Im vorliegenden Buch behauptet Franz M. Wuketits, daß die Zerstörung der Natur druch den Menschen nur Teil einer evolutionären Logik ist, die im Wesen der Natur selbst liegt und mit dem Homo sapiens bestenfalls eine neue Dimension erreicht hat. Die zerstörerischen Potentiale der Natur waren von Anfang an gewaltig, und alles, was je in der Evolution entstanden ist, konnte nur entstehen, weil anderes zerstört wurde. Damit behandelt der Autor einen stark vernachlässigten Aspekt der Naturgeschichte und enttäuscht damit alle Naturromantiker, weil er zeigt, daß das lange gehegte Bild von der 'schönen', 'guten' Natur unhaltbar ist.
Was tatsächlich nun unter Natur zu verstehen ist, entfalten die einzelnen Kapitel dieses Buches. Dabei haben die ersten beiden Kapitel historischen Charakter, Darwins Evolutionstheorie wird dem romantisch verklärten Naturbegriff gegenübergestellt. Kapitel 3 bis 5 handeln über den Egoismus der Natur, Selbstorganisation und Selbstdestruktion sowie Evolution als Katastrophengeschichte. Kapitel 6 thematisiert die derzeit von Menschen verursachte Katastrophe des Artensterbens und die Schwierigkeiten eines umfassenden Artenschutzes. In Kapitel 7 geht es schließlich um die Frage, was Natur uns wert sein sollte. Gerade hier enthält da Buch vieles an ethischem und politischen Zündstoff und lenkt das Nachdenken über die Natur in zeitgemäße neue Bahnen.
Was tatsächlich nun unter Natur zu verstehen ist, entfalten die einzelnen Kapitel dieses Buches. Dabei haben die ersten beiden Kapitel historischen Charakter, Darwins Evolutionstheorie wird dem romantisch verklärten Naturbegriff gegenübergestellt. Kapitel 3 bis 5 handeln über den Egoismus der Natur, Selbstorganisation und Selbstdestruktion sowie Evolution als Katastrophengeschichte. Kapitel 6 thematisiert die derzeit von Menschen verursachte Katastrophe des Artensterbens und die Schwierigkeiten eines umfassenden Artenschutzes. In Kapitel 7 geht es schließlich um die Frage, was Natur uns wert sein sollte. Gerade hier enthält da Buch vieles an ethischem und politischen Zündstoff und lenkt das Nachdenken über die Natur in zeitgemäße neue Bahnen.
"In der praktischen Konsequenz solcher Überlegungen muß man sich zwangsläufig fragen, was Naturschutz letzten Endes bedeuten kann, woran er sich zu orientieren hat und wie wir ihn einigermaßen sinnvoll betreiben können." Thorgauer Zeitung
"Nur keine Sentimentalitäten. Franz M. Wuketits findet in der Evolution weder Sinn noch Zweck." FAZ
"In den angelsächsischen Ländern ist es eine Selbstverständlichkeit, daß Wissenschaftler ihre Erkenntnisse in klarer, nicht selten auch unterhaltsamer Sprache vorstellen. Zu den nicht so zahlreichen Wissenschaftlern deutscher Zunge, die den Anstand und auch die Begabung besitzen, vor ihrem Publikum ein gleiches zu tun, gehört Franz M. Wuketits." Aufklärung und Kritik
"Nur keine Sentimentalitäten. Franz M. Wuketits findet in der Evolution weder Sinn noch Zweck." FAZ
"In den angelsächsischen Ländern ist es eine Selbstverständlichkeit, daß Wissenschaftler ihre Erkenntnisse in klarer, nicht selten auch unterhaltsamer Sprache vorstellen. Zu den nicht so zahlreichen Wissenschaftlern deutscher Zunge, die den Anstand und auch die Begabung besitzen, vor ihrem Publikum ein gleiches zu tun, gehört Franz M. Wuketits." Aufklärung und Kritik
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.06.1999Das harte Naturgesetz
Nur keine Sentimentalitäten: Franz M. Wuketits findet in der Evolution weder Sinn noch Zweck
Der Mensch ist der Herr über alle Geschöpfe, über Tiere, Fische und Vögel. Und was sein Wille erstrebt, das erreicht er. Mit solch einer Geisteshaltung ist über die letzten Jahrtausende unsere Zivilisation herangewachsen, derer wir jetzt wieder überdrüssig zu werden beginnen. Der Mensch ist die bislang einzige Spezies, die Erholung "in der Natur" sucht. Die Romantik hat unser heutiges Bild von der Natur weitgehend geprägt. Unsere Sehnsüchte richten sich auf ein Arkadien, in dem die Menschen friedlich miteinander und im Einklang mit der Natur leben. Doch mit dieser Phantasie vom Goldenen Zeitalter hegen wir falsche Vorstellungen in unserem Busen. Das Leben in der Natur ist grausam, und zu essen findet man als moderner Großstädter nichts. Man muß, scheint''s, noch froh sein, wenn einen die Natur nicht ihrerseits auffrißt. Franz M. Wuketits räumt auf mit den schwärmerischen Naturvorstellungen eines ökologischen Pantheismus.
