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Nur als Junge verkleidet kann Parvana die Herrschaft der Taliban überleben!
Als ihr Vater verhaftet wird, nimmt die elfjährige Parvana seinen Platz auf dem Markt in Kabul ein. Hier hatte er den vielen Analphabeten ihre Post vorgelesen. Wegen der restriktiven Gesetze der Taliban kann sie sich jedoch nur als Junge verkleidet in der öffentlichkeit zeigen. Und begibt sich so in große Gefahr ...
Top-Thematik: Frauen unter dem Taliban-Regime

Produktbeschreibung
Nur als Junge verkleidet kann Parvana die Herrschaft der Taliban überleben!

Als ihr Vater verhaftet wird, nimmt die elfjährige Parvana seinen Platz auf dem Markt in Kabul ein. Hier hatte er den vielen Analphabeten ihre Post vorgelesen. Wegen der restriktiven Gesetze der Taliban kann sie sich jedoch nur als Junge verkleidet in der öffentlichkeit zeigen. Und begibt sich so in große Gefahr ...

Top-Thematik: Frauen unter dem Taliban-Regime
Autorenporträt
Deborah Ellis ist Schriftstellerin und Psychotherapeutin in Toronto, wo sie die Organisation 'Frauen für Frauen in Afghanistan' gründete. 1999 verbrachte sie viele Monate in afghanischen Flüchtlingslagern in Pakistan und Russland, wo ihre vielbeachtete Afghanistan-Trilogie "Die Sonne im Gesicht"/"Allein nach Mazar-e Sharif"/"Am Meer wird es kühl sein" entstand.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 18.09.2001

