Marktplatzangebote
10 Angebote ab € 1,00 €
  • Broschiertes Buch

Die Schwestern Agüero könnten unterschiedlicher nicht sein. Während Reina in Havanna als Elektromechanikerin auf Montage Licht in die dunkelsten Ecken von Kuba bringt, lebt Constancia mit Ehemann Heberto in New York und verkauft sündhaft teure Kosmetik in einem Kaufhaus in Manhattan. Ihr Wiedersehen nach 30 Jahren ist komisch und tragisch zugleich und wird überschattet von einer Familientragödie, die lange zurückliegt.

Produktbeschreibung
Die Schwestern Agüero könnten unterschiedlicher nicht sein. Während Reina in Havanna als Elektromechanikerin auf Montage Licht in die dunkelsten Ecken von Kuba bringt, lebt Constancia mit Ehemann Heberto in New York und verkauft sündhaft teure Kosmetik in einem Kaufhaus in Manhattan. Ihr Wiedersehen nach 30 Jahren ist komisch und tragisch zugleich und wird überschattet von einer Familientragödie, die lange zurückliegt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.04.1998

Eine große Schildkröte etwa
Moderne light: Cristina Garcias kubanische Familiensaga

Cristina Garcia, 1958 geboren, ist eine Nordamerikanerin aus Kuba. Sie wuchs in New York City auf und lebt heute in Los Angeles. Der Umschlag zeigt ein schönes, waches, lustig-intelligentes Gesicht. Dies ist ihr zweites Buch; das erste hieß (auf deutsch) "Träumen auf kubanisch"; in ihm ging es auch schon um das, um was es in dem neuen Roman geht: hin und her zwischen Kuba und den Staaten (damals Brooklyn, jetzt Manhattan und Florida), dann die Dominanz der Frauen; nicht nur wird die Welt von ihnen her gesehen, sie sind auch dominante Naturen - Frauen voller Leben, mit denen man nicht nur Pferde stehlen könnte, sondern die dies von sich aus tun, ohne irgend jemanden, am wenigsten Männer, dazu zu brauchen. Andererseits sind sie aber auch gegenüber Männern aufgeschlossen, wenngleich sie dabei meist an den Falschen geraten.

Dieser neue Roman von Cristina Garcia erschien englisch im vergangenen Jahr. Die im Ganzen ordentliche, keineswegs aber immer glückliche Übersetzung (manchmal ist sie holprig, gelegentlich kryptisch) "aus dem Amerikanischen" stammt von Anne Steeb. Die Angabe ließe sich halbwegs rechtfertigen, wenn das Englische des Originals besonders "amerikanisch" wäre, was hier gewiß nicht der Fall ist. In diesem Roman finden wir, natürlich, nicht wenige Kolorit gebende spanische Einsprengsel, die zu Recht unübersetzt blieben. Sie sind auch meist richtig geschrieben. Es gibt aber einige falsch gesetzte Akzente (Lektoren - wo seid ihr?).

Im Mittelpunkt stehen die Schwestern Reina und Constancia Agüero. Später stellt sich heraus, daß sie wohl nur Halbschwestern sind. Sie haben offensichtlich nur dieselbe Mutter, Blanca Agüero nämlich, die von Constancias Vater, Ignacio Agüero, einem Biologen, der sich vor allem für Vögel interessiert, auf schwer deutbare Weise erschossen worden ist. Das war im September 1948 im Sumpf Zapata auf Kuba. Ein Kolibri, groß wie eine Hummel, "ein funkelndes Juwel", schwebte da plötzlich über Blancas Kopf; dies veranlaßte Ignacio, auf den Abzug seiner Schrotflinte zu drücken. "Ich nahm", schreibt er selbst, "anstelle des Kolibris Blanca ins Visier, als legte die Natur mir einen Zwang auf."

