"Es gibt dort eine Freizone, wo ich alles ablege, alle Bindungen, alle erworbenen Eigenschaften, den Beruf, den Namen, auch Schuhe und Strümpfe und das gesamte Unterzeug."
München im schweren Sommer, im Jakobi-Bad: Zugang nur ohne Kleidung gestattet, und das ist ernst gemeint. Hier erfüllt sich das Geschick eines älteren Herrn, dessen erstes zaghaftes Betreten der weißen Flecke einer Stadtlandschaft in einem erbitterten Existenzkampf mündet, ausgefochten mit nichts als der eigenen Haut.
Entwicklungsroman, Reisebericht und Beschreibung eines heimlichen Soziotops, folgt der Roman Die Schule der Nackten territorialen Eroberungen auf der Liegewiese in der Größenordnung von Alexanderzügen, entrollt ein Drama auf Leben und Tod um die schönhüftige Juliane, die ebensogut im frühen Ninife wie in altindischen Tantrakulturen ihren Platz gefunden hätte. Und letzthin findet. Ein leidenschaftlich grimmiges Epos voller Heiterkeit, und das Ganze auf höchst begrenztem Raum unter dem sommeren Glockengeläut Münchens.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
München im schweren Sommer, im Jakobi-Bad: Zugang nur ohne Kleidung gestattet, und das ist ernst gemeint. Hier erfüllt sich das Geschick eines älteren Herrn, dessen erstes zaghaftes Betreten der weißen Flecke einer Stadtlandschaft in einem erbitterten Existenzkampf mündet, ausgefochten mit nichts als der eigenen Haut.
Entwicklungsroman, Reisebericht und Beschreibung eines heimlichen Soziotops, folgt der Roman Die Schule der Nackten territorialen Eroberungen auf der Liegewiese in der Größenordnung von Alexanderzügen, entrollt ein Drama auf Leben und Tod um die schönhüftige Juliane, die ebensogut im frühen Ninife wie in altindischen Tantrakulturen ihren Platz gefunden hätte. Und letzthin findet. Ein leidenschaftlich grimmiges Epos voller Heiterkeit, und das Ganze auf höchst begrenztem Raum unter dem sommeren Glockengeläut Münchens.
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.08.2003Jeder Venushügel eine Kampfansage
Es gibt ihn, den Schwimmbaddichter: Ernst Augustins „Die Schule der Nackten”
Die Jungen am Sprungturm spielen jeden Tag das gleiche Spiel: Sobald einer der neuen Badegäste, noch angezogen und vom Eingang kommend, am Sprungbecken vorbei muss – springen sie. Das ist großes Theater, jedes mal. Irgendwen erwischt es immer. Von oben bis unten durchnässt begibt er sich dann in Richtung Liegewiese, und es fehlt noch, dass alle anderen applaudieren.
Gleich hinter dem Sprungbecken sitzt Herr Pfaff, den es wirklich gibt und den schon nach zwei Besuchen jeder kennt. Er ist braun gebrannt, ein älterer Herr mit weißem Haar und schwarzer Badehose, und er ist der Schwimmbaddichter vom Prinzregentenbad. „Das Sehbad” heißt seine Broschüre, die er jedem gerne zu lesen gibt: eine Phänomenologie des Freibadbetriebs in kurzen Kapiteln – „Der Sprungturm”, „Die Frauen”, „Die Männer”, „Die Bademeister”, „Die Toiletten”. Sehr lustig und unverklemmt.
Vielleicht hat es ihn immer schon gegeben, den Schwimmbaddichter, in allen Freibädern, überall. In diesem Sommer allerdings betritt er vehement die literarische Bühne: Am vergangenen Wochenende besuchte Hanns Zischler für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung das Berliner Olympiabad und Joseph von Westphalen das Ungererbad in München. In ihren ethnologischen Miniaturen vermischten sich Kinderschreie mit Chlorgeruch und Schulzeiterinnerungen, und am Ende seines Textes traf Joseph von Westphalen in Badehose auf einen Schwabinger Buchhändler, der ihm den neuen Schwimmbad-Roman schlechthin empfahl: „Die Schule der Nackten” von Ernst Augustin.
