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Ein wunderbar leichter Roman vom Erwachsenwerden, erzählt mit zärtlichem Humor und feiner Ironie.
"Da sieht man´s wieder. Das ist der Martin, den ich kenne. Immer auf der Suche nach einem sicheren Weg, etwas Gefährliches zu tun." Eine ausgehende Jugend in Belfast, Ende der 60er Jahre. Martin Brennan steht vor der Frage, ob er Priester werden will oder Naturwissenschaftler. Vorerst einmal hat er allerdings nur eins im Sinn: um alles in der Welt die Abschlußprüfung zu bestehen. Seine Freunde, der sportliche Alleskönner Kavanagh und der extravagante Blaise Foley, haben da schon einen Plan,…mehr

Produktbeschreibung
Ein wunderbar leichter Roman vom Erwachsenwerden, erzählt mit zärtlichem Humor und feiner Ironie.
"Da sieht man´s wieder. Das ist der Martin, den ich kenne. Immer auf der Suche nach einem sicheren Weg, etwas Gefährliches zu tun."
Eine ausgehende Jugend in Belfast, Ende der 60er Jahre. Martin Brennan steht vor der Frage, ob er Priester werden will oder Naturwissenschaftler. Vorerst einmal hat er allerdings nur eins im Sinn: um alles in der Welt die Abschlußprüfung zu bestehen.
Seine Freunde, der sportliche Alleskönner Kavanagh und der extravagante Blaise Foley, haben da schon einen Plan, dessen Durchführung jedoch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit außerhalb jeglicher vom Katholizismus bestimmten Anstandsregeln liegt. Aufwühlende Zeiten für ein Land zwischen den Bekenntnissen und für einen Jungen, der seinen Platz in der Welt sucht - und bei den Frauen.
Autorenporträt
Bernard Mac Laverty, geboren 1942 in Belfast; war tätig in einem medizinischen Labor und studierte an der Universität. Veröffentlichung eines Kinderbuches und sehr erfolgreicher Kurzgeschichten. Der Autor ist Lehrer und lebt an der Westküste von Schottland.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Bernard MacLavertys Roman "Die Schule der Anatomie" hat Rezensent Thomas Hermann recht gut gefallen. Im Mittelpunkt steht die Geschichte einer männlichen Adoleszenz im restriktiven katholischen Milieu Belfasts in den späten sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts, berichtet Hermann. Auflehnung ist hier nur im Verborgenen möglich. Während der erste Teil im Zeichen eines tolldreisten Schülerstreichs steht, ereilt den Helden im zweiten Teil das Glück in Form der zufällig auftauchenden Australierin Cindy während einer Nachtschicht im Anatomischen Institut. Es gehöre jedoch zum Zauber von MacLavertys Roman, lobt Hermann, dass er alle möglichen Klischeeklippen umschiffe und in eine stimmige Romanze steuere. Die Gespräche und Handlungen der beiden erhielten vor dem Hintergrund der in der Stadt wütenden Unruhen zusätzlich eine politische Dimension, hält Hermann fest. Überzeugend findet er auch die Übersetzung von Hans-Christian Oeser, der MacLaverty im deutschen Sprachraum eine adäquate Stimme verleihe. "Es ist bemerkenswert", resümiert der Rezensent, "mit welcher Leichtigkeit MacLaverty die Geschichte von Martins Erwachsenwerden im Brennpunkt von Elternhaus, Kirche, Schule, Beruf und Freunden erzählt."

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.06.2003

Hurra, hurra, die Schule brennt
Extra hart: Bernard MacLavertys nordirischer Bildungsroman

In Irland gehen die Uhren langsamer. Da hat man fast soviel Zeit wie in Lynchburg/Tennessee, nur daß gelegentlich irgendwo eine Bombe explodiert. Aber auch das scheint niemanden aus der Ruhe aufzuschrecken. Bernard MacLaverty, 1942 in Belfast geboren, erzählt in seinem Roman "Die Schule der Anatomie" von einer Pubertät am Ende der sechziger Jahre, als die Gewalt alltäglich zu werden begann. Der junge Martin Brennan muß sich in dieser unübersichtlichen Epoche orientieren und seinen Platz in einer Gesellschaft suchen, in der es passieren kann, daß man schon an der nächsten Straßenecke in die Luft gesprengt wird.

Zunächst einmal muß er sich entscheiden, ob er Priester werden will oder nicht. Das ist die Grundfrage der männlichen irischen Existenz, die vor allen anderen Fragen, vor allem vor der Frage nach dem anderen Geschlecht, zu beantworten ist. Martin entscheidet sich gegen das Priestertum, und doch dauert es dann noch etwa dreihundert Seiten, bis er endlich seine katholische Schüchternheit gegenüber den Mädchen überwindet. Erst muß eine junge, lebensfrohe Australierin nach Irland reisen, bevor es ihm gelingt, die gesammelten Zwänge seiner Herkunft abzuschütteln.

