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Was den »Islamischen Staat« so gefährlich macht
Nach seinem brutalen Eroberungszug im Jahr 2014 herrscht der »Islamische Staat« heute über mehr als fünf Millionen Menschen und eine Fläche von der Größe Großbritanniens. SPIEGEL-Korrespondent Christoph Reuter zeichnet den präzise geplanten Aufstieg der Dschihadisten nach und stößt zu den Wurzeln des Terrors vor - im zerfallenden Irak, im syrischen Bürgerkrieg und in den vielfältigen Konflikten der Region, die die Strategen des Terrors geschickt für ihre Zwecke zu nutzen wissen.
IS, der »Islamische Staat«, ist weit mehr als die
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Produktbeschreibung
Was den »Islamischen Staat« so gefährlich macht

Nach seinem brutalen Eroberungszug im Jahr 2014 herrscht der »Islamische Staat« heute über mehr als fünf Millionen Menschen und eine Fläche von der Größe Großbritanniens. SPIEGEL-Korrespondent Christoph Reuter zeichnet den präzise geplanten Aufstieg der Dschihadisten nach und stößt zu den Wurzeln des Terrors vor - im zerfallenden Irak, im syrischen Bürgerkrieg und in den vielfältigen Konflikten der Region, die die Strategen des Terrors geschickt für ihre Zwecke zu nutzen wissen.

IS, der »Islamische Staat«, ist weit mehr als die gefährlichste Terrorgruppe der Welt. Er ist eine Macht, die ein zuvor ungekanntes Maß an Perfektion zeigt - in seinem Handeln, seiner strategischen Planung, seinem vollkommen skrupellosen Wechsel von Allianzen und seiner präzise eingesetzten Propaganda. Der Glaube wird von den Dschihadisten zwar demonstrativ zur Schau getragen, ist für die Strategen des IS jedoch nur eines unter vielen Mitteln,ihre Macht zu erweitern.

Christoph Reuter zeigt eindrucksvoll, wie der IS so große Gebiete in Syrien und im Irak erobern konnte und wer den Dschihadisten dabei in die Hände spielte. Sein Buch stützt sich auf bislang unbekannte Dokumente, vielfältige Kontakte und jahrelange Recherchen in der Region. Es bietet ungewohnte Einblicke in die Entstehung und Entwicklung des »Islamischen Staates« und macht vor allem eines deutlich: Wir sollten uns von der Propaganda des IS nicht täuschen lassen. Denn die Terrororganisation ist in vielem anders, als wir denken.
Autorenporträt
Reuter, ChristophChristoph Reuter, geboren 1968, gehört zu den letzten westlichen Journalisten, die noch direkt aus Syrien und dem Nordirak berichten. Der studierte Islamwissenschaftler und "Journalist des Jahres 2012" spricht fließend Arabisch und berichtet seit Jahrzehnten aus den Krisenregionen der islamischen Welt, zunächst für Die Zeit und den Stern, seit 2011 als Korrespondent für den SPIEGEL. Neben zahlreichen preisgekrönten Reportagen veröffentlichte er u. a. die Bücher "Mein Leben ist eine Waffe" (2002) über Selbstmordattentäter und, gemeinsam mit Susanne Fischer, "Café Bagdad" (2004) über den Alltag im umkämpften Irak.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.05.2015

Die kühl kalkulierenden Gotteskrieger
Herausragende Recherche: Christoph Reuters Buch über das Terrorregime des IS

Wer die Hoffnung gehegt hatte, der "Islamische Staat" IS würde unter den Luftangriffen der amerikanisch geführten Koalition zerfallen oder zumindest seine Schlagkraft verlieren, ist eines Besseren belehrt worden. Auf militärische Rückschläge folgte zuletzt wieder eine Offensive der Terrororganisation, der mit der Eroberung der antiken Ruinenstadt Palmyra ein spektakulärer Schlag gelungen ist.

