Es war der einzige erfolgreiche Aufstand in der modernen Geschichte, in der versklavte Menschen aus eigener Kraft ihre Freiheit und Unabhängigkeit erkämpften. Die Revolution in der französischen Kolonie Saint Domingue von 1791 ist einmalig in der Geschichte und führte 1804 zur Unabhängigkeit Haitis. Das Buch »Die Schwarzen Jakobiner« gehört immer noch zu den einflussreichsten Darstellungen dieser Ereignisse. Mehr als 80 Jahre nach seiner Erstveröffentlichung 1938 ist »The Black Jacobins« weiterhin ein Standardwerk, das seither zahlreiche Neuauflagen und Übersetzungen erlebt hat. In seinem Buch klagt C. L. R. James die rassistische Struktur der Kolonialgesellschaft des damals französisch besetzten Haiti an. Er rekonstruiert die revolutionären Ereignisse und erzählt sie aus der Perspektive linker Geschichtsschreibung neu. Mit seinem Buch leistet er einen unschätzbaren Beitrag dazu, die Haitianische Revolution als Ereignis von welthistorischer Bedeutung zu begreifen.Lange vergriffen, erscheinen die »Schwarzen Jakobiner« nun in einer von J. S. Theodor durchgesehen und ergänzten Übersetzung.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensent Andreas Eckert begrüßt die Wiederauflage von C.L.R. James' Klassiker über die Revolution von Haiti, die das Land zu ersten unabhängigen schwarzen Nation machte, allerdings auch zu einem Paria-Staat. Das Werk des Journalisten und Schriftstellers aus Trinidad wurde lange als Manifest eines marxistischen Antiimperialisten abgetan, weiß Eckert, doch inzwischen sei sich die Forschung einig in ihrer Anerkennung dieses "historiografischen Meilensteins". Zwei Punkte stechen Eckert ins Auge: Zum einen mache James deutlich, wie fatal es war, dass Haiti auch nach der Unabhängigkeit 1804 von der Plantagenwirtschaft und dem Zuckerexport abhängig blieb, was eben doch zeige, dass der Rassismus dem Kapitalismus in der Frage der Klassenfrage nachgeordnet sei. Zum anderen betone James im Gegensatz zu Sudhir Hazareesingh in seiner Biografie, dass Toussaint Louverture den jakobinischen Idealen der französischen Revolution verbunden gewesen sei.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.05.2022Gewiefter Revolutionär
Ein Klassiker über die Revolution in Haiti und eine neue Biographie Toussaint Louvertures
Zwischen 1791 und 1804 mündete eine Sklavenrevolte in der französischen Karibikkolonie Saint-Domingue, dem späteren Haiti, in eine nationale Revolution, aus der Haiti als erster "schwarzer Nationalstaat" hervorgehen sollte. Politisch wurde die junge Republik von den meisten Staaten jedoch geächtet. Frankreich weigerte sich mehr als zwanzig Jahre lang, das Land anzuerkennen, und tat das erst, als die haitianische Regierung sich bereit erklärte, eine langfristig höchst belastende Entschädigung an die ehemaligen Plantagenbesitzer zu zahlen.
In den Augen vieler Sklavenbefürworter wurde Haiti zu einem Synonym für das, was es zu verhindern galt, und provozierte unter Sklavenbesitzern Horrorvisionen über mögliche Aufstände. Sie taten alles, damit Haiti Paria blieb. Sie verwiesen etwa auf die Gewalt der Haitianischen Revolution und die politischen und wirtschaftlichen Probleme des unabhängigen Haitis, um daraus den Schluss zu ziehen, dass schwarze Menschen in Sklaverei besser aufgehoben seien als in Freiheit.
Zugleich entwickelte sich Haiti schnell zum Symbol für schwarze Würde und Widerstand. Die Revolution entfaltete sowohl auf Zeitgenossen als auch auf spätere Generationen von afrikanischen und karibischen Intellektuellen und Nationalisten eine beträchtliche Anziehungskraft. C. L. R. James' (1901 bis 1989) nun wieder in deutscher Sprache zugänglicher, erstmals 1938 erschienener Klassiker zu den "schwarzen Jakobinern" wurde lange Zeit vor allem als politisches Manifest aus der Feder eines militanten Antiimperialisten und Marxisten gedeutet. Inzwischen gilt die Studie des in Trinidad geborenen und lange in den Vereinigten Staaten und England lebenden politischen Journalisten und Schriftstellers in der internationalen Forschung zu Recht als historiographischer Meilenstein.