Das muss Schwimmbadliteratur für das Schwimmbad sein, denkt man sich. Die Frage ist nur, wie lange es einen auf der Liegewiese hält, wenn man „Schule der Nackten” dort liest. Denn Augustin schreibt nicht über ein gewöhnliches Schwimmbad, er schreibt über eine fiktive FKK-Anstalt, die mit allerlei Zumutungen verbunden ist: In praller Sonne sind Menschenkörper nicht gerade am schönsten, und die ganze erste Hälfte des Romans ist einer Studie ausgerechnet des männlichen Genitals gewidmet, unerbittlich.
München im schweren Sommer: „Zugang nur ohne Kleidung gestattet”, steht am Eingang des Jacobi-Bads, und Augustins Mann von fünfzig Jahren tut sich das an wie eine Prüfung. Er hofft, endlich eine Freizone gefunden zu haben, in der man alles ablegen kann: alle Bindungen, alle erworbenen Eigenschaften, seinen Beruf, seinen Namen, seine Vergangenheit, das Armani-Hemd, die Hose von Bonard und das ganze Unterzeug. Die Prüfung jedoch erweist sich als schwer. Nirgendwo, so scheint es, ist es mühseliger, frei zu sein, als im Freibad – zumal in einem wie diesem, in dem man alles zeigen muss: „In Drohhaltung, gespreizt ausgebreitet und bis zum Anschlagaufgeklappt” liegen um ihn herum die Leiber. Überall lauern „Vorhäute wie Schießapparate” und „Venushügel wie Kampfansagen”. Das macht nervös, vor allem dann, wenn Augustins Freigänger den Blicken ausgesetzt über den Rasen läuft, also panisch nach unten blickt, ob auch nichts herumschlenkert oder noch „etwas Schlimmeres” passiert.
Im Zeichen von Brahma
Das tut einem Leid. Aber nach dreißig Seiten akribischer Organ-Typologie – darunter „das größte weibliche Genital, das jemals in einem öffentlichen Freibad gezeigt wurde” – reicht es dann auch. Augustins Anti-Held ist ein wenig wie der Chauffeur in Martin Walsers Roman „Seelenarbeit”, der dreihundert Seiten lang über seine Verdauungsstörungen reflektiert und ein kompliziertes Verhältnis zu seinem Chef hat. Der Schwierige aus der „Schule der Nackten” betreibt nichts anderes: Seelen- und Körperarbeit – und schon Walsers Roman war anstrengend zu lesen. Was in „Seelenarbeit” das schwierige Verhältnis zum Chef war, ist bei Ernst Augustin die angespannte Beziehung zu Juliane, der Göttin des Jacobi-Bads, jung, bildschön, und – vor allem – freizügig. An ihr arbeitet sich der in die Jahre gekommene Erzähler ab: Sein Blick auf ihren Körper macht ihm den auf den seinen unerträglich. Doch will er sie haben, und er kriegt sie, die Sonnenanbeterin, verlässt mit ihr das Freibad, um sich die höhere Schule der Schamlosigkeit anzutun: einen gemeinsamen Tantra-Kurs auf dem Land. Im Zeichen von Brahma geht dann alles von vorne los, nur dass nun von der männlichen „Yati” die Rede ist.
Den ganzen letzten Sommer, heißt es, habe der Neurologe Ernst Augustin, der mit der „Schule der Nackten” seinen neunten Roman geschrieben hat, in Münchner Freibädern zugebracht. Hier suchte er Anregungen, führte im Wasser, an den Beckenrand gelehnt, Gespräche wie an einer Bar und studierte die Hierarchien der Freibad-Gesellschaft. Die nackten Tatsachen, die sein Held als zu nackt empfindet, erfand er offensichtlich dazu. Und darin scheint auch das Problem zu liegen.
„Die Schule der Nackten” will keine Literatur über das einfache Schwimmbad sein. Sie sucht das Extreme der FKK-Zone und die Ausschweifungen des Tantra-Sex. Damit führt sie den Leser so ausdrücklich ins Sperrgebiet, dass dieser das Schauspiel nur abstrus finden kann, sich weniger mit der eigenen als mit anderen Arten konfrontiert sieht. So hält man Distanz. Man lacht darüber, aber schaut nicht beklommen am eigenen Körper herunter, um sich zu vergewissern, dass alles in Ordnung ist. Vielleicht hätte ein gewöhnliches Schwimmbad für einen Roman schon gereicht. Denn genau besehen ist das schon extrem genug, gerade in diesem Sommer.
