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Die Entschlüsselung des menschlichen Codes ist gelungen. Kevin Davies beschreibt den rasanten Wettlauf zwischen zwei Männern, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Francis Collins, Leiter des Human Genome Project (HGP), ist Wissenschaftler des alten Schlags. Craig Venter dagegen verkörpert als Geschwindigkeitsfanatiker und Sportsegler den Geschäftsmann, der jenseits staatlicher Kontrolle die Bausteine des Lebens selbst auf den Markt bringt. Ein Wissenschaftskrimi, der seinesgleichen sucht!

Produktbeschreibung
Die Entschlüsselung des menschlichen Codes ist gelungen. Kevin Davies beschreibt den rasanten Wettlauf zwischen zwei Männern, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Francis Collins, Leiter des Human Genome Project (HGP), ist Wissenschaftler des alten Schlags. Craig Venter dagegen verkörpert als Geschwindigkeitsfanatiker und Sportsegler den Geschäftsmann, der jenseits staatlicher Kontrolle die Bausteine des Lebens selbst auf den Markt bringt. Ein Wissenschaftskrimi, der seinesgleichen sucht!
Autorenporträt
Kevin Davies, 1962 in London geboren, promovierter Genetiker, setzte seine Studien am MIT und an der Harvard Medical School fort, bevor er Wissenschaftsredakteur bei 'Nature' wurde. Heute ist er Herausgeber von 'Cell Press' und lebt in Boston.
Rezensionen
"Mit vielen kleinen Geschichten macht Davies deutlich, wie stark die Genforschung schon heute unsere Gesellschaft beeinflusst." Die Woche

"Kabale und Gene: Der Wissenschaftler will, wie der Bergsteiger, als Erster auf den Gipfel. Doch selten verlief das Rennen um Ruhm so erbittert wie jenes, das im Februar 2001 zur Offenlegung des menschlichen Genoms geführt hat. In seinem kenntnisreichen Buch schildert der Wissenschaftsjournalist Kevin Davies den Wettstreit zweier Schlüsselpersonen: Der brave Ehrgeizling Francis Collins führte den internationalen Verband der Gensequenzierer an, zu denen auch deutsche Forscher gehörten. Der listige Einzelkämpfer Craig Venter stellt sich der scheinbaren Übermacht mit seiner Firma Celera entgegen und wurde dadurch mehrfacher Millionär." Der Spiegel

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.10.2001

Feige sind die Vorsichtigen nicht
Wohin mit drei Milliarden Buchstaben? Zwei Bücher erzählen die Geschichte des Genomprojekts / Von Christian Schwägerl

Schon eineinhalb Jahre nach der erstmaligen Ankündigung, eine nahezu vollständige Darstellung des menschlichen Erbguts liege vor, ist der Umgang mit diesem Werk selbstverständlicher geworden, als dies vorher zu ahnen war. Natürlich erschien es im Frühsommer 2000 als ein Epochenschritt, daß der Mensch nun erstmals das Erbgut seiner Spezies umfassend kennt und über ein Referenzwerk verfügt, mit dessen Hilfe er sich mit anderen Organismen vergleichen und nach den Ursachen von Mikrodifferenzen innerhalb seiner Spezies suchen kann, Aussehen, Gesundheit und Verhalten betreffend. Der Text ist eine Abfolge von mehr als drei Milliarden genetischer Buchstaben, also von Symbolen für die großen Moleküle, aus denen die Doppelspirale des Erbguts aufgebaut ist. Seiner Ausstrahlung konnten sich nur Ignoranten entziehen. Die - wenngleich umstrittene - Vollständigkeit des Erbgut-Textes ließ ein neuartiges Spiegelbild eines modernen molekularen Menschen erscheinen, der in den Genuß ungeahnter biologischer Freiheiten kommen würde. Textform und Textanalogien der Darstellung rückten vom Schreiben am Computer vertraute Techniken in Reichweite, mit denen sich überfällige Korrekturen am menschlichen Erbgut vornehmen oder gleich gänzlich neue Gentexte verfassen lassen. Welch schöne Art von Mensch entstünde, wenn ein prosaisch veranlagter Gentechniker sich ans Werk machte?

Das Werk selbst wurde als neues Buch des Lebens bezeichnet. Der Gewöhnungsprozeß an dieses Buch ist indes, angesichts der Wucht der Neuigkeit im Frühsommer 2000, sehr rasch verlaufen. Dies rührt daher, daß viele Wissenschaftler ernüchtert sind, weil sich mit den heutigen Methoden doch weitaus weniger unmittelbare Botschaften aus der Abfolge der Erbbausteine herauslesen lassen als ursprünglich erhofft. Die Bedeutung des Werks, der reinen Buchstabenfolge, wurde relativiert. Der naive Gedanke, sich nur in eine Leseecke begeben zu müssen, um Aussagen zu erkennen, verschwand schnell. Um das Buch wirklich zu verstehen, bedarf es neuer Lesetechniken, für die zuerst ein neuer Wissenschaftszweig, die Bioinformatik, aufzubauen ist. Dies geschieht nun. Weiterhin sind neue, ähnliche Bücher wichtig, Komplettgenome anderer Menschen als der untersuchten und Komplettgenome anderer Spezies.