Die Schreckensbilder aus der Levante, meist verbreitet von der IS-Propagandaabteilung, halten die Welt in Atem. Da ist es nicht überraschend, dass im vergangenen Jahr eine Vielzahl von Büchern erschienen ist, die den Aufstieg der Terrororganisation, ihre Ideologie und die Umwälzungen im Vorderen Orient erklären, die ein Erstarken der Extremisten um den selbsternannten Kalifen Abu Bakr al Bagdadi begünstigt, wenn nicht erst ermöglicht haben. Dabei ist dem Journalisten Christoph Reuter mit "Die Schwarze Macht" ein Buch gelungen, das, was Tiefenschärfe und Recherche betrifft, herausragt.

Reuter hat sich in den vergangenen Jahren fast ausschließlich dem Bürgerkrieg in Syrien gewidmet, er war seit dem Beginn des Aufstands gegen den syrischen Diktator Baschar al Assad immer wieder auf lebensgefährlichen Reisen in der syrischen und irakischen Krisenregion unterwegs. So stützt sich das Buch auf einen immensen Fundus an Material - auch aus dem Inneren des IS -, das Reuter und ein Team von Rechercheuren zusammengetragen haben. Und Reuter ist es gelungen, diesen Fundus anschaulich und scharfsinnig zu einem packenden Sachbuch zu verdichten.

Der interessanteste Teil des Buches widmet sich dem Aufstieg des IS im verwüsteten Nordsyrien. Dieser stützt sich auf Dokumente, die auf einen wichtigen Führer der Organisation, einen Mann mit dem Tarnnamen Haji Bakr, zurückgehen. Der hatte die Infiltration der Dörfer geplant; seine Agenten sollten islamische Missionierungsbüros einrichten, Anführer identifizieren, die Bewohner bespitzeln, in wichtige Familien einheiraten. Haji Bakr entwarf in sorgsam angelegten Organigrammen Geheimdienststrukturen, ein "Stasi-Kalifat", in denen jeder jeden überwacht - genau wie es im Gewaltherrschaftssystem Saddam Husseins der Fall war, in dem Haji Bakr ein wichtiger Funktionär war. Lange arbeitete der IS im Verborgenen, bis er stark genug war zuzuschlagen.

So dekonstruiert Reuter auch den Mythos, es handle sich beim IS um eine unaufhaltsame, barbarische Horde fanatischer Glaubenskrieger, die zu allem bereit sind. Im IS verbinden sich der Furor der Fußvolks und das kühle Kalkül und planvolle Vorgehen der Sicherheitstechnokraten zu einem gefährlichen Amalgam. Der Autor zeigt, wie die alten Kader der Sicherheitskräfte des Saddam-Hussein-Regimes den IS zu einer hochmobilen, straff organisierten Truppe formen, die zu bemerkenswerten logistischen Leistungen imstande ist. Er macht deutlich, wie die IS-Propaganda mit den in Actionkino-Ästhetik verpackten Schreckensbildern Angst schürt, die sie geschickt als strategische Waffe einsetzt, und wie groß die Anziehungskraft auf jene Extremisten und Allmachtsphantasten ist, die jetzt im Namen Gottes herrschen können.

Reuter bezeichnet den IS als "mutationsfähigen Organismus", beschreibt eine skrupellose, pragmatische Organisation, die trotz der zur Schau getragenen (vermeintlichen) Orthodoxie eine Art Ablasshandel einführt, wenn ihr das Geld ausgeht. Die Allianzen eingeht, solange sie ihr nützen. Das bekommt gerade auch das Assad-Regime zu spüren, das lange geglaubt hatte, die Dschihadisten für seine Zwecke nutzen zu können - sei es dadurch, die Rebellen untereinander zu spalten, oder um sich als Bollwerk gegen den radikalen Islamismus darstellen zu können. Schließlich gibt es, auch das stellt Reuter anschaulich dar, schon lange funktionierende Arbeitsbeziehungen zwischen den syrischen Diensten und radikalen Islamisten.

Wie überlebensfähig der IS ist, haben seine jüngsten Feldzüge im Irak und in Syrien gezeigt. Reuter kommt zu dem Befund, dass der gefährlichste Gegner des IS am Ende er selbst werden könnte. Schon jetzt hat er Schwierigkeiten damit, Volk, Finanzen und Verwaltung zusammenzuhalten. Irgendwann, schreibt Reuter, könnten die Beherrschten gegen die Tyrannei aufbegehren. Denn der Ruf zum Dschihad "ist grundsätzlich ein grandioses Mittel zum Machterwerb, aber ein schlechtes Mittel zum Machterhalt". Der IS habe trotz seines Heilsversprechens nichts anderes zu bieten als das, was die Diktaturen in seinem Herrschaftsbereich ohnehin verkörperten: Unterdrückung und Ausbeutung.

