War der deutsche Feind etwas besseres als der schwarze US-Bürger? Wie hat die Diskriminierung der Afroamerikaner in den USA das dortige Kriegsgefangenenwesen beeinflusst? Am Beispiel der deutschen Kriegsgefangenen in den Vereinigten Staaten - insgesamt 371 000 - wird diese Problematik erstmals untersucht. Anders als bisher dargestellt wurde die amerikanische Politik gegenüber den Gefangenen nicht nur von der Genfer Konvention bestimmt, sondern auch von der nach rassistischen Gesichtspunkten gegliederten Gesellschaftsordnung in den USA, in der Weiße stets nicht-weißen Minderheiten übergeordnet waren.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.03.2002Schwarz-graue Freunde
Deutsche Kriegsgefangene in den Vereinigten Staaten 1942 bis 1946
Matthias Reiß: "Die Schwarzen waren unsere Freunde". Deutsche Kriegsgefangene in der amerikanischen Gesellschaft 1942-1946. Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn 2002. 371 Seiten, 40,90 Euro.
Die Geschichte der deutschen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkriegs gehört zu den Themen, die noch in vielerlei Hinsicht der wissenschaftlichen Bearbeitung bedürfen. Diese Feststellung gilt vor allem für die sowjetische und die französische Seite; sie gilt aber auch, wie Matthias Reiß' Darstellung zu erkennen gibt, für den angelsächsischen Zusammenhang.
Wie es den mehr als 371000 deutschen Kriegsgefangenen in den Vereinigten Staaten von Amerika zwischen 1942 und 1946 ergangen ist, wird in der vorliegenden Studie ausführlich dargestellt. Neben Untersuchungen über die allgemeine Lage der deutschen "POW's" schenkt der Verfasser seine besondere Aufmerksamkeit der Frage nach dem Verhältnis zwischen "schwarzen" amerikanischen Soldaten und "weißen" deutschen Kriegsgefangenen. Er gelangt zu dem reichhaltig illustrierten Resultat, daß sich die Beziehungen zwischen Deutschen und Afroamerikanern in der Regel erstaunlich unkompliziert gestaltet haben.
Im übrigen interessiert den Autor aber vor allem das sogenannte "amerikanische Dilemma". Es ergab sich aus dem Gegensatz von freiheitlichen Ideen, für die Präsident Roosevelts Amerika in den Zweiten Weltkrieg gezogen war, und einer alltäglichen Praxis im eigenen Land, die der Verfasser als rassistisch charakterisiert: "Die schwarzen Amerikaner, denen die Gleichrangigkeit verweigert wurde, verfolgten mit Bitterkeit und offenem Protest, daß Kriegsgefangene oft bessere Arbeitsbedingungen und Unterkünfte hatten und in Staaten mit Rassentrennung die für ,Weiße' reservierten Einrichtungen benutzen durften." In diesem Tatbestand, zeitgenössischer Anlaß permanenter Beschwerde farbiger Amerikaner, lag für die Regierung und vor allem für die Streitkräfte der Vereinigten Staaten ein nicht zu unterschätzendes Problem, das für die Dauer des Krieges nur notdürftig kalmiert wurde.
In langfristiger Perspektive wirkten der Zweite Weltkrieg und der sich anschließende Kalte Krieg jedoch - weil die innere Geschlossenheit der Nation, die für die globale Auseinandersetzung unerläßlich war, leidliche Gerechtigkeit im eigenen System voraussetzte - als geschichtswirksame, bewegende, progressive Elemente. Sie trugen zur Überwindung der Rassenschranken bei. Hitler und Stalin wurden nach der provozierenden Einschätzung von Malcolm X, des radikalen Wortführers eines gewaltbereiten "black nationalism", auf diesem spezifischen Feld zu historischen Potenzen, die ganz gegen ihre Absicht und gegen ihren Willen "etwas Gutes für die Schwarzen in Amerika getan haben". Als bemerkenswertes Ergebnis läßt sich dieser dialektische Befund aus einer Studie gewinnen, die ansonsten durch einen zuweilen überbordenden, nicht zuletzt im Verfahren der Zeitzeugenbefragung entstandenen Materialreichtum gekennzeichnet ist.
KLAUS HILDEBRAND
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Deutsche Kriegsgefangene in den Vereinigten Staaten 1942 bis 1946
Matthias Reiß: "Die Schwarzen waren unsere Freunde". Deutsche Kriegsgefangene in der amerikanischen Gesellschaft 1942-1946. Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn 2002. 371 Seiten, 40,90 Euro.
