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Warum vertrauen wir dem Staat mehr als uns selbst? Statt uns den Herausforderungen zu stellen, retten wir uns verdrossen und unzufrieden in Wunschdenken und Alltagslügen vom sauberen, fleißigen Deutschland. Günter Ederer fordert Eigenverantwortung statt Obrigkeitsgläubigkeit, denn ob Rentencrash, Schuldenfalle oder Bevölkerungsrückgang - die Probleme lassen sich lösen.

Produktbeschreibung
Warum vertrauen wir dem Staat mehr als uns selbst? Statt uns den Herausforderungen zu stellen, retten wir uns verdrossen und unzufrieden in Wunschdenken und Alltagslügen vom sauberen, fleißigen Deutschland. Günter Ederer fordert Eigenverantwortung statt Obrigkeitsgläubigkeit, denn ob Rentencrash, Schuldenfalle oder Bevölkerungsrückgang - die Probleme lassen sich lösen.
Autorenporträt
Günter Ederer, Jg. 1941, war ab 1966 Fernsehredakteur beim Südwestfunk, ab 1969 beim ZDF, dort bis 1983 Redakteur des Wirtschaftsmagazins 'Bilanz', anschließend Fernostkorrespondent in Tokio. Seit 1990 ist er selbständiger Wirtschaftspublizist und Filmproduzent. Günter Ederer hat in über fünfzig Ländern Filme zu wirtschaftlichen und politischen Themen gedreht und diverse Filmpreise erhalten darunter zweimal den TV-Preis des DIHT.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.03.2001

Ein Massengrab für heilige Kühe
Günter Ederer über Deutschlands soziale und ökonomische Befindlichkeit

Günter Ederer: Die Sehnsucht nach einer verlogenen Welt. Unsere Angst vor Freiheit, Markt und Eigenverantwortung. C. Bertelsmann Verlag, München 2000, 478 Seiten, 49,90 DM.

Es ist ein Glücksfall, wenn ein Fernsehjournalist nicht nur brillante ökonomische Reportagen im Geiste marktwirtschaftlicher Ordnungspolitik liefert, im öffentlichen Fernsehen und mit erstaunlichen Einschaltquoten (zum Beispiel "Trottel der Nation", "Das Märchen vom König Kunden"), sondern auch ein faszinierender Bücherschreiber ist, kantig und erzliberal. Da Ederer zudem ein Kenner besonders der Vereinigten Staaten und Japans ist, darf man von seinen Reportagen und Büchern durch den internationalen Vergleich überraschende Einsichten erwarten. Und in der Tat: Auch sein neues Buch "Die Sehnsucht nach einer verlogenen Welt" enttäuscht nicht.

Das Werk bietet die schonungsloseste Analyse der ökonomisch-sozialen Lage Deutschlands, die dem Rezensenten bekannt ist. Was Sachverständigenrat und spezialisierte Professorenweisheit zu den sozialen und ökonomischen Grundproblemen in zurückhaltenden, allenfalls besorgten Fragen zu sagen wissen - hier wird es auf den Punkt gebracht. Was dem Buch zugute kommt, ist Ederers durch Reportagen und seine Weltläufigkeit gewonnene Anschauung von der Realität und besonders sein unbeirrbarer Wille, sich nichts vormachen zu lassen. So ist auch dieses Buch mit souveräner Übersicht konzipiert und in einer Sprache formuliert, die schmerzhaft den Nerv trifft. Es dürfte Leser geben, die dieses Buch nicht aushalten, vor allem unsere Wald-und-Wiesen-Sozialpolitiker aller Parteien, Umverteilungsakrobaten und Verbandsfunktionäre, die gewohnt sind, in ihrem selbsterzeugten Phrasendunst zu leben.

Worauf will der Autor hinaus? Er will zeigen, daß der Nach-Erhardsche Umverteilungsstaat in jeder Hinsicht am Ende ist - finanziell zunächst, aber auch dann geistig-seelisch, ja selbst biologisch, wenn man an die demographische Entwicklung denkt. Verlängert man die gegenwärtigen Trends in die Zukunft, so wird nach Ederer in den Jahren 2010 bis 2015 durch das Zusammentreffen von Staatsverschuldung und Zusammenbruch des Generationenvertrages der "Crash für Deutschland" eintreten. Der Leser sieht Deutschland nach der Lektüre anders als vorher - und fragt sich besorgt, was all dies für ihn persönlich bedeuten mag.

Dabei ist Ederer kein Apokalyptiker jener Gattung, die seit Oswald Spengler in Deutschland ihr Unwesen treibt. Er benennt nur schonungslos, was ist. Und er sagt es in Zahlen. Da ist zunächst die Staatsverschuldung, die bei realistischer Rechnung - also inklusive der Schulden für Pensionen und Sozialversicherung, für die keine Rücklagen gebildet sind - bei gegenwärtig etwa 300 Prozent des Bruttosozialprodukts liegt. Die dramatische Zunahme der Rentner, die entsprechende Abnahme der steuer- und beitragszahlenden Bevölkerung - man kann sich denken, worauf dies hinausläuft, zumal bei einer demographischen Abwärtskurve, die Deutschland in wenigen Jahrzehnten auf die Hälfte der gegenwärtigen Wohnbevölkerung und bis zum Ende des Jahrhunderts auf die Bevölkerung reduzieren wird, die um 1800 in unseren Gegenden lebte ("Land ohne Volk", "Volk ohne Kinder").