Zudem wurde noch einmal klar, daß die DNS selbst bei all ihrer Bedeutung nur eine Ebene der Komplexität des Lebens ist. Heute heißt es, daß ohne eine genaue Kenntnis der Genprodukte, also der Eiweiße, wenig gewonnen ist, ja daß sogenannte epigenetische Phänomene, also nahezu unendlich komplizierte Mechanismen der Kontrolle und Regulierung der Genaktivität, für das reale Geschehen im Körper von immenser Bedeutung sind. Als das Genom gefeiert wurde, tauchte der Verwurf eines biologischen Reduktionismus auf. Leicht kann inzwischen selbst der überzeugteste Molekulargenetiker bejahen, daß der Mensch mehr ist als die Summe seiner Gene - zumindest ist er die Summe seiner Gene, seiner Proteine, und deren Wechselwirkungen und kybernetischen Regelmechanismen. Rasant haben sich die Wissenschaft und die interessierte Öffentlichkeit also voranbewegt, seit am 26. Juni 2000 im Weißen Haus in einer weltweit ausgestrahlten Feierstunde die wichtigsten am Humangenomprojekt beteiligten Forscher ihr Werk zelebrierten. Aus dem zu Recht so bezeichneten Epochenschnitt ist ein Etappenschritt geworden zu einem vierdimensionalen Modell des Menschen.

Zwei amerikanische Autoren haben den Versuch unternommen, die Geschichte des Humangenomtextes zu beschreiben und seine Bedeutung für die Medizin der Zukunft zu durchleuchten. Es handelt sich dabei um ein wichtiges publizistisches Unterfangen, denn so rein und klar der Genomtext erschien, als er in gedruckter Form in "Nature" und "Science" publiziert werden konnte, so sehr haben doch die Querelen während seiner Entstehung Spuren hinterlassen. Daß aus einem gemeinsamen Projekt öffentlich geförderter Forscher ein Wettlauf mit dem Privatunternehmen Venter wurde, hat der Sache geschadet wie genutzt. Geschadet, weil die Langsamkeit der Forscher des öffentlich geförderten Humangenomprojekts (Hugo) den wirklich freien Zugang zu allen Erbinformationen nun einschränkt. Genutzt, weil dadurch neuere Techniken zum Einsatz kamen und das Projekt schneller fertiggestellt wurde, als zu ahnen war.

Eine Historie der Erbgut-Entschlüsselung erscheint außerdem als ein möglicher Weg, mit erzählerischen Mitteln breitere Kreise der Öffentlichkeit mit Biologie, Gentechnik und Biopolitik vertraut zu machen. Letzteres ist dringend nötig. Drei Antworten kennt der Genforscher Craig Venter auf die Frage, wo denn eigentlich das Erbgut des Menschen sitze: "Ein Drittel sagt, im Gehirn, ein Drittel vermutet es in den Eierstöcken der Frau, und das letzte Drittel hat gar keine Ahnung." In einem Interview mit der Nobelpreisträgerin Christiane Nüsslein-Volhard sagte ein Journalist kürzlich, er habe bei der Debatte um die Gentechnik das Gefühl, plötzlich die hundertste Folge einer Fortsetzungsserie anzuschauen, ohne die Vorgeschichte zu kennen. Immer wieder werden Umfragen zitiert, denen zufolge vierzig Prozent der Bundesbürger glauben, daß nur gentechnisch manipulierte Tomaten auch wirklich Gene enthalten. Es scheint, als könnten Neuerscheinungen hier eine fundamentale Bildungsfunktion übernehmen. Das Angebot an deutschsprachigen Büchern, die sich im Bereich der Gentechnik, der Biomedizin und der Biopolitik an ein breites Publikum richten, ist derzeit noch minimal. Die Neuerscheinungen von Nicholas Wade und Kevin Davies sowie ein weiteres Sachbuch von Gerhard Staguhn (siehe Jugendsachbuchseite) füllen insoweit eine Lücke.

Kevin Davies baut sein Buch "Die Sequenz - Der Wettlauf um das menschliche Genom" konsequent historisch auf. Davies war Gründungsmitarbeiter von "Nature Genetics" und gibt heute das Magazin "Current Biology" heraus. Sein Buch kann als Standardwerk der Genomik-Historie gelten. Trotz außerordentlichen Detailreichtums handelt es sich um einen flüssigen, spannenden und anschaulichen Text, der alle Aspekte des Genomprojekts zumindest beleuchtet. Gleich zu Beginn erhält der dankbare Leser eine naturwissenschaftliche Einführung. Die finanzielle Seite des Wettlaufs um die Genom-Karte, wer nämlich unter welchen Bedingungen über die gewonnenen Daten verfügen kann, welche Pläne es gab, den Rohstoff Erbgut zu monopolisieren, wird klar herausgearbeitet. Bei Davies fällt die Auseinandersetzung mit den möglichen ethischen und gesellschaftlichen Folgen der Gentechnik zwar denkbar knapp aus, denn im Zentrum steht die Geschichtsschreibung aus Labors, Forschungsorganisationen und Firmen. Aber er läßt auch dem kritischeren Leser zumindest Platz zum Atmen.

