Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.03.2006Frieden in Israel dank Fußball? Bei Bnei Sachnin funktioniert's
Wer dieses Buch gelesen hat, wird nach Ergebnissen der ersten israelischen Liga suchen. Wie hat Bnei Sachnin gespielt? Der Hamburger Journalist Roger Repplinger hat Hapoel Bnei Sachnin ein Jahr lang begleitet. Im israelischen Sachnin, einer arabisch geprägten Stadt mit 23 000 Einwohnern, spielen Juden und Muslime in einer Mannschaft. Torwart Meir Cohen etwa ist Jude, Stürmer Abbas Suan Muslim. Beide sind Israelis, der Araber Abbas Suan spielt für die Nationalmannschaft. Die verschiedenen Glaubensrichtungen bringen keinen Riß in die Mannschaft in einer Region, die zerrissener nicht sein könnte. Sachnin, israelischer Pokalsieger 2004, ist der Verein der etwa eine Million Araber Israels. In Sachnin scheint Frieden zwischen den Völkern mit den Mitteln des Fußballs möglich. Repplinger schreibt: "In der Welt, in der es ,jüdische' und ,arabische' Spieler gibt, hat Sachnin keine Chance. Deshalb gibt es in der Welt von Bnei Sachnin diese Unterscheidung nicht." Dabei ist diese Unterscheidung die Haupttrennungslinie allen israelischen Lebens, entlang dieser Linie bewegen sich alle Konflikte. Sie ist in Sachnin aufgehoben.
Aber auch Bnei entwickelt sich im Laufe der fast 500 Seiten vom idealtypischen Gebilde, das einem manchmal zu schön vorkommt, um wahr zu sein. Das Team kämpft gegen den Abstieg, der Trainer demütigt Spieler, er wird entlassen, es gibt jede Menge zweifelhafte Entscheidungen des israelischen Verbandes gegen Sachnin, seine Mitarbeiter, seine Fans. Will Israel Bnei Sachnin in der ersten Liga? Als Ausweis von Toleranz? Muß es nicht weg, weil es die Araber im Selbstbewußtsein stärkt? Repplinger schreibt: "Fußball ist in Israel die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Und die Politik ist aggressiv. Im israelischen Fußball gibt es alles, was es in der israelischen Gesellschaft gibt. Er ist nicht besser, er ist nicht schlechter." Die Bedingungen sind mies für Sachnin: Trainiert wird neben einer Müllhalde, gespielt in einem fremden Stadion, weil des eigene, neue einfach nicht fertig werden will (inzwischen ist es das). Immer fehlt Geld. Und es macht auch alle Fehler, hat Pech dazu: Sachnin spielt undiszipliniert, der beste Mann verletzt sich, andere haben Formschwächen. Der Trainer hat das falsche Konzept. Im zweiten Jahr der Erstklassigkeit taumelt der Stolz der Araber dem Abstieg entgegen.
Repplingers Buch hat etwas, das gute Romane auszeichnet - retardierendes Moment und Entwicklung. Verlangsamung: Wunderschön beschreibt er die Kunst des Kaffeezubereitens und die Politik des Kaffeetrinkens, ein ganzes Kapitel dreht sich um die Zubereitung von Managisch, einem speziellen Brot. Entwicklung: Aus dem sympathischen Trainer wird ein Despot. Aus dem smarten Präsidenten ein knallharter Vereinsboß. Aus dem besten Spieler ein Mensch mit trauriger Geschichte.
Repplinger zeichnet sprachlich-stilistisch ansprechend ein leuchtendes Beispiel in die Schwärze des Nahost-Konflikts. Daß er einseitig Partei ergreift für die Sache Sachnins und dabei zu tief in die israelische Geschichte eintaucht (ein gutes Lektorat hätte das ausgedünnt), sei ihm nachgesehen. Es ist nämlich eine gute Sache - mit ungewissem Ausgang: Wenige Spieltage vor Serienende kämpft Hapoel Bnei Sachnin auch in dieser Saison gegen den Abstieg. Mit neuem Trainer.
