Die Oktoberrevolution 1917 in Russland war nicht das Ergebnis eines Putschs einer hochdisziplinierten und autoritär geführten Partei, wie es viele Jahrzehnte in der Geschichtswissenschaft dargestellt wurde. Der amerikanische Historiker Alexander Rabinowitch zeigt in seiner glänzenden Studie, dass die engen Beziehungen der Bolschewiki zu den Arbeiter- und Soldatenmassen und die Unterstützung, die sie in den Betrieben gewonnen hatten, die entscheidenden Faktoren für ihren Sieg im Oktober waren. Detailreich schildert Rabinowitch die Entwicklung von den 'Juli-Tagen' bis zum Oktoberaufstand 1917 in Petrograd (St. Petersburg).»Doch die Erwartung, dass der Zugang zu den Archiven und das Ende der Sowjetära eine Lawine an relevanten wissenschaftlichen Forschungen und Schriften russischer Historiker über die Revolution auslösen würde, erfüllte sich, von wenigen wichtigen Ausnahmen abgesehen, nicht. Stattdessen wurde die grundlegende Forschungsarbeit im postsowjetischen Russland dadurch beeinträchtigt, dass dieses Thema nach wie vor in hohem Maße mit politischen Interessen behaftet ist. Dem russischen Publikum wurden im Großen und Ganzen keine neuen wissenschaftlichen Forschungen geschenkt, sondern es wurde mit halb-fiktionalen, sensationsheischenden "Enthüllungen" über bolschewistische Führer und den Bolschewismus aus der Feder von Journalisten und Trivialliteratur-Autoren traktiert.Konservativen westlichen Historikern wie Richard Pipes diente der Bankrott des Sowjetsystems gleichzeitig als Beleg dafür, dass es von Anfang an der Legitimation entbehrt hätte. 1976 schrieb Pipes in einem Essay für die New York Times, in dem er auch The Bolsheviks Come to Power streifte (dem er bis dahin noch keine besondere Bedeutung beigemessen hatte), es sei "ein wissenschaftliches Werk, das sich auf sorgfältige Forschung stützt". "Der Autor kommt zu dem Schluss (zu Recht, wie ich meine), dass ein Hauptgrund für den Erfolg der Bolschewiki in ihrer politischen Flexibilität lag, dank derer sie auf schnelle Veränderungen in der Stimmung der Massen reagieren konnten." Pipes fügte hinzu, "das Buch bietet eine außerordentlich umfassende Darstellung von Strategie und Taktik der Bolschewiki in der Hauptstadt zwischen Juli und Oktober, gleichzeitig nimmt es aber keine bedeutenden Korrekturen an der im Westen vorherrschenden Meinung darüber vor, wie die Machteroberung bewerkstelligt wurde und weshalb sie erfolgreich war." 29 Doch 25 Jahre später, mitten im amerikanischen Triumphgeschrei über das Ende der Sowjetunion, beeilte sich Pipes, in einem Artikel mit dem Titel "1917 and the Revisionists", mit Historikern wie mir abzurechnen. Dieser Artikel erschien neben anderen in einer Sondernummer des konservativen Magazins The National Interest über die "Sünden der Wissenschaftler", die eine "Autopsie" des "merkwürdig zu Tode gekommenen sowjetischen Kommunismus" versprachen. Der Essay nannte mich den "Häuptling der Revisionisten", und revisionistische Werke wie The Bolsheviks Come to Power waren ihm zufolge "nur ein Aufguss der Interpretationen, die die Kommunistische Partei der Zunft der sowjetischen Historiker aufzwang".30 Doch die allgemeine Triumphstimmung führte nicht, wie Pipes zuversichtlich gehofft hatte, zur Ablehnung des "Revisionismus" oder zu neuen Forschungen in den Archiven, um den traditionellen "Konsens" zu stützen. Von wenigen wichtigen Ausnahmen abgesehen, die allerdings keine Zurückweisung der "Revisionisten" beinhalteten, wandten sich westliche Russland-Historiker der Erforschung wichtiger "weißer Flecken" wie der Stalin-Ära zu, die nun zum ersten Mal fundiert erforscht werden konnten.Als die erste Auflage von The Bolsheviks Come to Power erschien, war das Schicksal vieler Petrograder Bolschewiki, die in meinem Buch eine bedeutende Rolle spielen, noch ungeklärt. Dies ist nicht länger der Fall. Einige starben im Kampf ums Überleben während des Bürgerkriegs. Zu ihnen gehören W. Wolodarski und M. Urizki (beide Opfer von Terroranschlägen in Petrograd)
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