Seit vielen Jahren reist Achill Moser durch das Reich der Mitte. 40 000 Kilometer hat er bereits zurückgelegt: per Bahn, Bus, Lkw oder Fahrrad, auf dem Kamel, Eselskarren oder zu Fuß, mit Flussschiffen, Holzfloß oder Faltboot. Dabei offenbarte sich ihm das, was den meisten Reisenden verborgen bleibt: »Die Seele Chinas«. In seinem neuen Bildband präsentiert Moser beeindruckende Fotos und spannende Reportagen von Chinas magischen Welten.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 29.07.2003Chinas arme Seele
Kaum ist das Virus aus den Nachrichten und anscheinend nicht mehr virulent, schwinden auch die Bilder von Atemschutzmasken, weißen ebenso wie bunt bemalten, aus unseren Köpfen. Und Achill Moser hatte sie nicht festgehalten. Denn als er seine „Entdeckungsreise ins Reich der Mitte” unternahm, war SARS noch unbekannt. Wann genau der fotografierende Nomade China durchwanderte, verschweigt er seinen Lesern allerdings; nicht das einzige Rätsel, das er mit seinem neuen Farbbildband „Die Seele Chinas” aufgibt, ist es doch kein leichtes Unterfangen, die Seele eines Landes finden zu wollen. Noch schwieriger ist es, sie darzustellen.
Achill Moser hat sie gesucht in der Verbotenen Stadt, am Jangtsekiang, im Wüstenmeer Hanhai. „Vor allem aber erfuhr ich die Seele Chinas in den vielfältigen Begegnungen mit den Menschen, deren gedankliches Universum zumeist von den Urkräften Yin und Yang geprägt ist. Eine jahrtausendealte Gesundheitslehre, die in fast allen Lebensbereichen zur Anwendung kommt”, heißt es im Vorwort. Von den Menschen weiß Moser dann aber nicht viel zu berichten. Eine Enttäuschung.
Moser beginnt seine Reise in Peking, schließlich biete die Stadt „Kultur satt”. Er schlendert durch den Himmelstempel-Park und durch die Anlagen des Sommerpalastes. Dabei liest sich sein Begleittext wie ein beliebiger Reiseführer: Fakten, Fakten, Fakten. Eine Schwäche des Buches, die vor allem offensichtlich wird, wenn Moser die Verbotene Stadt beschreibt und sich auf Baudaten und Längenangaben beschränkt. Auch über die Pekingoper – immerhin ein eigenes Kapitel – hat er weiter nichts zu erzählen, als dass diese sich durch „Gesang, Tanz, Rezitation, Pantomime und Bodenakrobatik” auszeichne.
Wenn einem der Band fast schon fad geworden ist, wechselt Moser in die Ich-Perspektive und berichtet von einem Fußmarsch durch das trockene Wüstenareal Hanhai. Dort endlich trifft er auf interessante Menschen: „Nach Sonnenuntergang bot mir ein grünäugiger Kasache mit einem Gesicht wie Dschingis Khan ... ein Lager für die Nacht an.” Und doch schlägt Moser für sein Buch wenig Profit aus solchen Begegnungen, es bleiben Anekdoten.
Zerrissen zwischen Bildungsbeflissenheit und Erlebnisbericht präsentiert sich Mosers Entdeckungsreise. Die Seele Chinas bleibt dem Leser verborgen. Auch das moderne China – seine Öffnung und das Wirtschaftswachstum – erschließt sich durch die Lektüre nicht. Wären da nicht die Fotos: ein gehäutetes Tier auf einem Rad, ein Einkaufsnetz mit Bananen und einem Huhn, Männer beim Billard. Sie erzählen einige der im Textteil schmerzlich vermissten Geschichten.
FLORIAN WELLE
ACHILL MOSER: Die Seele Chinas. Entdeckungsreise ins Reich der Mitte. Bruckmann Verlag, München 2003. 144 Seiten, 27,90 Euro.
Es braucht nicht viel, um in der chinesischen Oasenstadt Turfan einen Friseursalon zu eröffnen.
Foto: Produktionsteam Achill Moser
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Kaum ist das Virus aus den Nachrichten und anscheinend nicht mehr virulent, schwinden auch die Bilder von Atemschutzmasken, weißen ebenso wie bunt bemalten, aus unseren Köpfen. Und Achill Moser hatte sie nicht festgehalten. Denn als er seine „Entdeckungsreise ins Reich der Mitte” unternahm, war SARS noch unbekannt. Wann genau der fotografierende Nomade China durchwanderte, verschweigt er seinen Lesern allerdings; nicht das einzige Rätsel, das er mit seinem neuen Farbbildband „Die Seele Chinas” aufgibt, ist es doch kein leichtes Unterfangen, die Seele eines Landes finden zu wollen. Noch schwieriger ist es, sie darzustellen.
Achill Moser hat sie gesucht in der Verbotenen Stadt, am Jangtsekiang, im Wüstenmeer Hanhai. „Vor allem aber erfuhr ich die Seele Chinas in den vielfältigen Begegnungen mit den Menschen, deren gedankliches Universum zumeist von den Urkräften Yin und Yang geprägt ist. Eine jahrtausendealte Gesundheitslehre, die in fast allen Lebensbereichen zur Anwendung kommt”, heißt es im Vorwort. Von den Menschen weiß Moser dann aber nicht viel zu berichten. Eine Enttäuschung.
Moser beginnt seine Reise in Peking, schließlich biete die Stadt „Kultur satt”. Er schlendert durch den Himmelstempel-Park und durch die Anlagen des Sommerpalastes. Dabei liest sich sein Begleittext wie ein beliebiger Reiseführer: Fakten, Fakten, Fakten. Eine Schwäche des Buches, die vor allem offensichtlich wird, wenn Moser die Verbotene Stadt beschreibt und sich auf Baudaten und Längenangaben beschränkt. Auch über die Pekingoper – immerhin ein eigenes Kapitel – hat er weiter nichts zu erzählen, als dass diese sich durch „Gesang, Tanz, Rezitation, Pantomime und Bodenakrobatik” auszeichne.
Wenn einem der Band fast schon fad geworden ist, wechselt Moser in die Ich-Perspektive und berichtet von einem Fußmarsch durch das trockene Wüstenareal Hanhai. Dort endlich trifft er auf interessante Menschen: „Nach Sonnenuntergang bot mir ein grünäugiger Kasache mit einem Gesicht wie Dschingis Khan ... ein Lager für die Nacht an.” Und doch schlägt Moser für sein Buch wenig Profit aus solchen Begegnungen, es bleiben Anekdoten.
Zerrissen zwischen Bildungsbeflissenheit und Erlebnisbericht präsentiert sich Mosers Entdeckungsreise. Die Seele Chinas bleibt dem Leser verborgen. Auch das moderne China – seine Öffnung und das Wirtschaftswachstum – erschließt sich durch die Lektüre nicht. Wären da nicht die Fotos: ein gehäutetes Tier auf einem Rad, ein Einkaufsnetz mit Bananen und einem Huhn, Männer beim Billard. Sie erzählen einige der im Textteil schmerzlich vermissten Geschichten.
FLORIAN WELLE
ACHILL MOSER: Die Seele Chinas. Entdeckungsreise ins Reich der Mitte. Bruckmann Verlag, München 2003. 144 Seiten, 27,90 Euro.
Es braucht nicht viel, um in der chinesischen Oasenstadt Turfan einen Friseursalon zu eröffnen.
Foto: Produktionsteam Achill Moser
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