Vor dem Hintergrund aktueller Debatten stechen besonders James' Überlegungen zum Kapitalismus ins Auge. Er charakterisierte die Plantagensklaverei auf Saint-Domingue, der im achtzehnten Jahrhundert wohl einträglichsten aller Kolonien, nicht als überholte Form ökonomischer Praxis, sondern in all ihrer Brutalität als intrinsischen Teil des Kapitalismus. Folgerichtig bezeichnete er die Plantagen als "Zuckerfabriken". Überdies verwies James mit Nachdruck auf die Bedeutung von Kapitalbildung durch den interkontinentalen Sklavenhandel und hob die enge Verknüpfung von Arbeitskraft, Produktion und Konsumtion im atlantischen Raum hervor. Und er war zwar überzeugt, dass "die Frage des Rassismus in der Politik der Klassenfrage untergeordnet" sei, "aber diesen Faktor als etwas rein Zufälliges abzutun, wäre fast ein so großer Fehler, wie in ihm das Hauptproblem zu sehen".
Ein weiterer zentraler Argumentationsstrang bestand für James in der "jakobinischen" Seite der Revolution von Saint-Domingue: Für ihn bestand kein Zweifel, dass die haitianischen Revolutionäre ihr politisches Handeln an den Idealen der Französischen Revolution ausrichteten. Wie Toussaint Louverture, die Schlüsselfigur der revolutionären Phase, ihre Ziele im Verfassungsentwurf von 1800 zusammenfasste: Alle Menschen in Saint-Domingue sollten frei und Franzosen sein.
Gegen diese Darstellung von Toussaint als "französischem" Jakobiner verwahrt sich der in Oxford lehrende Historiker Sudhir Hazareesingh in einer neuen, umfassenden Biographie, die antritt, die Welt mit Toussaints Augen zu sehen "und die Kühnheit seines Denkens und die Eigenart seiner Stimme wieder zum Leben zu erwecken". Er porträtiert den "schwarzen Spartakus" als einen gewieften revolutionären politischen Unternehmer, der es verstand, die schwarze versklavte Bevölkerung zu mobilisieren. Dabei kam ihm, so Hazareesingh, nicht allein sein ausgeprägtes Charisma zugute. Vielmehr sei es ihm gelungen, einen "kreolischen Republikanismus" zu formen, der aus französischen, afrikanischen und einheimischen Quellen schöpfte, auf einer tiefen Verachtung der Sklaverei beruhte und genuines Vertrauen sowie öffentliches Engagement unter den ehemals Versklavten inspirierte.
Der als Sklave geborene Toussaint hatte ein Jahrzehnt vor der Revolution die Freiheit erlangt, besaß kurzfristig sogar selbst einen Sklaven und arbeitete als Manager einer gemieteten Kaffeeplantage. Mit großem Geschick navigierte er in dieser Zeit zwischen den verschiedenen Welten der Kolonie, hielt Verbindungen mit Pflanzern, anderen bereits vor der Emanzipation frei gewordenen Männern afrikanischer Herkunft und den unterschiedlichen Fraktionen der Sklaven. Nach Beginn der Revolte kämpfte er dafür, die Emanzipation aufrechtzuerhalten, wollte aber zugleich sicherstellen, dass die ehemals Versklavten weiter auf den Plantagen arbeiten und die Insel den Export ihrer wertvollen Plantagenprodukte fortsetzen konnte. So blieb er in einem schwierigen, von Hazareesingh unterschätzten Paradox gefangen. Um die neue Freiheit zu schützen und zu verfestigen, begrenzte Louverture sie und versuchte, die Ökonomie der alten Ordnung am Leben zu erhalten. Daran entzündete sich die Kritik ehemaliger Sklaven, die Kontrolle über ihr Arbeitsleben anstrebten, und führte später in Teilen der Geschichtsschreibung dazu, ihm Autoritarismus vorzuwerfen.