Dies erfahren wir aber erst ganz am Schluß; der Roman beginnt eindrucksvoll mit dieser Rätsel-Episode; die Sache kam damals nicht heraus. Vielmehr begann Ignacio, "seine Lügen zu erzählen". Dann geht es weiter (oder beginnt eigentlich erst) über vierzig Jahre später, Dezember 1990. Reina lebt in El Cobre auf Kuba; sie ist Elektrikerin und fühlt sich wohl, wenn sie mit ihren kräftigen Schenkeln Strommasten umklammert. Sie hat seit vierundzwanzig Jahren einen wackeren, aber schattenhaft bleibenden Geliebten namens Pepin Beltrán, der freilich ihr Hauptproblem, die Schlaflosigkeit, nicht zu lösen vermag. Dies gelingt nicht einmal der Heiligen Jungfrau, die Reina in der Basilika der Stadt darum bittet. Reina ist zwar nicht weiter fromm, aber die Virgen de la Caridad del Cobre gehört nun mal dazu.

Constancia Agüero lebt in New York. Ihr Mann Herberto Cruz hat in der Sixth Avenue einen eleganten Tabakladen. Sie selbst ist Kosmetikerin und stellt unter dem Firmennamen "Körper von Kuba" eigene, gut gehende Naturprodukte her. Schlafprobleme hat sie nicht. Herberto zieht es später nach Florida, damit er den Kubanern (denen in den Vereinigten Staaten und denen auf Kuba) näher ist, und Constancia geht mit. Schließlich nimmt er an einem Invasionskommando teil und kommt dabei um. Reina hat eine Tochter Dulce, die mit einem Kuba-Besucher aus Spanien nach Madrid zieht. Auch Constancia hat, neben ihrem Sohn Gonzalo, eine Tochter Isabel und freut sich unbändig, mit ihrer Hilfe Großmutter geworden zu sein.

Reina gelingt es schließlich auszuwandern (der große Comandante höchstselbst erlaubt es ihr); sie lebt nun bei ihrer Schwester in Florida. Die Schwestern lieben sich, sind sich aber doch auch sehr im Weg. Es kommt sogar zu einem Tötungsversuch. Constancia geht schließlich nach Kuba, um dort nach Resten ihres Vaters, schriftlichen Aufzeichnungen, zu forschen. Sie findet sie auch, und Auszüge daraus werden immer wieder in die Erzählung eingefügt.

Es geschieht also einiges in dieser - übrigens ganz unpolitischen - Familiengeschichte, und langweilig ist der Roman keineswegs. Es fehlt ihm auch nicht an Sinnlichkeit. Da sind Großstadt und Natur, Meer und Landschaft, da sind seltene Vögel und Fische und eine riesige Lederschildkröte, die Ignacio fasziniert - man kann es verstehen -, als er sie beim Eierlegen beobachtet. Und da ist das merkwürdige kubanische Amerika: heidnisch, mit fremden Kulten, immer wieder muß durch bizarre Handlungen - Blut eines Perlhuhns zum Beispiel wird sorgsam verspritzt - eine weibliche Gottheit namens Oshún günstig gestimmt werden.

Dies alles wird sachlich und lässig, als wäre es das Normalste, erzählt. Es ist nicht uninteressant, obwohl da immer jemand unwiderlegbar sagen kann: "Das interessiert mich nicht." Die Frage ist in der Tat, ob es so geschrieben ist, daß es einen halbwegs Empfänglichen interessieren muß. Und da kann die Antwort nicht ganz affirmativ sein; freilich auch keineswegs klar negativ, denn irgendwie "gekonnt" ist dies alles schon.

Formal zum Beispiel ist der Roman so, wie man dies heute unbedingt machen muß: verschiedene Ebenen und Perspektiven, die Welt Reinas, die Welt Constancias, die dann zusammengeführt werden, die Sprünge im Raum und in der Zeit, die Einschübe aus den Aufzeichnungen des Vaters, der ein immerhin sympathischer und gut erzählender Lügner war, schließlich - in der Ich-Form - die mauligen Berichte aus Madrid von Reinas Tochter Dulce. Es ist Modernität sozusagen light. Formal und stofflich eine gute und intelligente Mischung von mehrerem, was man jetzt erwartet, kaum etwas oder eigentlich gar nichts fehlt. Aber das, gerade das reicht nicht. HANS-MARTIN GAUGER

Cristina García: "Die Schwestern Agüero". Roman. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Anne Steeb. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1997. 328 S., geb., 39,80 DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr
"Was Cristina Garcias Erzählen besonders mitreißend macht ist das subtile Zusammenwirken von Intellekt und Gefühl." (Newsday)