In seinen Pinselnotizen, einer traditionsreichen Gattung der chinesischen Literatur, vermittelt Yang Mu seine weiten Einsichten als Wanderer zwischen den Kulturen. Die zwölf Prosastücke entstammen verschiedenen Essaysammlungen und unterschiedlichen Lebensphasen und schlagen einen biographisch-geographischen Bogen von der Kindheit in Taiwan bis in das neue Zuhause an der amerikanischen Pazifikküste. Die wechselnden Lebensmittelpunkte Yang Mus - Taiwan, Hongkong und Seattle - spiegeln sich in seinen Texten und erschließen eine exotische Welt, an die man dennoch mit eigenen Erfahrungen anknüpfen kann. Die auf der Bruchlinie zwischen Literatur und Leben angesiedelten Betrachtungen können Reisenotiz oder Werkkommentar sein und verdichten beiläufige Beobachtungen zu tiefen Erkenntnissen. Oft sind es Tiere, deren Wahrnehmung den Dichter zu grundsätzlichen Überlegungen anregen, wie etwa das Silberfischen, der Kojote, die Steppenwölfe oder eine Schildlaus. Kindliche Neugier und menschliche Zuwendung sind es, die Yang Mu in den noch so belanglosen Kleinigkeiten seine Inspiration finden lassen. Die Kunst des Beiläufigen, wie sie in den Pinselnotizen gepflegt wird, zeigt sich auch in Betrachtungen über das Wetter und häusliche Verrichtungen, die er durch geschickt gewählte intertextuelle Bezüge in einen größeren Zusammenhang stellt und so die Banalität des Alltags überwindet. Yang Mu ist Taiwans bedeutendster Dichter. Seine poetische Stimme, die in der chinesischen Tradition ebenso zu Hause ist, wie in der westlichen Romantik und Moderne, bereichert die zeitgenössische chinesische Literatur um einen ganz eigenen Tonfall, der sich der gängigen Dichotomie zwischen literarischem Mainstream und dissidentischer Anklage entzieht.
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Yang Mu ist der heute wohl bekannteste Dichter Taiwans, weiß Rupprecht Mayer. Mit den "Pinselnotizen" in "Die Spinne, das Silberfischchen und ich", einer Sammlung von zwölf kleinen Texten, hat das Übersetzer-Duo Susanne Hornfeck und Wang Jue jetzt einen weiteren wichtigen Beitrag geleistet, die Literatur Taiwans zugänglich zu machen, lobt der Rezensent. Yang Mu besinnt sich in den Texten auf seine frühe Kindheit, in der amerikanische Flugzeuge noch japanische Truppen in Taiwan angriffen, er reflektiert über den Ursprung von Kunst und Poesie, er dichtet und erzählt, berichtet Mayer, der tief beeindruckt ist von dem sehr lesbaren Deutsch, das die Übersetzerinnen der assoziativen Sprache Yang Mus abgerungen haben.
© Perlentaucher Medien GmbH
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