Als Napoleon in Frankreich an die Macht kam, machte er sich sogleich daran, das Imperium zu restaurieren und die Sklaverei wieder einzuführen. Eine französische Armee von über zehntausend Mann besetzte 1802 die Insel, Toussaint wurde verhaftet und nach Frankreich deportiert, wo er ein Jahr darauf im Kerker starb. Doch andere schwarze Generäle, die nicht in eine Ära der Sklaverei und rassistischen Unterdrückung zurückkehren wollten, setzten seinen Kampf fort und besiegten schließlich die vom Gelbfieber arg dezimierten französischen Truppen. 1804 riefen die Sieger die Republik Haiti aus. Die Geschichte von Toussaint Louverture und der Haitianischen Revolution, wie sie von James und Hazareesingh jeweils auf eindringliche, dabei sehr unterschiedliche Weise dargelegt wird, hat uns bis heute viel über Kapitalismus, Rassismus und die Spielräume multiethnischer Gesellschaften zu sagen. ANDREAS ECKERT
C. L. R. James: "Die schwarzen Jakobiner". Toussaint Louverture und die Haitianische Revolution.
Aus dem Englischen von G.Löffler und J.Theodor. Karl Dietz Verlag, Berlin 2021. 363 S., br., 20,- Euro.
Sudhir Hazareesingh: "Black Spartacus". Das große Leben des Toussaint Louverture.
Aus dem Englischen von Andreas Nohl. C. H. Beck Verlag, München 2022. 551 S., geb., 34,95 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ein Klassiker über die Revolution in Haiti und eine neue Biographie Toussaint Louvertures
Zwischen 1791 und 1804 mündete eine Sklavenrevolte in der französischen Karibikkolonie Saint-Domingue, dem späteren Haiti, in eine nationale Revolution, aus der Haiti als erster "schwarzer Nationalstaat" hervorgehen sollte. Politisch wurde die junge Republik von den meisten Staaten jedoch geächtet. Frankreich weigerte sich mehr als zwanzig Jahre lang, das Land anzuerkennen, und tat das erst, als die haitianische Regierung sich bereit erklärte, eine langfristig höchst belastende Entschädigung an die ehemaligen Plantagenbesitzer zu zahlen.
In den Augen vieler Sklavenbefürworter wurde Haiti zu einem Synonym für das, was es zu verhindern galt, und provozierte unter Sklavenbesitzern Horrorvisionen über mögliche Aufstände. Sie taten alles, damit Haiti Paria blieb. Sie verwiesen etwa auf die Gewalt der Haitianischen Revolution und die politischen und wirtschaftlichen Probleme des unabhängigen Haitis, um daraus den Schluss zu ziehen, dass schwarze Menschen in Sklaverei besser aufgehoben seien als in Freiheit.
Zugleich entwickelte sich Haiti schnell zum Symbol für schwarze Würde und Widerstand. Die Revolution entfaltete sowohl auf Zeitgenossen als auch auf spätere Generationen von afrikanischen und karibischen Intellektuellen und Nationalisten eine beträchtliche Anziehungskraft. C. L. R. James' (1901 bis 1989) nun wieder in deutscher Sprache zugänglicher, erstmals 1938 erschienener Klassiker zu den "schwarzen Jakobinern" wurde lange Zeit vor allem als politisches Manifest aus der Feder eines militanten Antiimperialisten und Marxisten gedeutet. Inzwischen gilt die Studie des in Trinidad geborenen und lange in den Vereinigten Staaten und England lebenden politischen Journalisten und Schriftstellers in der internationalen Forschung zu Recht als historiographischer Meilenstein.
Vor dem Hintergrund aktueller Debatten stechen besonders James' Überlegungen zum Kapitalismus ins Auge. Er charakterisierte die Plantagensklaverei auf Saint-Domingue, der im achtzehnten Jahrhundert wohl einträglichsten aller Kolonien, nicht als überholte Form ökonomischer Praxis, sondern in all ihrer Brutalität als intrinsischen Teil des Kapitalismus. Folgerichtig bezeichnete er die Plantagen als "Zuckerfabriken". Überdies verwies James mit Nachdruck auf die Bedeutung von Kapitalbildung durch den interkontinentalen Sklavenhandel und hob die enge Verknüpfung von Arbeitskraft, Produktion und Konsumtion im atlantischen Raum hervor. Und er war zwar überzeugt, dass "die Frage des Rassismus in der Politik der Klassenfrage untergeordnet" sei, "aber diesen Faktor als etwas rein Zufälliges abzutun, wäre fast ein so großer Fehler, wie in ihm das Hauptproblem zu sehen".