CHRISTOPH EHRHARDT

Christoph Reuter: "Die Schwarze Macht". Der "Islamische Staat" und die Strategen des Terrors.

Deutsche Verlags-Anstalt, München 2015. 352 S., geb., 19,99 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 06.10.2015

Strategie statt
göttlicher Mission
Eine Analyse zeigt, wie der „Islamische Staat“
entstand, wer ihn lenkt – und wer ihn stark machte
VON IGAL AVIDAN
Vor 15 Monaten rief Abu Bakr al-Bagdadi den „Islamischen Staat“ (IS) als „Kalifat“ aus. Inzwischen kontrolliert die IS-Terrormiliz jeweils ein Drittel Syriens und des Irak und herrscht über ein Gebiet von der Fläche Großbritanniens und etwa fünf Millionen Menschen. Das gelang noch keiner Terrorgruppe zuvor. In anderen islamischen Staaten haben radikale Islamisten einen Treueeid zu Bagdadi abgelegt. Wie war das alles möglich?
  Diese spannende Frage beantwortet der Spiegel-Korrespondent Christoph Reuter auf der Grundlage Hunderter Interviews mit Rebellen und Einheimischen, die in Kontakt zum IS standen, sowie brisanter Dokumente aus der Führungsriege des IS. Er stellt bei seinen Recherchen fest, dass hinter den fanatischen Dschihadisten, die im Namen des Islams vor allem Muslime ermorden, ausgerechnet säkulare Geheimdienstler, Armeeoffiziere und Parteifunktionäre des früheren irakischen Diktators Saddam Hussein stecken. Sie setzten auf den Islam, weil dieser ihnen eine Legitimität verschafft, die die nationalistische Baath-Partei niemals haben kann. „Der IS glaubt nicht und hofft schon gar nicht, sondern er verfolgt mit strategischer Planung und nüchterner Berechnung seine Ziele“, schreibt Reuter. Der Islamische Staat ernannte übrigens Bagdadi zum Anführer, weil er der einzige in der inneren Führung war, der als islamischer Prediger ausgebildet wurde.
  Das islamistische Joint Venture verdankt seinen Erfolg nicht den zahlreichen ausländischen Islamisten, diesen vor allem jungen Männern aus Saudi-Arabien und Tunesien, die einen brutalen Eroberungszug in Syrien und im Irak ausführen. Vielmehr schreibt Reuter den Erfolg des IS dessen nüchternen Strategen und deren genialen Plänen zu, die detailgetreu durchgesetzt wurden. Der IS gewinnt die Herzen dieser Extremisten mit der Behauptung, dass er eine islamische Utopie verwirkliche, das Kalifat wiedererrichte und ein authentisches islamisches Leben ermögliche. Wer sich dem IS anschließt, ist von der „göttlichen Mission“ überzeugt, mit dem Schwert in der Hand die Größe des zuletzt gedemütigten sunnitischen Islams wiederherzustellen: im Kampf gegen die Schiiten und gegen alle „Ungläubigen“.
  Die IS-Strategen nutzten das Chaos des Aufstandes gegen das Assad-Regime im Nordsyrien diskret für die Unterwanderung und Ausspionierung der Rebellengruppen, durch harmlose islamische Missionsbüros, aber auch mit viel Geld, das man vorher im Irak als Schutzgeld erpresst hatte. Ihre stillschweigende Kooperation mit dem syrischen Regime, das sie später bekämpften, gehört zum erfolgreichen und dennoch überraschenden Opportunismus des IS, der sich in seiner effektiven Propaganda gern als Retter der Sunniten vor den Schiiten darstellt. Assads Regime besteht bekanntlich aus Alawiten, einer kleinen schiitischen Splittergruppe. Eine ähnliche Allianz geht der IS mit der Türkei ein, die die Feinde der kurdischen Rebellen entlang der Grenze zu Syrien gern unterstützt. Nach der Eroberung der irakischen Millionenstadt Mossul und dem Erbeuten enormer Waffenbestände der irakischen Armee griff der IS Assads Armee an.
