William Shakespeare, getauft am 26. April 1564 in Stratford- upon-Avon, ist am 23. April 1616 dort gestorben. Kein lyrisches Werk der Weltliteratur hat den Spürsinn von Dichtern, Literaturwissenschaftlern und Übersetzern so angeregt wie Shakespeares Sonett-Zyklus, und nirgendwo ist die Rätselhaftigkeit Shakespeares so zu erfahren wie in diesen 154 Gedichten. Vierhundert Jahre nach der ersten Erwähnung von Sontten Shakespeares durch Francis Meres nach zweihundert Jahren heftiger und oft genug indezenter Liebesmühe einer weltweiten Armada von Forschern und Enthusiasten, erstrahlt das Werk mehr denn ja in ästethischer Schadenfreude: Es hat nichts preisgegeben, was die gemeine Neugier befriedigt. Shakespeares Sonette stellen die Frage nach Wahrheit, sie stellen sie dar, richten sie auf, richten sich als sie auf: Doch Wahrheit und Geltung, Schönheit und Schönschein, Obsession und Treue, Sinn und Widersinn, Lieb und Liebe, Tag und Nacht - in paradoxalen Konfigurationen werden sie der Magie des großen "Durcheinanderwerfers" ausgeliefert, und es erscheint nicht sogleich ausgemacht, wer als wessen Schatten zu gelten habe.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.04.2009Liebe zur Endsilbe
Die Anzahl deutscher Übersetzungen muss im Jubiläumsjahr der Erstpublikation längst die Anzahl der Sonette übersteigen, die William Shakespeare je verfasste. 154 Beispiele Shakespearescher Sonettkunst waren es, die der Verleger Thomas Thorpe in London vor vierhundert Jahren in einer Quartausgabe herausbrachte. Lange standen sie im Schatten der ungleich prominenteren Bühnenwerke. Erst mit dem Interesse der Romantiker an biographischen Lesarten stießen sie auf öffentliche Resonanz, die sich im Verlauf des neunzehnten Jahrhunderts bald mit moralischer Entrüstung und Verlegenheit verband, da viele der Sonette allzu klar homoerotische Verstrickungen des Autors auszusprechen scheinen. Den deutschen Dichtern aber waren sie da schon zum Lieblingsobjekt ihrer Obsession geworden, sich den englischen Barden durch Übersetzung gänzlich anzueignen. Auch wenn es in späteren Zeiten Shakespeares Fremdheit sein mochte, die faszinierte, die deutsche Anstrengung zur Nach- und Neu- und Umdichtung seiner Sonette ist nie abgerissen und kann als Selbstausweis eigener Sprachkunst gelten. Jetzt also macht sich der Lyriker Jan Weinert daran. Er setzt auf "Klangzauber" wie auf "Humor" und will vor allem den Effekt der endsilbenbetonten Verse wiedergeben. Doch was im Geleitwort derart klangvoll annonciert wird, wirkt doch bei der Lektüre zumeist flach und in der Wortwahl wie der Syntax unbeholfen: "Die Liebe dir bestärkts, verstehst du dies, / Du liebst doch mehr, was bald dich schon verließ." Wer das versteht, liebt seinen Shakespeare ganz bestimmt; alle anderen verlassen sich besser auf stärkere Übersetzer. (William Shakespeare: "Sonette". Nachdichtung von Jan Weinert. Zweisprachige Ausgabe. Erata Literaturverlag, Leipzig 2009. 165 S., br., 16,95 [Euro]; geb., 26,95 [Euro].) todö
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Die Anzahl deutscher Übersetzungen muss im Jubiläumsjahr der Erstpublikation längst die Anzahl der Sonette übersteigen, die William Shakespeare je verfasste. 154 Beispiele Shakespearescher Sonettkunst waren es, die der Verleger Thomas Thorpe in London vor vierhundert Jahren in einer Quartausgabe herausbrachte. Lange standen sie im Schatten der ungleich prominenteren Bühnenwerke. Erst mit dem Interesse der Romantiker an biographischen Lesarten stießen sie auf öffentliche Resonanz, die sich im Verlauf des neunzehnten Jahrhunderts bald mit moralischer Entrüstung und Verlegenheit verband, da viele der Sonette allzu klar homoerotische Verstrickungen des Autors auszusprechen scheinen. Den deutschen Dichtern aber waren sie da schon zum Lieblingsobjekt ihrer Obsession geworden, sich den englischen Barden durch Übersetzung gänzlich anzueignen. Auch wenn es in späteren Zeiten Shakespeares Fremdheit sein mochte, die faszinierte, die deutsche Anstrengung zur Nach- und Neu- und Umdichtung seiner Sonette ist nie abgerissen und kann als Selbstausweis eigener Sprachkunst gelten. Jetzt also macht sich der Lyriker Jan Weinert daran. Er setzt auf "Klangzauber" wie auf "Humor" und will vor allem den Effekt der endsilbenbetonten Verse wiedergeben. Doch was im Geleitwort derart klangvoll annonciert wird, wirkt doch bei der Lektüre zumeist flach und in der Wortwahl wie der Syntax unbeholfen: "Die Liebe dir bestärkts, verstehst du dies, / Du liebst doch mehr, was bald dich schon verließ." Wer das versteht, liebt seinen Shakespeare ganz bestimmt; alle anderen verlassen sich besser auf stärkere Übersetzer. (William Shakespeare: "Sonette". Nachdichtung von Jan Weinert. Zweisprachige Ausgabe. Erata Literaturverlag, Leipzig 2009. 165 S., br., 16,95 [Euro]; geb., 26,95 [Euro].) todö
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