Ein weiterer zentraler Argumentationsstrang bestand für James in der "jakobinischen" Seite der Revolution von Saint-Domingue: Für ihn bestand kein Zweifel, dass die haitianischen Revolutionäre ihr politisches Handeln an den Idealen der Französischen Revolution ausrichteten. Wie Toussaint Louverture, die Schlüsselfigur der revolutionären Phase, ihre Ziele im Verfassungsentwurf von 1800 zusammenfasste: Alle Menschen in Saint-Domingue sollten frei und Franzosen sein.
Gegen diese Darstellung von Toussaint als "französischem" Jakobiner verwahrt sich der in Oxford lehrende Historiker Sudhir Hazareesingh in einer neuen, umfassenden Biographie, die antritt, die Welt mit Toussaints Augen zu sehen "und die Kühnheit seines Denkens und die Eigenart seiner Stimme wieder zum Leben zu erwecken". Er porträtiert den "schwarzen Spartakus" als einen gewieften revolutionären politischen Unternehmer, der es verstand, die schwarze versklavte Bevölkerung zu mobilisieren. Dabei kam ihm, so Hazareesingh, nicht allein sein ausgeprägtes Charisma zugute. Vielmehr sei es ihm gelungen, einen "kreolischen Republikanismus" zu formen, der aus französischen, afrikanischen und einheimischen Quellen schöpfte, auf einer tiefen Verachtung der Sklaverei beruhte und genuines Vertrauen sowie öffentliches Engagement unter den ehemals Versklavten inspirierte.
Der als Sklave geborene Toussaint hatte ein Jahrzehnt vor der Revolution die Freiheit erlangt, besaß kurzfristig sogar selbst einen Sklaven und arbeitete als Manager einer gemieteten Kaffeeplantage. Mit großem Geschick navigierte er in dieser Zeit zwischen den verschiedenen Welten der Kolonie, hielt Verbindungen mit Pflanzern, anderen bereits vor der Emanzipation frei gewordenen Männern afrikanischer Herkunft und den unterschiedlichen Fraktionen der Sklaven. Nach Beginn der Revolte kämpfte er dafür, die Emanzipation aufrechtzuerhalten, wollte aber zugleich sicherstellen, dass die ehemals Versklavten weiter auf den Plantagen arbeiten und die Insel den Export ihrer wertvollen Plantagenprodukte fortsetzen konnte. So blieb er in einem schwierigen, von Hazareesingh unterschätzten Paradox gefangen. Um die neue Freiheit zu schützen und zu verfestigen, begrenzte Louverture sie und versuchte, die Ökonomie der alten Ordnung am Leben zu erhalten. Daran entzündete sich die Kritik ehemaliger Sklaven, die Kontrolle über ihr Arbeitsleben anstrebten, und führte später in Teilen der Geschichtsschreibung dazu, ihm Autoritarismus vorzuwerfen.
Als Napoleon in Frankreich an die Macht kam, machte er sich sogleich daran, das Imperium zu restaurieren und die Sklaverei wieder einzuführen. Eine französische Armee von über zehntausend Mann besetzte 1802 die Insel, Toussaint wurde verhaftet und nach Frankreich deportiert, wo er ein Jahr darauf im Kerker starb. Doch andere schwarze Generäle, die nicht in eine Ära der Sklaverei und rassistischen Unterdrückung zurückkehren wollten, setzten seinen Kampf fort und besiegten schließlich die vom Gelbfieber arg dezimierten französischen Truppen. 1804 riefen die Sieger die Republik Haiti aus. Die Geschichte von Toussaint Louverture und der Haitianischen Revolution, wie sie von James und Hazareesingh jeweils auf eindringliche, dabei sehr unterschiedliche Weise dargelegt wird, hat uns bis heute viel über Kapitalismus, Rassismus und die Spielräume multiethnischer Gesellschaften zu sagen. ANDREAS ECKERT
C. L. R. James: "Die schwarzen Jakobiner". Toussaint Louverture und die Haitianische Revolution.
Aus dem Englischen von G.Löffler und J.Theodor. Karl Dietz Verlag, Berlin 2021. 363 S., br., 20,- Euro.
Sudhir Hazareesingh: "Black Spartacus". Das große Leben des Toussaint Louverture.
Aus dem Englischen von Andreas Nohl. C. H. Beck Verlag, München 2022. 551 S., geb., 34,95 Euro.
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