Die Geschichte der deutschen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkriegs gehört zu den Themen, die noch in vielerlei Hinsicht der wissenschaftlichen Bearbeitung bedürfen. Diese Feststellung gilt vor allem für die sowjetische und die französische Seite; sie gilt aber auch, wie Matthias Reiß' Darstellung zu erkennen gibt, für den angelsächsischen Zusammenhang.
Wie es den mehr als 371000 deutschen Kriegsgefangenen in den Vereinigten Staaten von Amerika zwischen 1942 und 1946 ergangen ist, wird in der vorliegenden Studie ausführlich dargestellt. Neben Untersuchungen über die allgemeine Lage der deutschen "POW's" schenkt der Verfasser seine besondere Aufmerksamkeit der Frage nach dem Verhältnis zwischen "schwarzen" amerikanischen Soldaten und "weißen" deutschen Kriegsgefangenen. Er gelangt zu dem reichhaltig illustrierten Resultat, daß sich die Beziehungen zwischen Deutschen und Afroamerikanern in der Regel erstaunlich unkompliziert gestaltet haben.
Im übrigen interessiert den Autor aber vor allem das sogenannte "amerikanische Dilemma". Es ergab sich aus dem Gegensatz von freiheitlichen Ideen, für die Präsident Roosevelts Amerika in den Zweiten Weltkrieg gezogen war, und einer alltäglichen Praxis im eigenen Land, die der Verfasser als rassistisch charakterisiert: "Die schwarzen Amerikaner, denen die Gleichrangigkeit verweigert wurde, verfolgten mit Bitterkeit und offenem Protest, daß Kriegsgefangene oft bessere Arbeitsbedingungen und Unterkünfte hatten und in Staaten mit Rassentrennung die für ,Weiße' reservierten Einrichtungen benutzen durften." In diesem Tatbestand, zeitgenössischer Anlaß permanenter Beschwerde farbiger Amerikaner, lag für die Regierung und vor allem für die Streitkräfte der Vereinigten Staaten ein nicht zu unterschätzendes Problem, das für die Dauer des Krieges nur notdürftig kalmiert wurde.
In langfristiger Perspektive wirkten der Zweite Weltkrieg und der sich anschließende Kalte Krieg jedoch - weil die innere Geschlossenheit der Nation, die für die globale Auseinandersetzung unerläßlich war, leidliche Gerechtigkeit im eigenen System voraussetzte - als geschichtswirksame, bewegende, progressive Elemente. Sie trugen zur Überwindung der Rassenschranken bei. Hitler und Stalin wurden nach der provozierenden Einschätzung von Malcolm X, des radikalen Wortführers eines gewaltbereiten "black nationalism", auf diesem spezifischen Feld zu historischen Potenzen, die ganz gegen ihre Absicht und gegen ihren Willen "etwas Gutes für die Schwarzen in Amerika getan haben". Als bemerkenswertes Ergebnis läßt sich dieser dialektische Befund aus einer Studie gewinnen, die ansonsten durch einen zuweilen überbordenden, nicht zuletzt im Verfahren der Zeitzeugenbefragung entstandenen Materialreichtum gekennzeichnet ist.
KLAUS HILDEBRAND
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Den Materialreichtum dieser Studie, der "nicht zuletzt im Verfahren der Zeitzeugenbefragung" entstanden sei, findet Rezensent Klaus Hildebrand gelegentlich "überbordend". Ihr Ergebnis jedoch "bemerkenswert" und den Befund "dialektisch". Gegenstand der Studie, liest man, seien deutsche Kriegsgefangene in den USA zwischen 1942 und 1946. Besondere Aufmerksamkeit habe Autor Martin Reiß der "Frage nach dem Verhältnis zwischen "schwarzen" amerikanischen Soldaten und "weißen" deutschen Kriegsgefangenen" geschenkt. Hier sei er zu dem "reichhaltig illustrierten Ergebnis" gekommen, dass die Beziehungen zwischen Deutschen und Afroamerikanern sich "erstaunlich unkompliziert" gestaltet habe. Zweiter Schwerpunkt sei das "amerikanische Dilemma" des Eintretens für freiheitliche Werte einerseits und die von Reiß als "rassistisch" charakterisierte Praxis im eigenen Land. Auch werde der Beitrag von Zweitem Weltkrieg und Kaltem Krieg als geschichtswirksames, progressives Element zur Überwindung der Rassenschranken thematisiert.
© Perlentaucher Medien GmbH
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