Nicholas Wade dagegen, Wissenschaftsjournalist bei der "New York Times", läßt wenig Zweifel, daß er Vorsichtige für schlichtweg feige hält und daß selbst die utopisch anmutenden Versprechungen von Wissenschaftlern zwangsläufig wahr werden. "Mediziner können neue Methoden zur Reparatur der menschlichen Maschine entwickeln und werden in absehbarer Zeit fähig sein, die meisten, wenn nicht alle Mängel dieser Maschine zu beheben", schreibt er gleich zu Beginn seines Buches. Die ausführliche Darstellung des spannenden Wettlaufs zwischen dem ehrgeizigen Craig Venter und seinem in die Defensive geratenen Widerpart von Hugo, Francis Collin, ist gut recherchiert, doch leider bleiben, trotz großen Detailreichtums, die handelnden Personen merkwürdig unsichtbar, verborgen hinter lieblos aneinandergereihten Zitaten und Anekdoten. Oft entsteht das Gefühl, eine Nachricht aus dem Wissenschaftsteil einer Zeitung zu lesen, aber eben keine Wissenschafts-Erzählung. Daß die wichtigen biologischen Grundlagen, die Funktionsweise und Struktur des Erbguts intermittierend und ohne Illustrationen erklärt werden, erleichtert die Lektüre nicht. So erfährt der Leser etwa erst auf Seite 89, daß das Erbgut im Inneren jeder Körperzelle in Zellkernen verpackt ist - zu spät und zu versteckt vielleicht, um die entsprechende Frage eines leibhaftigen Craig Venter beantworten zu können.

Die Stärke des Buches liegt in der Vorführung eines nahezu ungetrübten Enthusiasmus. Augenzwinkernd greift Wade ein Bild auf, das von Kritikern der Gentechnik gerne benutzt wird: "Die Büchse der Pandora schließen" lautet der Titel eines Kapitels. Dies heißt für ihn aber nicht, wegen möglichen Mißbrauchs der Gentechnik Grenzen zu setzen, sondern im Gegenteil, mit ihrer Hilfe Krankheiten, die aus einer üblen Evolutionsbüchse springen, zu vernichten. Dieses Bild, die angeblich erbarmungslose Natur als Büchse der Pandora, steht im Mittelpunkt seiner Argumentation. Auch gentechnisch veränderte Menschen, denen im Embryonalstadium Krankheitsgene entfernt würden, heißt Wade gut. Er entwirft die Vision neuartiger gentechnischer Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit: Der Evolution sei vorzuwerfen, daß sie Gene ungleich verteile, was Menschen mit erblichen Krankheiten auszubaden hätten: "Die Sequenzierung des menschlichen Genoms eröffnet zum ersten Mal die Möglichkeit, eine genetisch gerechtere Gesellschaft zu schaffen, eine Gesellschaft, in der die grundlegendste Art des Reichtums - die Gene, die Gesundheit und Lebenstauglichkeit schenken - allen Menschen offen stünde."

Die Vision mag attraktiv sein, doch leider fehlt dem Buch, da es sich im Gegensatz zu Davies auf die grundsätzlichsten Betrachtungen einläßt, eine kulturgeschichtliche und evolutionsbiologische Abwägung: was Krankheiten eigentlich sind, warum es sie gibt und warum der Mensch als molekulare Maschine zu betrachten sei. Diese interessante Behauptung aus dem Vorwort des Buches bleibt vollständig unerörtert. Der Band bietet daher zwar einen Einblick in das Denken der Gentechnik-Protagonisten und taugt als Antidot zur Angst-Lektüre, aber es leistet keine echte Erörterung. Zudem konstruiert Wade einen Finalismus, der sein Lob neuer biologischer Freiheit unterminiert. Wenn tatsächlich selbst die Keimbahnmanipulation unausweichlich sein sollte, und ein Verzicht einem Ausharren in evolutionsbiologischen Ursavannen gleichkäme, würde es sich um einen technologischen Zwang handeln. Wenn aber neue technologische Möglichkeiten Zwangswirkung entfalten, warum sollte man sie dann als neue Freiheit feiern?

Erstaunlich an beiden Büchern ist, daß sie schon eineinhalb Jahre nach der Genom-Entschlüsselung historisch erscheinen, ja streckenweise antiquiert. So beschreibt Davies, daß nun daran gedacht sei, nach allen Genen alle Eiweiße des menschlichen Körpers in ihrer Struktur zu bestimmen. Längst ist dieses Projekt auf den Weg gebracht.

Kevin Davies: "Die Sequenz". Der Wettlauf um das menschliche Genom. Aus dem Englischen von Klaus Fritz und Anja Hansen-Schmidt. Carl Hanser Verlag, München 2001. 416 S., geb., 49,80 DM.

Nicholas Wade: "Das Genom-Projekt und die Neue Medizin". Aus dem Englischen von Hainer Kober. Siedler Verlag, Berlin 2001. 222 S., geb., 36,- DM.

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