JULIA ENCKE
ERNST AUGUSTIN: Die Schule der Nackten. Roman. C. H. Beck Verlag, München 2003. 255 Seiten, 17,90 Euro.
Kein Platz für das Schamgefühl: Die nackten Tatsachen im Sommer an der Isar
Foto: Heinz Gebhardt / SZ-Archiv
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Es gibt ihn, den Schwimmbaddichter: Ernst Augustins „Die Schule der Nackten”
Die Jungen am Sprungturm spielen jeden Tag das gleiche Spiel: Sobald einer der neuen Badegäste, noch angezogen und vom Eingang kommend, am Sprungbecken vorbei muss – springen sie. Das ist großes Theater, jedes mal. Irgendwen erwischt es immer. Von oben bis unten durchnässt begibt er sich dann in Richtung Liegewiese, und es fehlt noch, dass alle anderen applaudieren.
Gleich hinter dem Sprungbecken sitzt Herr Pfaff, den es wirklich gibt und den schon nach zwei Besuchen jeder kennt. Er ist braun gebrannt, ein älterer Herr mit weißem Haar und schwarzer Badehose, und er ist der Schwimmbaddichter vom Prinzregentenbad. „Das Sehbad” heißt seine Broschüre, die er jedem gerne zu lesen gibt: eine Phänomenologie des Freibadbetriebs in kurzen Kapiteln – „Der Sprungturm”, „Die Frauen”, „Die Männer”, „Die Bademeister”, „Die Toiletten”. Sehr lustig und unverklemmt.
Vielleicht hat es ihn immer schon gegeben, den Schwimmbaddichter, in allen Freibädern, überall. In diesem Sommer allerdings betritt er vehement die literarische Bühne: Am vergangenen Wochenende besuchte Hanns Zischler für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung das Berliner Olympiabad und Joseph von Westphalen das Ungererbad in München. In ihren ethnologischen Miniaturen vermischten sich Kinderschreie mit Chlorgeruch und Schulzeiterinnerungen, und am Ende seines Textes traf Joseph von Westphalen in Badehose auf einen Schwabinger Buchhändler, der ihm den neuen Schwimmbad-Roman schlechthin empfahl: „Die Schule der Nackten” von Ernst Augustin.
Das muss Schwimmbadliteratur für das Schwimmbad sein, denkt man sich. Die Frage ist nur, wie lange es einen auf der Liegewiese hält, wenn man „Schule der Nackten” dort liest. Denn Augustin schreibt nicht über ein gewöhnliches Schwimmbad, er schreibt über eine fiktive FKK-Anstalt, die mit allerlei Zumutungen verbunden ist: In praller Sonne sind Menschenkörper nicht gerade am schönsten, und die ganze erste Hälfte des Romans ist einer Studie ausgerechnet des männlichen Genitals gewidmet, unerbittlich.
München im schweren Sommer: „Zugang nur ohne Kleidung gestattet”, steht am Eingang des Jacobi-Bads, und Augustins Mann von fünfzig Jahren tut sich das an wie eine Prüfung. Er hofft, endlich eine Freizone gefunden zu haben, in der man alles ablegen kann: alle Bindungen, alle erworbenen Eigenschaften, seinen Beruf, seinen Namen, seine Vergangenheit, das Armani-Hemd, die Hose von Bonard und das ganze Unterzeug. Die Prüfung jedoch erweist sich als schwer. Nirgendwo, so scheint es, ist es mühseliger, frei zu sein, als im Freibad – zumal in einem wie diesem, in dem man alles zeigen muss: „In Drohhaltung, gespreizt ausgebreitet und bis zum Anschlagaufgeklappt” liegen um ihn herum die Leiber. Überall lauern „Vorhäute wie Schießapparate” und „Venushügel wie Kampfansagen”. Das macht nervös, vor allem dann, wenn Augustins Freigänger den Blicken ausgesetzt über den Rasen läuft, also panisch nach unten blickt, ob auch nichts herumschlenkert oder noch „etwas Schlimmeres” passiert.