Bernard MacLaverty läßt sich sehr viel Zeit beim Erzählen. In epischer Breite und in ausufernden Dialogen schildert er die Teekränzchen im Wohnzimmer der Mutter mit obligatem Priester und die beklemmende Atmosphäre in der Schule, in der die Priesterkaste ein Schreckensregime eingerichtet hat: Wer ein paar Minuten zu spät kommt, erhält gleich am Eingang Rutenschläge auf die flache Hand. Die Zeit wird so tyrannisch überwacht, als ob nicht viel zu viel davon vorhanden wäre: Die Schule ist primär ein Apparat, der dazu dient, die Zeit künstlich zu verknappen und sie anschließend totzuschlagen.

Martin Brennan muß das letzte Schuljahr wiederholen, weil er bei der Abschlußprüfung durchgefallen ist. Nun versucht er zusammen mit zwei Freunden vorab in den Besitz der Prüfungsfragebögen zu gelangen, damit dieses Mal nichts mehr schiefgehen kann. Der Skandal nähert sich schließlich aber aus einer ganz anderen Richtung. Er wird von den feuchten Resten pornographischer Fotos ausgelöst, die in der Schultoilette schwimmen. Von diesen Abenteuern handelt der erste, eher ermüdende Romanteil: Eine klassische Schülerstreichgeschichte mit Feuerzangen-Humor in irisch-katholischer Grundausstattung.

Doch auch innerhalb der engen Schülerwelt deutet sich bereits die gesellschaftliche Spaltung des Landes an. Die allgegenwärtige Aggressivität der Jugendlichen, die ständig spürbare latente Gewalt, kulminiert schließlich in einer brutalen Schlägerei, in der ausgerechnet der Junge fast zu Tode geprügelt und getreten wird, der sich zuvor entschieden gegen die Anschläge der IRA ausgesprochen hat. Die Mehrheit der Schüler bewundert jedoch die Präzision, mit der die Nelson-Säule in der Stadtmitte gesprengt wurde und würde am liebsten gleich die ganze Schule in die Luft jagen. In Irland zur Zeit des Bürgerkrieges ist das mehr als bloß eine Floskel.

Im zweiten, kürzeren und konzentrierteren Romanteil, der einige Monate später spielt, ist der Bürgerkrieg voll entbrannt. Martin Brennan ist nun Laborant im anatomischen Institut, wo er mit bizarr verkrümmten Leichen zu tun hat und Experimente mit Ratten durchführt. MacLaverty greift mit dieser Kulisse auf eigene Erfahrungen zurück: Auch er arbeitete nach der Schule an einem anatomischen Institut, bevor er Englische Literatur studierte und als Lehrer nach Schottland ging. Heute lebt er als freier Autor in Glasgow. Seinen Helden macht er jedoch rund zehn Jahre jünger, als er selbst Ende der sechziger Jahre war, um ihn um so hilfloser der Gewalt auf den Straßen preiszugeben. Nun ist es eine gefährliche Angelegenheit, mit dem Fahrrad zur Arbeit zu fahren. Die Route durch die Stadt muß sorgfältig ausgewählt werden, will man nicht in einen der alltäglichen Krawalle geraten. Die Leute stehen hinter der nächsten Ecke und wissen auf die Frage, was los sei, nicht viel zu sagen: "Wie soll man das wissen? Wahrscheinlich hat irgend jemand irgendwas gesagt."

Das zweite Kapitel ist eine abgeschlossene Erzählung, die auch für sich lesbar wäre und die für die Langatmigkeit der ersten Hälfte mehr als entschädigt. Sie beschreibt eine einzige Nacht, eine Liebesnacht im anatomischen Institut. Die Australierin Cindy führt Martin in das Handwerk der Liebeskunst ein und läßt sich auch dadurch nicht irritieren, daß er jede volle Stunde aufstehen muß, weil er "etwas umbringen muß" - eine Ratte. Nach Religion und Naturwissenschaft ist die Erkundung des weiblichen Geschlechts die abschließende und entscheidende Prüfung für den irischen Novizen des Lebens. Doch seltsam: Als er ihr Geschlecht erblickt, den Kopf zwischen den Beinen der Australierin, kommt ihm die Region vor seinen Augen wie eine auf den Kopf gestellte Landkarte Irlands vor: "War das Galway oder Cork? Belfast war zu Dublin geworden. Die richtigen Linien waren die Abdrücke der Gummibänder an ihrer Taille und an der Innenseite ihrer Schenkel."

Es gelingt MacLaverty in diesem Abschnitt, Neugier und Stumpfheit, Empfindsamkeit und Gefühllosigkeit, Liebe und Töten, Befreiung und Rückbindung ans katholische Mutterland in eine emotionale Gemengelage zu bringen, die den Zustand des Landes ebenso zu fassen vermag, wie den Gemütszustand seines achtzehnjährigen Helden. MacLaverty schreibt direkt und skrupellos und verliert dabei doch nicht die Diskretion. Da zeigt er, daß er ein großer Erzähler sein kann.

JÖRG MAGENAU

Bernard MacLaverty: "Die Schule der Anatomie". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Hans-Christian Oeser. Ammann Verlag, Zürich 2003. 460 S., geb., 24,- [Euro].

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