Wuketits denkt sich die Evolution nicht als progressiv. Ständige natürliche Auslese führe eben nicht zum Fortschritt, sondern nur zu vorübergehend an die vorherrschenden Umweltbedingungen optimal angepaßten Arten, von denen viele zwangsläufig wieder aussterben müssen, wenn sich das Klima ändert oder neue, konkurrierende Arten auftreten. Der konstante Untergang von Arten gehört zum Wesen der Evolution.
Die an die aktuelle Situation in ihrem jeweiligen Biotop angepaßten Arten sind nicht so harmoniebedürftig veranlagt, wie wir uns das gerne vorstellen mögen. Gegenüber den Artgenossen regiert der schiere Egoismus, erst kommt das Fressen und dann die Weitergabe der eigenen Gene. Altruismus unter Tieren wird nur da beobachtet, wo er nützlich ist. Kaiserpinguine stehen dicht zusammen, um sich gegenseitig vor der Kälte zu schützen, doch wenn es darum geht, ins Wasser zu springen, um Nahrung zu suchen, schubst man gerne erst einmal einen einzelnen Kameraden in die Fluten, um sich zu vergewissern, daß keine räuberischen Robben um die Wege sind.
Das Universum dehnt sich seit dem Urknall aus. Dabei nimmt seine Entropie, der Grad der Unordnung, unablässig zu. Es mag wie ein Wunder erscheinen, daß es in diesem Chaos Inseln von vorübergehender Stabilität gibt: Sterne, Lebensformen, Ökosysteme. Wuketits weist darauf hin, daß diese komplexen, scheinbar stabilen Systeme sich gegen den vom zweiten Hauptsatz der Thermodynamik vorgegebenen Verfall dadurch behaupten, daß sie ihrerseits mehr Unordnung produzieren als sie selbst Ordnung schaffen, mit anderen Worten: Die komplexeren Lebensformen erhalten sich dadurch, daß sie weniger komplexe zerstören. Da, wo neue Lebensformen entstehen, verdrängen sie bestehende.
Über Jahrmillionen betrachtet, hat die Artenvielfalt auf der Erde, von einzelnen Katastrophen wie zuletzt dem Sauriersterben vor knapp siebzig Millionen Jahren abgesehen, ständig zugenommen. Vor allem hat sich nach jedem großen Artensterben die Artenvielfalt wieder neu eingestellt. Heute sterben schätzungsweise zehntausend Arten pro Jahr aus, das ist mehr als tausendmal so schnell als bei den Massenextinktionen vergangener Erdzeitalter. Die heutige Massenauslöschung von Arten wird vom Menschen verursacht, der sich im Kontext der Evolution nicht anders verhält als andere Spezies, nämlich rücksichtslos, egoistisch und auf schnelle Triebbefriedigung bedacht. Die gegenwärtige Verarmung des Lebens auf unserem Planeten ist also nur ein normaler Vorgang innerhalb der Evolution. Der Unterschied liegt darin, daß diesmal alles schneller abläuft als je zuvor und daß erstmals eine einzige Art so großen Einfluß auf die Entwicklung nimmt. Unsere Spezies ist die einzige, die sich auf ihre Existenz etwas einbildet. Dabei ist unser Umgang mit den vorhandenen Ressourcen kein Grund, stolz zu sein, denn wir rotten mehr Arten aus, als für unser Wohlbefinden nötig ist, und setzen durch Mißwirtschaft Millionen anderer Menschen dem Hunger und qualvollem Leiden aus.