Im Zeichen von Brahma
Das tut einem Leid. Aber nach dreißig Seiten akribischer Organ-Typologie – darunter „das größte weibliche Genital, das jemals in einem öffentlichen Freibad gezeigt wurde” – reicht es dann auch. Augustins Anti-Held ist ein wenig wie der Chauffeur in Martin Walsers Roman „Seelenarbeit”, der dreihundert Seiten lang über seine Verdauungsstörungen reflektiert und ein kompliziertes Verhältnis zu seinem Chef hat. Der Schwierige aus der „Schule der Nackten” betreibt nichts anderes: Seelen- und Körperarbeit – und schon Walsers Roman war anstrengend zu lesen. Was in „Seelenarbeit” das schwierige Verhältnis zum Chef war, ist bei Ernst Augustin die angespannte Beziehung zu Juliane, der Göttin des Jacobi-Bads, jung, bildschön, und – vor allem – freizügig. An ihr arbeitet sich der in die Jahre gekommene Erzähler ab: Sein Blick auf ihren Körper macht ihm den auf den seinen unerträglich. Doch will er sie haben, und er kriegt sie, die Sonnenanbeterin, verlässt mit ihr das Freibad, um sich die höhere Schule der Schamlosigkeit anzutun: einen gemeinsamen Tantra-Kurs auf dem Land. Im Zeichen von Brahma geht dann alles von vorne los, nur dass nun von der männlichen „Yati” die Rede ist.
Den ganzen letzten Sommer, heißt es, habe der Neurologe Ernst Augustin, der mit der „Schule der Nackten” seinen neunten Roman geschrieben hat, in Münchner Freibädern zugebracht. Hier suchte er Anregungen, führte im Wasser, an den Beckenrand gelehnt, Gespräche wie an einer Bar und studierte die Hierarchien der Freibad-Gesellschaft. Die nackten Tatsachen, die sein Held als zu nackt empfindet, erfand er offensichtlich dazu. Und darin scheint auch das Problem zu liegen.
„Die Schule der Nackten” will keine Literatur über das einfache Schwimmbad sein. Sie sucht das Extreme der FKK-Zone und die Ausschweifungen des Tantra-Sex. Damit führt sie den Leser so ausdrücklich ins Sperrgebiet, dass dieser das Schauspiel nur abstrus finden kann, sich weniger mit der eigenen als mit anderen Arten konfrontiert sieht. So hält man Distanz. Man lacht darüber, aber schaut nicht beklommen am eigenen Körper herunter, um sich zu vergewissern, dass alles in Ordnung ist. Vielleicht hätte ein gewöhnliches Schwimmbad für einen Roman schon gereicht. Denn genau besehen ist das schon extrem genug, gerade in diesem Sommer.
JULIA ENCKE
ERNST AUGUSTIN: Die Schule der Nackten. Roman. C. H. Beck Verlag, München 2003. 255 Seiten, 17,90 Euro.
Kein Platz für das Schamgefühl: Die nackten Tatsachen im Sommer an der Isar
Foto: Heinz Gebhardt / SZ-Archiv
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.02.2004Heiteres Alterswerk
Ernst Augustin in Frankfurt
München schwitzt. Sogar Alexander, der biedere Althistoriker, zieht sich aus. Diesmal ganz, denn er hat die magische Schleuse im Jakobi-Bad wie von ungefähr überwunden. Dahinter beginnt das Reich der Freikörperkultur: "Ungeheure Prügel", "Vorhäute wie Kartuschen" und zusammengeschnurrte "Gießkännchen", aber auch die "kostbare Klöppelarbeit" der Runzeln im Club der alten Frauen sind da zu sehen. Inmitten dieser "tiefgebräunten Phalanx" erhebt sich plötzlich eine Shakti, eine Astarte aus dem Pool: Juliane mit ihrer himmlischen Hüftkurvatur. Alexander, Experte für vorderasiatische Frühkulturen, ist schon eifersüchtig, bevor er überhaupt Bekanntschaft mit seinen Nebenbuhlern gemacht hat: einer Tantra-Gruppe, auf die seine Begehrte fixiert ist.
