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EINE VIELSTIMMIGE, SINNLICHE HOMMAGE AN DAS VIBRIERENDE ISTANBUL
Die junge Amerikanerin Lee, unruhig, frisch getrennt, reist auf der Suche nach der Vergangenheit ihrer Großmutter nach Istanbul. Helene Bischoff hatte sich als deutsche Jüdin in den 30er Jahren vor der Verfolgung durch das NS-Regime dorthin gerettet. Damals bot Kemal Atatürk großzügig Juden Asyl in der Türkei, er hatte vor allem Intellektuelle, Ingenieure, Ärzte und Juristen im Blick, die mithelfen sollten, die radikale Modernisierung der Türkei voranzutreiben.
Lee entdeckt in Istanbul, dieser geschichtsträchtigen und
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Produktbeschreibung
EINE VIELSTIMMIGE, SINNLICHE HOMMAGE AN DAS VIBRIERENDE ISTANBUL

Die junge Amerikanerin Lee, unruhig, frisch getrennt, reist auf der Suche nach der Vergangenheit ihrer Großmutter nach Istanbul. Helene Bischoff hatte sich als deutsche Jüdin in den 30er Jahren vor der Verfolgung durch das NS-Regime dorthin gerettet. Damals bot Kemal Atatürk großzügig Juden Asyl in der Türkei, er hatte vor allem Intellektuelle, Ingenieure, Ärzte und Juristen im Blick, die mithelfen sollten, die radikale Modernisierung der Türkei voranzutreiben.

Lee entdeckt in Istanbul, dieser geschichtsträchtigen und überbordenden Megacity zwischen Orient und Okzident, dass der ehemalige Weggefährte und zeitweilige Geliebte ihrer Großmutter, der Journalist und Agent Georg Naumann, immer noch lebt, weit über hundert Jahre alt. Was verbindet ihn mit Helene und vielleicht sogar mit ihr, Lee? In diesem spannenden, facettenreichen Roman erleben wir die Gewalt der Geschichte, die Macht der Liebe und Istanbul als Labyrinth und Rettung. Kenntnisreich und sinnlich - der neue, große Roman von Matthias Göritz.

Die Geschichte einer jungen Amerikanerin auf den Spuren ihrer aus Deutschland geflohenen jüdischen Großmutter in Istanbul
Ein großer, ein Jahrhundert umspannender Istanbul-Roman Kann Nicht-Zugehörigkeit auch eine Lösung sein?
Autorenporträt
Matthias Göritz lebt in St. Louis, wo er an der Washington University lehrt. Er ist Lyriker, Übersetzer und Theaterautor und veröffentlichte die Romane "Der kurze Traum des Jakob Voss" (2005), bei C.H.Beck "Träumer und Sünder" (2013) und "Parker" (2018) und zuletzt u.a. den Gedichtband "Spools" (2021). Er erhielt den Mara-Cassens-Preis, den William H. Gass Award und den International Pretnar Award.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Dlf Kultur-Rezension

Ein "literarisches Energiebündel" hat Matthias Göritz hier vorgelegt, freut sich Rezensent Ingo Arend. Der Roman überzeugt ihn mit einer Mischung aus der spannenden Identitätssuche seiner Protagonistin, intellektuellen Reflexionen und seinem kunstvollen Zusammenspiel aus Geschichte und Fiktion. Die junge Amerikanerin Lee sucht in Istanbul nach der großen Liebe ihrer jüdischen Großmutter und trifft auf den über hundertjährigen Georg Naumann, der die Regierungszeit Mustafa Kemal Atatürks noch miterlebt hat, in die der Leser mittels Rückblenden eintaucht, lesen wir. Damit rücken auch essenzielle Fragen über "Sprache als Zentrum einer Nation" in den Fokus, so der Kritiker, denn Atatürk war überzeugt von der Idee der "Sonnensprache", die das Türkische als "Urgrund der Zivilisation" verstand.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.05.2023

Überall ist Heimat und Hüzün
In Matthias Göritz' Roman "Sprache der Sonne" sucht eine Studentin in Istanbul nach ihren Wurzeln

Man weiß nie, wann eine Geschichte anfängt. Ob mit der Geburt, mit einer Bekanntschaft, dem ersten Verliebtsein oder dem neuesten. Mit einer Heirat. Einer Trennung. Einem Trauma oder einem Neubeginn. Oder einer Erkenntnis. Oder doch schon viel früher, wie es uns heute die Epigenetik wissen lässt, weil das Buch des Lebens bereits vor allem Sprechen und Handeln in der jeweiligen Person angelegt ist, von den Vorfahren mitgeschrieben wurde und dass dann erst Umfeld und Bildung, Neugier oder Stumpfheit, Entschiedenheit oder Lethargie bestimmen, auf welchen Seiten es darin blättert; was sie liest und was nicht.