FRANK HEIKE
Besprochenes Buch: Roger Repplinger: Die Söhne Sachnins. Bombus-Verlag, 512 Seiten, 19,90 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wer dieses Buch gelesen hat, wird nach Ergebnissen der ersten israelischen Liga suchen. Wie hat Bnei Sachnin gespielt? Der Hamburger Journalist Roger Repplinger hat Hapoel Bnei Sachnin ein Jahr lang begleitet. Im israelischen Sachnin, einer arabisch geprägten Stadt mit 23 000 Einwohnern, spielen Juden und Muslime in einer Mannschaft. Torwart Meir Cohen etwa ist Jude, Stürmer Abbas Suan Muslim. Beide sind Israelis, der Araber Abbas Suan spielt für die Nationalmannschaft. Die verschiedenen Glaubensrichtungen bringen keinen Riß in die Mannschaft in einer Region, die zerrissener nicht sein könnte. Sachnin, israelischer Pokalsieger 2004, ist der Verein der etwa eine Million Araber Israels. In Sachnin scheint Frieden zwischen den Völkern mit den Mitteln des Fußballs möglich. Repplinger schreibt: "In der Welt, in der es ,jüdische' und ,arabische' Spieler gibt, hat Sachnin keine Chance. Deshalb gibt es in der Welt von Bnei Sachnin diese Unterscheidung nicht." Dabei ist diese Unterscheidung die Haupttrennungslinie allen israelischen Lebens, entlang dieser Linie bewegen sich alle Konflikte. Sie ist in Sachnin aufgehoben.
Aber auch Bnei entwickelt sich im Laufe der fast 500 Seiten vom idealtypischen Gebilde, das einem manchmal zu schön vorkommt, um wahr zu sein. Das Team kämpft gegen den Abstieg, der Trainer demütigt Spieler, er wird entlassen, es gibt jede Menge zweifelhafte Entscheidungen des israelischen Verbandes gegen Sachnin, seine Mitarbeiter, seine Fans. Will Israel Bnei Sachnin in der ersten Liga? Als Ausweis von Toleranz? Muß es nicht weg, weil es die Araber im Selbstbewußtsein stärkt? Repplinger schreibt: "Fußball ist in Israel die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Und die Politik ist aggressiv. Im israelischen Fußball gibt es alles, was es in der israelischen Gesellschaft gibt. Er ist nicht besser, er ist nicht schlechter." Die Bedingungen sind mies für Sachnin: Trainiert wird neben einer Müllhalde, gespielt in einem fremden Stadion, weil des eigene, neue einfach nicht fertig werden will (inzwischen ist es das). Immer fehlt Geld. Und es macht auch alle Fehler, hat Pech dazu: Sachnin spielt undiszipliniert, der beste Mann verletzt sich, andere haben Formschwächen. Der Trainer hat das falsche Konzept. Im zweiten Jahr der Erstklassigkeit taumelt der Stolz der Araber dem Abstieg entgegen.
Repplingers Buch hat etwas, das gute Romane auszeichnet - retardierendes Moment und Entwicklung. Verlangsamung: Wunderschön beschreibt er die Kunst des Kaffeezubereitens und die Politik des Kaffeetrinkens, ein ganzes Kapitel dreht sich um die Zubereitung von Managisch, einem speziellen Brot. Entwicklung: Aus dem sympathischen Trainer wird ein Despot. Aus dem smarten Präsidenten ein knallharter Vereinsboß. Aus dem besten Spieler ein Mensch mit trauriger Geschichte.
Repplinger zeichnet sprachlich-stilistisch ansprechend ein leuchtendes Beispiel in die Schwärze des Nahost-Konflikts. Daß er einseitig Partei ergreift für die Sache Sachnins und dabei zu tief in die israelische Geschichte eintaucht (ein gutes Lektorat hätte das ausgedünnt), sei ihm nachgesehen. Es ist nämlich eine gute Sache - mit ungewissem Ausgang: Wenige Spieltage vor Serienende kämpft Hapoel Bnei Sachnin auch in dieser Saison gegen den Abstieg. Mit neuem Trainer.
FRANK HEIKE
Besprochenes Buch: Roger Repplinger: Die Söhne Sachnins. Bombus-Verlag, 512 Seiten, 19,90 Euro.
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