  Der Westen ist am Aufstieg des IS mitschuldig, so Reuter. So lernte sich die spätere IS-Führung erst im Gefangenenlager der US-Armee im Südirak kennen. Der damalige US-Verwalter Paul Bremer löste 2003 die gesamte irakische Armee und weite Teile des Staates auf. Sehr viele Offiziere, die nicht unbedingt treue Saddam-Anhänger waren, wurden entlassen. Um sich für ihre Entmachtung zu rächen, gingen sie daraufhin in den gewaltsamen Widerstand gegen die US-Truppen mithilfe der von der schiitischen irakischen Regierung diskriminierten sunnitischen Stämme. Die irakische Armee, von den USA ausgebildet und bewaffnet, ist nicht motiviert und konnte nur dank Irans Hilfe den Fall Bagdads an den IS verhindern.
  Reuter recherchiert nicht nur hervorragend, er analysiert klar und profund, und schreibt flott und lebendig. Im Kapitel „Nordkorea auf Arabisch“ schildert er durch Informationen mehrerer einheimischer Rechercheure (für unabhängige Journalisten ist die Einreise lebensgefährlich) detailreich den Alltag im Islamischen Staat. So werden lokale Anführer gelegentlich hingerichtet, um Angst und Schrecken zu verbreiten oder junge Frauen zur Heirat mit einem eingereisten Dschihadisten gedrängt, Zehnjährige an Schusswaffen trainiert – andere Kinder kreuzigen Vögel im Spiel und hängen ihnen ein Schild „Ungläubiger“ um den Hals. Rauchern werden die Finger gebrochen, und auf dem Viehmarkt bedeckt man die Euter der Kühe. Sogar Ersatzreifen sind verboten, denn man müsse ja auf Gott vertrauen!
  Reuters Prognose, dass der IS von innen kollabieren werde, fällt momentan zu optimistisch aus. Die Terrorallianz kämpfe zwar an mehreren Fronten gleichzeitig, leide durch die Tötung mehrerer Anführer, die schwer ersetzbar seien, und könne ihre heraufbeschworenen Utopien nicht erfüllen. Dennoch erwartet zurzeit niemand die Rückeroberung Mossuls, der „Hauptstadt“ des IS. Dieses wichtige Buch kann aber dabei helfen, diese Dschihadisten ernst zu nehmen, um sie in Allianz mit den sunnitischen Irakern besiegen zu können.
Igal Avidan ist israelischer Journalist und Buchautor. Er lebt in Berlin.
Kinder kreuzigen Vögel im Spiel –
und hängen ihnen ein Schild
„Ungläubiger“ um den Hals
  
  
  
Christoph Reuter,
Die schwarze Macht.
Der „Islamische Staat“
und die Strategen des
Terrors, DVA 2015, 352 Seiten, 19,99 Euro.
Als E-Book: 15,99 Euro.
Immer vorwärts: Die IS-Kämpfer sind bestens organisiert, das soll dieses Propaganda-Bild beweisen.
Foto: afp
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Was der Spiegel-Korrespondent Christoph Reuters hier auf Basis von Interviews und Dokumenten über den IS zu berichten hat, beantwortet dem Rezensenten Igal Avidan manche brennende Frage zur Erfolgsgeschichte der Terrormiliz. So erfährt Avidan, dass der IS mitnichten glaubt, sondern vor allem wie eine gut geölte Propagandamaschine und ein islamistisches Joint Venture im Namen einer islamischen Utopie funktioniert. Das Buch besticht laut Rezensent durch hervorragende Recherche, klare Analysen und eine lebendige Schreibe. Allein Reuters Meinung, dass der IS von innen kollabieren wird, scheint ihm derzeit allzu optimistisch.

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»Reuter ist es gelungen, einen immensen Fundus an Material anschaulich und scharfsinnig zu einem packenden Sachbuch zu verdichten.« Frankfurter Allgemeine Zeitung