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Produktdetails
  • Verlag: Oldenbourg
  • ISBN-13: 9783486561791
  • ISBN-10: 3486561790
  • Artikelnr.: 09648792
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Der in der Reihe "Grundriss der Geschichte" erschienene Band des Göttinger Osteuropa-Historikers Manfred Hildermeier ist von hoher Qualität, findet Rezensent Hans Hecker. Der Autor habe eine "behutsame und reflektierende Art", die Entwicklungslinien der Sowjetunion und die Forschungstendenzen nachzuzeichnen, ohne seine eigene Meinung dabei durchscheinen zu lassen. Der Band sei folgendermaßen konzipiert: In einem ersten Teil gibt er einen Überblick über die Entwicklung der Epoche, der zweite Teil ist den Grundproblemen der Forschung gewidmet. Das einzige, was der Leser vermissen könne, sei die detaillierte Darstellung der Außenpolitik der Sowjetunion während des zweiten Weltkriegs. Der Band sei so gut gemacht, dass er abgesehen von den Lehrenden und Studierenden des Faches Geschichte, auch für sonstige "lese- und denkwillige Interessenten" geeignet sei, lobt Hecker.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.11.2001

Nicht alles ließ sich steuern
Manfred Hildermeiers Grundriß der sowjetischen Geschichte

Manfred Hildermeier: Die Sowjetunion 1917-1991. R. Oldenbourg Verlag, München 2001. 238 Seiten, 48,50 Mark.

Die sowjetische Ära ist eine abgeschlossene Epoche der russischen Geschichte. Daß die kommunistische Einparteienherrschaft in Rußland noch einmal installiert werden könnte, verliert indem Maße an Wahrscheinlichkeit, in dem diejenigen in Rußland, die daran ein Interesse haben könnten, weiter dahinschwinden und indem die demokratischen Verfassungsstrukturen, vor allem die Parlaments- und Präsidentenwahlen, sich in der Praxis bewähren.

Wohin aber Präsident Putin, der homo novus, den der gewandelte Kommunist Jelzin wie das Kaninchen aus dem Hut zauberte, das riesige Land führen wird, läßt sich immer noch nicht klar ausmachen. Was es wirklich zu bedeuten hat, daß Putin, "von der geballten Macht des Präsidenten und den Medien unterstützt, getragen von einer Woge nationaler, durch einen neuerlichen Krieg gegen das abtrünnige Tschetschenien geschürter Emotionen" seine Präsidentschaft in freien Wahlen bestätigen zu lassen vermochte, kann man eher vermuten, als mit Gewißheit feststellen. Der Göttinger Osteuropa-Historiker läßt sich, wie nicht anders zu erwarten, auf Spekulationen nicht ein. Vielmehr führt er den Leser in der behutsamen und reflektierenden Art, die schon seine große "Geschichte der Sowjetunion 1917-1991" (München 1998) auszeichnete, in die Probleme und Entwicklungslinien der Sowjetunion ein und durch ihre Geschichte hindurch. Hildermeier erläutert die wesentlichen Tendenzen und Einschätzungen der Forschung, ohne dem Leser seine eigene Meinung aufzudrängen.

Es geht hier um die Epoche, in der Rußland mit seinem Versuch, Sozialismus als politisch-soziales System zu etablieren, seinen Aufstieg zur Weltmacht nahm. Die tieferen Ursachen für den gewaltsamen Anfang und das lautlose Ende dieser Epoche ähneln sich in sozialgeschichtlicher Hinsicht: Im Zarenreich wie in der Sowjetunion stimmten, abgesehen von allen Unterschieden im einzelnen, die staatlich-politische und die gesellschaftlich-wirtschaftliche Entwicklung nicht mehr überein. Der Staat hielt nicht mehr mit der Gesellschaft Schritt.

Der überraschend schnell und nahezu komplikationsfrei vollendete Zusammenbruch der Sowjetunion hatte sich in einer langen, wenn auch in ihrer Schwere und Endgültigkeit von niemandem wirklich erkannten Agonie vorbereitet. Auch hier trat der so evidente wie problematische Zusammenhang zwischen objektiven und subjektiven Faktoren in Erscheinung, auf den der Historiker ständig stößt, ohne ihn indessen zweifelsfrei klären zu können. Den von Gorbatschow und seiner Führung in Gang gesetzten "Perestrojka"-Reformen und ihrem Scheitern lagen sowohl die Erkenntnis von der Notwendigkeit grundlegender Reformen als auch die Einsicht zugrunde, nicht alles steuern zu können, sondern "der Geschichte" die weitere Entwicklung überlassen zu sollen. Was sich für die Sowjetunion als ein allzu optimistischer Glaube an deren Stabilität und Reformfähigkeit herausstellte, erwies sich für die Deutschen als Glücksfall, denn auch die Aufhebung der deutschen Zweistaatlichkeit sah man in Moskau als geschichtlich zwangsläufig an.

Der Konzeption der Reihe "Grundriß der Geschichte" entsprechend, gibt der Verfasser im ersten Teil einen problemorientierten Überblick über den Verlauf der Epoche, im zweiten Teil erörtert er die Grundprobleme und Tendenzen der Forschung. Dabei widmet er seine hauptsächliche Aufmerksamkeit der inneren Entwicklung, deren umstrittene Themen er übersichtlich darlegt und deren Komplexität und wissenschaftliche Problematik er transparent werden läßt. So erörtert er beispielsweise die Frage nach den Ursachen, Intentionen und Wirkungen des Terrors, dessen Ausmaß noch immer nicht genau erkennbar ist, so souverän wie einfühlsam. Innerhalb der weniger berücksichtigten Außenpolitik dürfte die Nachzeichnung der Debatte um den deutsch-sowjetischen Weltkrieg, um die Präventivkriegsfrage, auf besonderes Interesse stoßen. Die Ablehnung der populären These, Hitler sei mit seinem Angriff Stalin nur zuvorgekommen, fällt so eindeutig wie differenziert aus. Der an der "Außenpolitik" der Partei, an den Beziehungen der KPdSU zu den kommunistischen und sozialistischen Parteien sowie zu den Befreiungsbewegungen in aller Welt interessierte Leser wird jedoch keine befriedigende Antwort finden.

Der Verfasser hat seine Zielgruppe genau im Blick, Lehrer und Studierende des Faches Geschichte, die man jedoch ohne weiteres auf lese- und denkwillige Interessenten erweitern kann. Zentrale Bedeutung kommt dabei der Aufgabe zu, die riesige Fülle an Literatur zu gliedern und anhand einer überschaubaren Zahl von Namen die wesentlichen Richtungen und Wege der Forschung zu markieren. Die auffällige Dominanz der englischsprachigen Titel gegenüber den deutschen spiegelt zum guten Teil die Forschungslage wider. Tabellen oder Abbildungen gibt es nicht, die im Anhang abgedruckte Karte stellt eine Herausforderung an die Seh- und Orientierungsfähigkeit des Betrachters dar. Hier sollte der Verlag dem Band eine Ausstattung gewähren, die der Qualität des Textes entspricht.

HANS HECKER

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