Die Artenvielfalt stellt eine gewaltige Ressource dar. Allein in den tropischen Regenwäldern der Erde warten unzählige Heilstoffe auf ihre Entdeckung. Durch die Vernichtung der Urwälder gehen uns jedoch diese Substanzen verloren, bevor sie überhaupt entdeckt werden. Allein das wäre ein Grund, einzulenken. Doch auch wenn sich der Mensch nicht einsichtig verhält, so wird er doch nicht die Natur zerstören. Vielleicht wird die menschliche Art zusammen mit vielen anderen Wirbeltieren von der Oberfläche des Planeten verschwinden, doch die Natur bleibt erhalten. Sie hat, wie Wuketits es ausdrückt, keine Träne geweint, als Katastrophen achtzig Prozent der Arten dahinrafften, und wird auch dem Menschen keine Träne nachweinen. Wenn der Mensch seine Bühne verlassen hat, wird die Natur mit anderen Arten weiterexistieren.
Das Universum, das uns Franz Wuketits schildert, ist leer und bedeutungslos. Mehrmals betont er, daß er die von ihm vorgefundene Welt nicht mit dem Wirken eines allmächtigen, barmherzigen Schöpfers vereinbaren kann. Andererseits verleihe aber gerade diese Sinnlosigkeit der Welt dem Menschen die intellektuelle Kraft, die ihn in die Lage versetze, durch eigene Anstrengung seinem Leben einen Sinn geben. Jedoch bemerkt Wuketits an anderer Stelle: "Ich glaube, es ist viel einfacher, mit der Tatsache, daß die ganze Naturgeschichte eine Katastrophengeschichte ist, fertig zu werden, wenn man sich die krampfhafte Suche nach dem Sinn gar nicht aufbürdet." Schade!
HARTMUT HÄNSEL
Franz M. Wuketits: "Die Selbstzerstörung der Natur". Evolution und die Abgründe des Lebens. Patmos Verlag, Düsseldorf 1999. 192 S., 16 Abb., geb., 39,80 DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Nur keine Sentimentalitäten: Franz M. Wuketits findet in der Evolution weder Sinn noch Zweck
Der Mensch ist der Herr über alle Geschöpfe, über Tiere, Fische und Vögel. Und was sein Wille erstrebt, das erreicht er. Mit solch einer Geisteshaltung ist über die letzten Jahrtausende unsere Zivilisation herangewachsen, derer wir jetzt wieder überdrüssig zu werden beginnen. Der Mensch ist die bislang einzige Spezies, die Erholung "in der Natur" sucht. Die Romantik hat unser heutiges Bild von der Natur weitgehend geprägt. Unsere Sehnsüchte richten sich auf ein Arkadien, in dem die Menschen friedlich miteinander und im Einklang mit der Natur leben. Doch mit dieser Phantasie vom Goldenen Zeitalter hegen wir falsche Vorstellungen in unserem Busen. Das Leben in der Natur ist grausam, und zu essen findet man als moderner Großstädter nichts. Man muß, scheint''s, noch froh sein, wenn einen die Natur nicht ihrerseits auffrißt. Franz M. Wuketits räumt auf mit den schwärmerischen Naturvorstellungen eines ökologischen Pantheismus.
Wuketits denkt sich die Evolution nicht als progressiv. Ständige natürliche Auslese führe eben nicht zum Fortschritt, sondern nur zu vorübergehend an die vorherrschenden Umweltbedingungen optimal angepaßten Arten, von denen viele zwangsläufig wieder aussterben müssen, wenn sich das Klima ändert oder neue, konkurrierende Arten auftreten. Der konstante Untergang von Arten gehört zum Wesen der Evolution.
Die an die aktuelle Situation in ihrem jeweiligen Biotop angepaßten Arten sind nicht so harmoniebedürftig veranlagt, wie wir uns das gerne vorstellen mögen. Gegenüber den Artgenossen regiert der schiere Egoismus, erst kommt das Fressen und dann die Weitergabe der eigenen Gene. Altruismus unter Tieren wird nur da beobachtet, wo er nützlich ist. Kaiserpinguine stehen dicht zusammen, um sich gegenseitig vor der Kälte zu schützen, doch wenn es darum geht, ins Wasser zu springen, um Nahrung zu suchen, schubst man gerne erst einmal einen einzelnen Kameraden in die Fluten, um sich zu vergewissern, daß keine räuberischen Robben um die Wege sind.