Wie konnte es in einem Land, das seinen ökonomischen Wiederaufstieg Ludwig Erhard verdankte, so weit kommen? Nach Ederer ist es der von Politikern kaltblütig ausgenutzte Wunsch aller, auf Kosten aller zu leben. Das Ergebnis ist ein Umverteilungschaos, von dem nicht die sozial Schwachen, sondern die Bestorganisierten und Findigsten profitieren. Der deutsche Facharbeiter steht dagegen mit seinem Drittel Netto als "Trottel der Nation" da. Man hat ihm sein Einkommen genommen, um ihn von Transfers abhängig zu machen. Und dies gilt inzwischen grundsätzlich für die gesamte Bevölkerung.

Dies alles wird in einer Reihe von Beispielen - immer mit Zahlen unterlegt - aufgezeigt: organisierte Unverantwortlichkeit, kaltblütiger Parasitismus. Dieses Buch ist wahrhaft ein "Massengrab für heilige Kühe", für trügerische Ideologien und parasitäre Lebenseinstellungen. Aus der Fülle des Buches seien einige Beispiele genannt: Die Vernichtung des Sozial- oder Humankapitals vollzieht sich im besonderen über unsere Familienpolitik, welche durch ihre Sozialisierungsmechanismen die Familiensolidarität zerstört und einen hemmungslosen Sozialegoismus großzieht: "Die Ökonomisierung des Kindes ist eine der übelsten Zeiterscheinungen unserer Gesellschaft. Ja, Kinder kosten Geld, aber Kinder bereiten auch Freude." Durch Aufhebung des Schuldprinzips im Scheidungsrecht (keine Unterscheidung zwischen Täter und Opfer) wird der Ehebruch rentabel. Wer seine Familie mutwillig verläßt, wird dafür häufig auch noch belohnt.

Der Generationenvertrag wird nicht erst gekündigt: Er ist bereits durch die Generation gekündigt, die gegenwärtig die Gesetze macht. "Mit dem Knick in der Geburtenrate hat die jetzige Generation den Generationenvertrag gekündigt - doch dabei nicht bedacht, daß sie ihre eigene Altersversorgung gleich mitgekündigt hat." Konsequenz: "Wir müssen den kinderlosen Lebensgenießern klarmachen, daß sie im Grunde keinen Rentenanspruch haben, weil ihre Einzahlung nur die Alterssicherung ihrer Eltern war." Das Schmarotzertum in der gesamten Sozialversicherung, besonders in der Krankenversicherung, wird eindrucksvoll geschildert.

Ein weiteres Kapitel ist der verbreiteten Angst vor Wettbewerb in Deutschland gewidmet (zum Beispiel "Kammerjagd auf Unternehmertypen"). Das Gesetz gegen den sogenannten unlauteren Wettbewerb ist oft genug nur ein Gesetz gegen Wettbewerb überhaupt und zugunsten bestimmter Interessenten. Mit den "Berufsordnungen", von der Handwerksordnung an, wird zum Beispiel der Wettbewerb zugunsten der Etablierten eingeschränkt. Dann die Absurditäten der Staatswirtschaft und der Subventionen in Deutschland (Bahn, öffentlicher Personennahverkehr, Transrapid, Agrarwirtschaft und so weiter). Was hier an Mitteln aus dem Fenster geworfen wird, ist schon erstaunlich - auch die Geduld, mit der die Bevölkerung diese Mißstände immer noch toleriert.

Nebenbei entlarvt Ederer einen weiteren Mythos, sozusagen die Lebenslüge der Öko-Linken: "Nicht CO2 gefährdet unsere Erde, sondern die Angst vor CO2." Dafür liefert er eindrucksvolle Belege und schließt: "Mit der CO2-Angst ist endlich die Rechtfertigung gefunden, die Luft zum Atmen zu besteuern." Die deutsche Linke ist in der Sicht Ederers in hergebrachten Illusionen befangen und bringt es nun sogar fertig, gegen die Globalisierung zu kämpfen: "Ausgerechnet die internationale Linke widersetzt sich der Globalisierung, um die Privilegien der Arbeiter in den reichen Ländern gegen die Arbeiter in den armen Ländern zu verteidigen."

Nun ist Ederer, wie gesagt, kein Apokalyptiker. Er benennt die Mittel, die, schnell und umfassend angewandt, Deutschland noch die Kurve kriegen lassen: strenge Transparenz in der öffentlichen Finanzwirtschaft, besonders in der Politikfinanzierung, strikte Durchführung des Wettbewerbsprinzips, Aufhebung des Umverteilungsunsinns (Subventionen), Wiederherstellung der Eigenverantwortung durch Freiheit und als politischer Hebel dazu, Selbsthilfe der Bürger gegen die "Politikerkaste" (Direktdemokratie). An vielen Beispielen aus dem In- und Ausland zeigt Ederer positive Ansätze, die Hoffnung machen - zum Beispiel vorbildliche Kommunen in Deutschland, geglückte Privatisierungen der Bahn im Ausland. Auch hier fasziniert der Autor durch seine souveränen An-, Ein- und Durchsichten. Es ist keine vertane Zeit, dieses Buch gründlich zu studieren.

GERD HABERMANN

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