Gefangen in den eigenen vier Wänden
Mädchen und Frauen in Afghanistan leben ohne Sonne, ohne Bewegung, ohne Freunde
DEBORAH ELLIS: Die Sonne im Gesicht, Verlag Jungbrunnen, Wien 2001. 126 Seiten, 25,80 Mark.
Auf dem Markt von Kabul gibt es derzeit sehr viele gebrauchte Beinprothesen zu kaufen. Seit die Taliban den Frauen befohlen haben, zu Hause zu bleiben, nehmen viele Ehemänner aus Geldnot ihren Frauen die Prothesen weg und verkaufen sie. „Du gehst ja nicht fort, wozu brauchst du dann ein falsches Bein?”, fragen sie.
Das Mädchen Parvana hat die Möglichkeit, ihr Umfeld zu beobachten und das Angebot auf dem Großen Markt von Kabul zu schildern – noch. Für ihre elf Jahre ist Parvana sehr klein, weshalb sie sich auf den Straßen der afghanischen Hauptstadt in Begleitung ihres Vaters relativ frei bewegen kann, ohne mit unangenehmen Fragen der Taliban-Soldaten konfrontiert zu werden. Außerdem muss sie als kleines Mädchen nur einen Tschador tragen, einen langen Schal, der zwar den Kopf und einen Großteil des Gesichtes bedeckt, aber ihr Blickfeld nicht zu sehr einschränkt. Parvanas Mutter und die große Schwester Nooria hingegen tragen Burkas, bodenlange, zeltartige Gewänder, deren schmaler Augenschlitz – ihr einziges Fenster zu Welt – mit einem Gitter versehen ist. Während Parvana mit ihrem Vater durch die zerbombte Stadt über Straßen mit tiefen Löchern und Steintrümmern läuft, fragt sie: „Wie können Frauen in ihren Burkas auf diesen Straßen gehen? Wie können sie sehen, wo sie hinsteigen?” „Sie fallen oft”, antwortet der Vater. Er hatte Recht. Parvana hatte oft Frauen stürzen sehen.
Die kanadische Schriftstellerin und Psychotherapeutin Deborah Ellis verbrachte viele Monate in afghanischen Flüchtlingslagern in Pakistan und Russland, bevor sie das Jugendbuch „Die Sonne im Gesicht” schrieb. Vor allem in einem Camp bei Peshawar, in dem mehr als eine Million Afghanen Zuflucht gesucht haben, sprach sie mit hunderten von Frauen und Mädchen über ihre Situation in dem Bürgerkriegsland, das die radikalislamische Taliban-Miliz seit 1996 zu weiten Teilen unter ihre Herrschaft gebracht hat.
Frauen ist die Berufstätigkeit untersagt, den Mädchen der Schulbesuch, auch Musik, Kino, Fotografieren und die meisten Arten von Unterhaltung sind verboten. Deborah Ellis traf die Mutter und Schwester eines Mädchens, das eine ähnliche Geschichte erlebt hat wie Parvana, die Protagonistin des Romans. Sie schnitt sich die Haare ab und verkleidete sich als Junge, um mit kleinen Jobs ihre Familie zu ernähren. Die Autorin berichtet: „Ich habe von vielen Mädchen gehört, die das so machen. Ihre Väter oder Brüder wurden umgebracht oder verhaftet, und sie gehen unter großen Risiken auf die Straße, um Geld zu verdienen.”
Die fiktive Romanfigur Parvana lebt mit ihren Eltern, zwei Schwestern und einem kleinen Bruder in Kabul. Das Leben der gebildeten und einst wohlhabenden Familie hat sich grundlegend verändert, seit die Taliban an der Macht sind. Die Familie haust in einem winzigen Raum im dritten Stock eines halb zerbombten Hauses. Die Stufen laufen im Zickzack an der Außenmauer hinauf. Teilweise ist die Stiege zerstört, manche Stufen sind verschoben. Für die Mutter und Schwester wäre es in ihren sichteinschränkenden Burkas lebensgefährlich, Wassereimer vom einzigen Haupthahn im Erdgeschoss des Gebäudes die halb zertrümmerte Treppe hochzuschleppen. Auch die fünfjährige Schwester Maryam kann das nicht schaffen. Ihre Muskulatur ist stark zurückgebildet, weil sie sich seit eineinhalb Jahren nur in den eigenen vier Wänden bewegen durfte. Da der gehbehinderte Vater jeden Tag, gestützt auf Parvana, zum Markt läuft und dort für Fremde Briefe liest und beantwortet, können die Mutter und Schwestern mangels männlicher Begleitung die Wohnung nicht verlassen.
Schwarze Fenster
Gemäß der Taliban-Verordnungen sind die Fenster des kleinen Zimmers schwarz gestrichen, damit kein Mann je eine fremde Frau zu Gesicht bekommt. Nur ein einziges, kleines Fenster ganz oben unter Decke lässt noch Sonne herein. Die Frauen und Kinder drängen sich jeden Tag in dem schmalen Lichtstrahl, bis er wieder verschwindet. Als Parvanas Vater plötzlich verhaftet wird, weil er in England studiert hatte und „ausländische Ideen” mitgebracht haben soll, verliert die Familie ihre Existenzgrundlage. Und so reift die Idee, Parvana in Jungenkleider zu stecken.
Deborah Ellis integriert in die spannende Rahmenhandlung Fakten über die brutale Gegenwart in Afghanistan. Dabei prangert die Autorin nicht die religiöse Ideologie der Taliban an; vielmehr beschreibt sie die Lebensumstände in einem frauenfeindlichen Regime. Indem sie sich auf das Leben einer Familie, auf das Schicksal eines Mädchens konzentriert, deren Abenteuer schildert und hie und da auch komische Situationen einflicht, macht sie den harten Stoff tauglich für ein Jugendbuch.
So zum Beispiel, wenn sie von Schulproblemen erzählt, die sich wohl in keinem Land unterscheiden: „Die Taliban waren Afghanen und sie hatten sehr bestimmende, eindeutige Vorstellungen, wie die Dinge laufen sollten. Als sie Kabul erobert hatten und allen Mädchen verboten, zur Schule zu gehen, war Parvana im ersten Moment nicht allzu traurig gewesen. Ihr drohte gerade eine Mathematikschularbeit, für die sie nichts gelernt hatte, und außerdem hatte sie wieder einmal Schwierigkeiten, weil sie während der Stunde ständig schwätzte. Der Lehrer hatte einen Beschwerdebrief an ihre Mutter schicken wollen, aber die Taliban waren zuvorgekommen.”
Der Wiener Verlag Jungbrunnen hat das Buch für Jugendliche ab zehn Jahren herausgegeben. Landkarten zeigen, wo Afghanistan liegt, im Glossar werden Wörter wie Burka, Landmine oder Taliban verständlich erklärt. Ein kurzer Geschichtsabriss beschreibt, wie es in dem Land zur „humanitären Katastrophe”, wie es die Vereinten Nationen bezeichnen, kommen konnte. Nach Angaben der Organisation stellen Afghanen die größte Flüchtlingsgruppe weltweit. Auf knapp vier Millionen Menschen wird die Zahl der ins Ausland geflüchteten Afghanen geschätzt, das ist etwa ein Sechstel der Bevölkerung.
Auch der Roman „Die Sonne im Gesicht” endet mit einem Exodus. Verwandte, Bekannte sowie Parvana und ihre beste Freundin, mit der sie als Tee- Junge verkleidet in Kabul Abenteuer erlebt hatte, aber auch Exekutionen mitansehen musste, verlassen das Land. Irgendwann wollen sich die beiden Freundinnen wiedertreffen. Am ersten Frühlingstag, in zwanzig Jahren, auf dem Eiffelturm in Paris.
ULRIKE HEIDENREICH
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.12.2001