Das Universum dehnt sich seit dem Urknall aus. Dabei nimmt seine Entropie, der Grad der Unordnung, unablässig zu. Es mag wie ein Wunder erscheinen, daß es in diesem Chaos Inseln von vorübergehender Stabilität gibt: Sterne, Lebensformen, Ökosysteme. Wuketits weist darauf hin, daß diese komplexen, scheinbar stabilen Systeme sich gegen den vom zweiten Hauptsatz der Thermodynamik vorgegebenen Verfall dadurch behaupten, daß sie ihrerseits mehr Unordnung produzieren als sie selbst Ordnung schaffen, mit anderen Worten: Die komplexeren Lebensformen erhalten sich dadurch, daß sie weniger komplexe zerstören. Da, wo neue Lebensformen entstehen, verdrängen sie bestehende.
Über Jahrmillionen betrachtet, hat die Artenvielfalt auf der Erde, von einzelnen Katastrophen wie zuletzt dem Sauriersterben vor knapp siebzig Millionen Jahren abgesehen, ständig zugenommen. Vor allem hat sich nach jedem großen Artensterben die Artenvielfalt wieder neu eingestellt. Heute sterben schätzungsweise zehntausend Arten pro Jahr aus, das ist mehr als tausendmal so schnell als bei den Massenextinktionen vergangener Erdzeitalter. Die heutige Massenauslöschung von Arten wird vom Menschen verursacht, der sich im Kontext der Evolution nicht anders verhält als andere Spezies, nämlich rücksichtslos, egoistisch und auf schnelle Triebbefriedigung bedacht. Die gegenwärtige Verarmung des Lebens auf unserem Planeten ist also nur ein normaler Vorgang innerhalb der Evolution. Der Unterschied liegt darin, daß diesmal alles schneller abläuft als je zuvor und daß erstmals eine einzige Art so großen Einfluß auf die Entwicklung nimmt. Unsere Spezies ist die einzige, die sich auf ihre Existenz etwas einbildet. Dabei ist unser Umgang mit den vorhandenen Ressourcen kein Grund, stolz zu sein, denn wir rotten mehr Arten aus, als für unser Wohlbefinden nötig ist, und setzen durch Mißwirtschaft Millionen anderer Menschen dem Hunger und qualvollem Leiden aus.
Die Artenvielfalt stellt eine gewaltige Ressource dar. Allein in den tropischen Regenwäldern der Erde warten unzählige Heilstoffe auf ihre Entdeckung. Durch die Vernichtung der Urwälder gehen uns jedoch diese Substanzen verloren, bevor sie überhaupt entdeckt werden. Allein das wäre ein Grund, einzulenken. Doch auch wenn sich der Mensch nicht einsichtig verhält, so wird er doch nicht die Natur zerstören. Vielleicht wird die menschliche Art zusammen mit vielen anderen Wirbeltieren von der Oberfläche des Planeten verschwinden, doch die Natur bleibt erhalten. Sie hat, wie Wuketits es ausdrückt, keine Träne geweint, als Katastrophen achtzig Prozent der Arten dahinrafften, und wird auch dem Menschen keine Träne nachweinen. Wenn der Mensch seine Bühne verlassen hat, wird die Natur mit anderen Arten weiterexistieren.
Das Universum, das uns Franz Wuketits schildert, ist leer und bedeutungslos. Mehrmals betont er, daß er die von ihm vorgefundene Welt nicht mit dem Wirken eines allmächtigen, barmherzigen Schöpfers vereinbaren kann. Andererseits verleihe aber gerade diese Sinnlosigkeit der Welt dem Menschen die intellektuelle Kraft, die ihn in die Lage versetze, durch eigene Anstrengung seinem Leben einen Sinn geben. Jedoch bemerkt Wuketits an anderer Stelle: "Ich glaube, es ist viel einfacher, mit der Tatsache, daß die ganze Naturgeschichte eine Katastrophengeschichte ist, fertig zu werden, wenn man sich die krampfhafte Suche nach dem Sinn gar nicht aufbürdet." Schade!
HARTMUT HÄNSEL
Franz M. Wuketits: "Die Selbstzerstörung der Natur". Evolution und die Abgründe des Lebens. Patmos Verlag, Düsseldorf 1999. 192 S., 16 Abb., geb., 39,80 DM.
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