden. Die Hauptfiguren, das Lehrerpaar Paul und Anni Reiner mit seinen Töchtern, sind nicht erfunden. Auf die finanzielle Unterstützung von Annis jüdischer Mutter Philippine Hochschild aus Frankfurt konnten sich die Insel-Idealisten immer verlassen. Ob ihr, wie im Roman, bei ihrem ersten Besuch auf der Insel bereits 1925 blanker Antisemitismus begegnete, sei dahingestellt. Aber das Schild "Hunde und Juden haben hier keinen Zutritt" gab es wohl schon. Die Juister waren sehr früh von nationalsozialistischen Parolen infiziert. "Die Schule am Meer" bekam es zu spüren. Als Juden- und Kommunistenschule wurde sie beschimpft und ihre freiheitlich-pädagogischen Ziele als sittenwidrig verunglimpft. Nach 1933 verließen viele jüdische Schüler die Insel. Die Schule war nicht mehr zu halten, obwohl Luserke sich vergeblich den politischen Verhältnissen anzupassen versuchte, ein beschämendes Kapitel, das hier nur beiläufig erwähnt wird. Ihm haben die Juister ein Denkmal gesetzt, nicht jedoch dem Lehrerpaar Reiner, dass im Tessin Zuflucht fand.
Sandra Lüpkes hat leichthändig mit den Mitteln des Unterhaltungsromans Authentisches und Erfundenes gemischt. Der Spannungsbogen hält bis zum Ende. Gern hätte man von Überlebenden, vor allem den jüdischen, erfahren, wie es ihnen erging, wie sie die Jahre in der Schule am Meer erlebt haben. Weil einer der Schüler Erbe der Zeiss-Werke in Wetzlar war, gibt es eine Flut von Fotos. Gruppenbilder von lachenden Jugendlichen beim Musizieren, Theaterspielen, Segeln und Werken könnten eine Fundgrube für weitere Recherchen sein.
MARIA FRISÉ.
Sandra Lüpkes: "Die Schule am Meer". Roman. Kindler Verlag, Hamburg 2020. 470 S., geb., 22.- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Sandra Lüpkes besucht "Die Schule am Meer"
Sie hat nur neun Jahre bestanden, aber mit ihrer reformpädagogischen Ausrichtung die Landschulbewegung beispielhaft geprägt. Der Lehrer Martin Luserke, der eine Zeitlang auch Wickersdorf geleitet hatte, war ihr Gründer. Nachdem er sich endgültig von dem umstrittenen August Wyneken getrennt hatte, baute er 1925 mit Gleichgesinnten auf der Nordseeinsel Juist die Schule am Meer. Zunächst waren es provisorische Unterkünfte in den Dünen, aber je großzügiger die Spenden einliefen - vor allem von jüdischen Mäzenen -, desto mehr wurden sie abgelöst durch sturmsichere Häuser, es reichte sogar für ein Theater. Luserke führte darin Shakesspeare, aber auch eigene Werke und moderne Dramen auf. Schauspiel gehörte zum Lehrplan wie Segeln, Gartenbau, Handwerk und vor allem Sport. Für Musik war Carl Zuckmayers Bruder Eduard zuständig.
Sandra Lüpkes hat lange auf Juist gelebt und der Insel mehrere Romane gewidmet. Für ihr neues Werk konnte sie sich auf das umfangreiche "Logbuch", eine Art Schultagebuch von Luserke, stützen und damit viele sachliche Details in ihrem Roman verwenden. Die Hauptfiguren, das Lehrerpaar Paul und Anni Reiner mit seinen Töchtern, sind nicht erfunden. Auf die finanzielle Unterstützung von Annis jüdischer Mutter Philippine Hochschild aus Frankfurt konnten sich die Insel-Idealisten immer verlassen. Ob ihr, wie im Roman, bei ihrem ersten Besuch auf der Insel bereits 1925 blanker Antisemitismus begegnete, sei dahingestellt. Aber das Schild "Hunde und Juden haben hier keinen Zutritt" gab es wohl schon. Die Juister waren sehr früh von nationalsozialistischen Parolen infiziert. "Die Schule am Meer" bekam es zu spüren. Als Juden- und Kommunistenschule wurde sie beschimpft und ihre freiheitlich-pädagogischen Ziele als sittenwidrig verunglimpft. Nach 1933 verließen viele jüdische Schüler die Insel. Die Schule war nicht mehr zu halten, obwohl Luserke sich vergeblich den politischen Verhältnissen anzupassen versuchte, ein beschämendes Kapitel, das hier nur beiläufig erwähnt wird. Ihm haben die Juister ein Denkmal gesetzt, nicht jedoch dem Lehrerpaar Reiner, dass im Tessin Zuflucht fand.
Sandra Lüpkes hat leichthändig mit den Mitteln des Unterhaltungsromans Authentisches und Erfundenes gemischt. Der Spannungsbogen hält bis zum Ende. Gern hätte man von Überlebenden, vor allem den jüdischen, erfahren, wie es ihnen erging, wie sie die Jahre in der Schule am Meer erlebt haben. Weil einer der Schüler Erbe der Zeiss-Werke in Wetzlar war, gibt es eine Flut von Fotos. Gruppenbilder von lachenden Jugendlichen beim Musizieren, Theaterspielen, Segeln und Werken könnten eine Fundgrube für weitere Recherchen sein.
MARIA FRISÉ.
Sandra Lüpkes: "Die Schule am Meer". Roman. Kindler Verlag, Hamburg 2020. 470 S., geb., 22.- [Euro].
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Detail- und kenntnisreich ... mit hohem erzählerischen Tempo, fein konturierten Charakteren und geschmeidigen Dialogen. Sven Weidner Mare 20210408