Ernst Augustins FKK-Roman hätte leicht schiefgehen können, wäre er der Verbalerguß eines voyeuristischen alten Knaben geworden. Doch Augustin, der jetzt mit seinem Buch in der Frankfurter Romanfabrik gastierte, hat alle Peinlichkeiten vermieden, indem er den anatomischen Blick des Arztes mit dem Humor des abgeklärten Schriftstellers kombinierte. Unter dem Titel "Die Schule der Nackten" ist sein neuntes Buch bei C.H. Beck erschienen und spielt wohl nicht ganz zufällig auf Molière an. Denn in diesem heiteren Alterswerk des 76 Jahre alten Autors steckt auch ein Stück Gesellschaftskritik, zumindest aber eine gewisse Befremdung über den Wahn westlicher Wohlstandsbürger, die dubiosen religiösen Sexualpraktiken aus dem Fernen Osten verfallen.
c.s.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ernst Augustin in Frankfurt
München schwitzt. Sogar Alexander, der biedere Althistoriker, zieht sich aus. Diesmal ganz, denn er hat die magische Schleuse im Jakobi-Bad wie von ungefähr überwunden. Dahinter beginnt das Reich der Freikörperkultur: "Ungeheure Prügel", "Vorhäute wie Kartuschen" und zusammengeschnurrte "Gießkännchen", aber auch die "kostbare Klöppelarbeit" der Runzeln im Club der alten Frauen sind da zu sehen. Inmitten dieser "tiefgebräunten Phalanx" erhebt sich plötzlich eine Shakti, eine Astarte aus dem Pool: Juliane mit ihrer himmlischen Hüftkurvatur. Alexander, Experte für vorderasiatische Frühkulturen, ist schon eifersüchtig, bevor er überhaupt Bekanntschaft mit seinen Nebenbuhlern gemacht hat: einer Tantra-Gruppe, auf die seine Begehrte fixiert ist.
Ernst Augustins FKK-Roman hätte leicht schiefgehen können, wäre er der Verbalerguß eines voyeuristischen alten Knaben geworden. Doch Augustin, der jetzt mit seinem Buch in der Frankfurter Romanfabrik gastierte, hat alle Peinlichkeiten vermieden, indem er den anatomischen Blick des Arztes mit dem Humor des abgeklärten Schriftstellers kombinierte. Unter dem Titel "Die Schule der Nackten" ist sein neuntes Buch bei C.H. Beck erschienen und spielt wohl nicht ganz zufällig auf Molière an. Denn in diesem heiteren Alterswerk des 76 Jahre alten Autors steckt auch ein Stück Gesellschaftskritik, zumindest aber eine gewisse Befremdung über den Wahn westlicher Wohlstandsbürger, die dubiosen religiösen Sexualpraktiken aus dem Fernen Osten verfallen.
c.s.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Die Einzelteile dieses Buches - "hinreißende erzählerische Miniaturen" - haben Rezensent Ernst Osterkamp sehr gefallen. Ingesamt findet er es trotzdem ein wenig matt. Dabei sieht Osterkamp die detaillierten, dichten Beschreibungen der verschiedensten entblößten Körperteile auf einem Nacktbadegelände samt dessen vor- und umsichtigen ethnologischen Erkundungen durch Protagonist Alex gelegentlich eine Komik von Loriotscher Erhabenheit entfalten. Leider werde aus diesen Episoden dann aber nur mühsam ein Roman. Erst im letzten Drittel scheint das Knirschen, dass während der Entfaltung der Geschichte den Lesegenuss immer wieder geschmälert hat, abzuklingen. Dann liest der Rezensent Sätze, um derentwillen er Augustins Prosa liebt. Er erliegt der "virtuosen Inszenierung der Effekte eines mündlichen Erzählens", die für ihn den unwiderstehlichen Zauber des Augustin-Sounds ausmachen. Letzte psychologische Plausibilität gewinnt diese Geschichte zu seinem Bedauern trotzdem nicht.
© Perlentaucher Medien GmbH
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