Hier geht's zur vollständigen Rezension: gassenhauertelegraf.wordpress.com/2018/03/25/die-spieluhr
Wenn ich überhaupt eine Erwartung an dieses Buch hatte, dann war es die der angepriesenen Sprachgewalt und derem Sehnen nach „Schönheit, Kultiviertheit [und] altem Glanz“, wie sie die Süddeutsche
Zeitung beschrieb. Und in der Tat verliert man sich nur allzu leicht in Tukurs wunderbar altmodischem…mehrHier geht's zur vollständigen Rezension: gassenhauertelegraf.wordpress.com/2018/03/25/die-spieluhr
Wenn ich überhaupt eine Erwartung an dieses Buch hatte, dann war es die der angepriesenen Sprachgewalt und derem Sehnen nach „Schönheit, Kultiviertheit [und] altem Glanz“, wie sie die Süddeutsche Zeitung beschrieb. Und in der Tat verliert man sich nur allzu leicht in Tukurs wunderbar altmodischem Schreibstil, der eine ganz eigene verstaubte, mystische und märchenhafte Stimmung zu erzeugen vermag. Tatsächlich gestaltete sich die Sprache derart überzeugend, dass mir erst nach der Hälfte der Novelle und einigen logisch-zeitlichen Irritationen mein Fehler auffiel: die Handlung gedanklich in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts zu verfrachten anstatt in die heutige Zeit…
Doch worum geht es eigentlich? So einfach wie die Frage ist, so schwierig gestaltet sich deren Antwort. Denn als ich die letzte Seite verschlungen und das Büchlein kurz darauf zugeklappt hatte, war mein erster Gedanke „Was habe ich da gerade eigentlich gelesen?“ Dennoch will ich versuchen, euch die Rahmenbedingungen zu schildern, ohne zu viel vorwegzunehmen: Während der Dreharbeiten zur Geschichte der Dienstmagd Séraphine Louis, welche vom Kunstsammler Wilhelm Uhde entdeckt wurde und bald darauf zu einer berühmten Malerin aufstieg, verschwindet der Filmassistent Jean-Luc spurlos. Schon kurze Zeit darauf taucht er vollkommen durcheinander wieder auf und berichtet von seiner Suche nach einem passendem Drehort und den unglaublichen Erlebnissen, derer er Zeuge wurde. Als Wochen später ein Unglück geschieht und unser Protagonist einen sonderbaren Brief von Jean-Luc erhält, beschließt er, dessen wirren Beschreibungen aus der Vergangenheit auf den Grund zu sehen und sieht sich bald selbst den wundersamen Gestalten und Orten jener Geschichte gegenüber, unsicher was Fantasie und was Wirklichkeit ist…
Die Raffinesse der Novelle offenbart sich in dem Wissen um die Tatsache, dass Tukur vor einigen Jahren selbst im Film „Séraphine“ die Hauptrolle des Wilhelm Uhde übernahm. Indem er sein Werk nun mit den Worten „nach einer wahren Begebenheit“ einleitet und den Protagonisten namenlos lässt, erzählt er eine Geschichte, in der Realität und Fiktion bis zur Unkenntlichkeit zerfließen, kann man die enthaltenen phantastischen Elemente doch schwerlich wahren Geschehnissen zuordnen.
Wie bereits angedeutet lässt einen die Erzählung etwas ratlos zurück, verzichtet zum Großteil darauf, die verbleibenden losen Fäden zu verknüpfen und überlässt es dem Leser, sich einen Reim darauf zu machen. Insbesondere zu Beginn bedarf die Geschichte eines gewissen Maßes an Geduld, da es schwerfällt, die Zusammenhänge verschiedener Ereignisse auszumachen oder sie schlicht zu vermuten; die Szenen regnen gewissermaßen auf einen hinab und machen es nahezu unmöglich, wichtiges von unwichtigem zu trennen. Doch wenn man sich auf den verworrenen und wankelmütigen Charakter des Werkes einlässt und nicht nach Logik sucht, erwartet einen eine spannende, phantastische Erzählung, die mich als glühenden Fan desselben durchaus an die Werke E.T.A. Hoffmanns erinnerte…