Der Junge, der ein Mädchen war
Deborah Ellis' spannende Afghanistan-Erzählung

Parvana sieht viel, wenn sie den ganzen Tag auf ihrer Decke am Marktstand ihres Vaters sitzt. Zwar muß sie sich unauffällig verhalten - die Taliban werden schnell böse, wenn sie ein Mädchen in der Öffentlichkeit sehen -, und bequem ist es nicht, stundenlang dort zu kauern. Aber es ist besser als den ganzen Tag im dunklen Zimmer zu hocken wie ihre Mutter und die Geschwister. Mit ihren elf Jahren darf Parvana sich noch halbwegs frei draußen bewegen. Wenn sie nicht gebraucht würde, müßte sie trotzdem zu Hause bleiben. Aber der Vater hat im Krieg ein Bein verloren und die Prothese längst verkauft; er braucht Parvanas Hilfe, um zum Markt zu kommen, wo er Briefe vorliest. In letzter Zeit tauchen auf dem Markt von Kabul immer mehr Prothesen auf. Die Männer nehmen sie ihren Frauen weg - wer nicht ausgehen kann, braucht auch kein falsches Bein, sagen sie. Viel nötiger ist das Geld, das eine Prothese einbringt. So liegen sie auf den Marktständen von Kabul und offenbaren auf makabre Weise das Maß, in dem die Frauen Afghanistans ihre Bewegungsfreiheit verlieren.

Es sind die Alltagsbilder, die Deborah Ellis' Jugendbuch über ein afghanisches Mädchen so eindrucksvoll und glaubwürdig machen. Geschrieben wurde die Geschichte natürlich vor den aktuellen Ereignissen. Die Kanadierin Deborah Ellis hat in pakistanischen Flüchtlingslagern gearbeitet und dort viele Kinder interviewt. Aus den Einzelschicksalen hat sie Parvanas Geschichte herausdestilliert. Die Aufmerksamkeit, die das Buch nun aufgrund der Weltlage erfährt, hat es voll und ganz verdient, sieht man einmal von der etwas ungelenken Übersetzung ab. Man wird kaum einen anderen Text finden, der so aufschlußreich und lebendig vom Leben der afghanischen Kinder unter dem Taliban-Regime erzählt.

Schon die Alltagserlebnisse des Mädchens aus Kabul gäben Stoff genug für ein interessantes Buch. Aber eine dramatische, temporeiche Geschichte wird daraus, als Parvanas Vater von den Taliban verhaftet wird. Plötzlich ist Parvana der Mann im Haus - ganz wörtlich, denn sie verkleidet sich als Junge, um den Vater auf dem Markt zu ersetzen. Ihre Haare werden kurz geschnitten, und zum ersten Mal geht sie ohne Kopfbedeckung auf die Straße, kann das Gesicht in die Sonne halten. Mehr und mehr erobert sie sich eine Umwelt, die sie bisher kaum kannte. Als dann noch eine frühere Klassenkameradin auftaucht, die ebenfalls als Junge Geld verdient, macht den beiden Mädchen das ungewohnt freie Leben manchmal richtig Spaß. Aber sie sehen auch grauenhafte Dinge mit an.

Eine Zeitlang, vor den siebziger Jahren, waren Geschichten bei uns beliebt, in denen Mädchen in Jungenrollen schlüpften. Es war ein reizvolles Spiel, das in der Regel mit der Entlarvung und gnädigen Aufnahme des Mädchens als guter Kumpel in die Jungenclique endete. Auch in Parvanas Geschichte genießt man das heimliche Wissen, die Ahnungslosigkeit der anderen, den Zuwachs an Freiheit. Zugleich wird auf beklemmende Weise klar, was dieses "Spiel" für ein Kind bedeutet, das damit seine Leute ernährt und sein Leben in Gefahr bringt. Man ahnt, es wird viele Mädchen geben, die so etwas getan haben.

"Vielleicht sollte jemand eine riesige Bombe auf dieses Land werfen, dann können wir ganz von vorne anfangen", sagt Parvanas Freundin am Ende, als hätte sie geahnt, was passieren würde. Ob der Neuanfang aber auch wirklich einer für die Frauen und Mädchen sein wird? Die Kinder, die dieses Buch gelesen haben, werden danach die Nachrichten aus Afghanistan aufmerksamer verfolgen und auch darauf achten.

MONIKA OSBERGHAUS

Deborah Ellis: "Die Sonne im Gesicht". Aus dem kanadischen Englisch übersetzt von Anna Melach. Jungbrunnen Verlag, Wien 2001. 126 S., geb., 25,80 DM. Ab 12 J.

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