In der Literatur ist der Familienroman, in dem diese Fragen gestellt werden, ein Genre, das in der deutschsprachigen Literatur zu Beginn des 21. Jahrhunderts mit einer Flut von Neuerscheinungen auf sich aufmerksam machte: Während die Zeitzeugen älter wurden und starben, beschäftigen die Enkel sich mit den generationenübergreifenden Nachwirkungen der Täter und Opfergeschichten der NS-Zeit, oft autobiographisch und getrieben vom diffusen Gefühl, damit auch Einflüssen und Übertragungen auf sich selbst nachzuspüren.

Es ist nicht ganz fair, "Die Sprache der Sonne", den neuen Roman des 1969 in Hamburg geborenen, im amerikanischen St. Louis lebenden Schriftstellers Matthias Göritz, lediglich als Familienroman zu lesen, denn Göritz sprengt die Genregrenzen und öffnet den Roman hin zu anderen gesellschaftlichen, kulturellen und historischen Themen. Er funktioniert aber auch auf der Ebene hervorragend. Anhand der Geschichte der Studentin Lee, die nach ihren Wurzeln sucht, fächert der Autor die Leben dreier Generationen intellektueller Frauen in den USA, Deutschland und der Türkei schillernd und einprägsam auf.

Das Buch beginnt im Januar 2016 mit Lees Abreise aus Berlin. Die vorwiegend in Amerika aufgewachsene Studentin packt ihre Koffer, um nicht nur das Land zu verlassen, sondern auch ihren türkischen Freund Ayaz, der darüber, wenig elegant, per Sprachnachricht informiert wird. In Lees überschaubarem Gepäck befinden sich die Tagebücher ihrer Großmutter Helene, die in den Dreißigerjahren aufgrund ihrer - für sie selbst bisher kaum relevanten - jüdischen "Rassenzugehörigkeit" vor dem NS-Regime nach Istanbul fliehen musste. Diese Aufzeichnungen sind es auch gewesen, die Lee zu ihrem Dissertationsvorhaben über das Leben der deutschen jüdischen Auswanderer in Istanbul motiviert haben. Was Lees inneren Motor aber zuvorderst antreibt, sind die Leerstellen in den Tagebüchern, die herausgerissenen Seiten, die auf den von der jungen Helene intensiv geschilderten Anfang ihrer unerwarteten großen Liebesgeschichte folgen.

Der Geliebte wird niemals wieder erwähnt, auch kein Mann danach scheint eine solche Rolle im Leben der Großmutter gespielt zu haben. Lee kann nicht akzeptieren, dass jemand, der so viel Raum in Helenes Gedanken eingenommen hatte und der - das kommt noch hinzu - ihr Großvater sein könnte, sich plötzlich in Luft aufgelöst haben soll, ohne dass sie den Grund dafür kennt.

Nein, so funktionieren Erzählungen nicht, das verletzt jedes Narrativ. Zumal sich die Geschichte eine Generation später noch einmal zu wiederholen scheint. Auch Lees Mutter, alleinerziehend mit ihrer Tochter ein nomadenhaftes Leben führend, das geprägt ist von vielen Dozenturen an verschiedenen amerikanischen Universitäten, hat sich bis zu ihrem frühen Tod über Lees Vater ausgeschwiegen.

Lee ist im Tagebuch häufiger auf den Namen Georg Naumann gestoßen, und ihre Recherche hat ergeben, dass der inzwischen hundertsechzehn Jahre alte Mann als einer der letzten Zeugen der Zeit immer noch in Istanbul lebt. Ebenfalls jüdischer Herkunft, war er einige Jahre vor Helene ins Istanbuler Exil geflüchtet und hatte dort als Journalist und Redakteur gearbeitet. Er schien ein wichtiger Mensch in Helenes Leben gewesen zu sein, auch wenn ein Zusammenhang mit der Liebesgeschichte sich wegen der Lücken in den Aufzeichnungen Helenes eben nicht wirklich herstellen ließ. Lee will ihn unbedingt treffen.

Das ist der wichtigste Erzählstrang, doch eine ebenso wichtige Rolle spielt fortan die Stadt Istanbul selbst mit ihrer Geschichte und Topographie. Für Heimweh ist die junge Frau viel zu beschäftigt. Wenn sie an Berlin zurückdenkt, dann eigentlich nur, wenn Ayaz ihr wieder einmal siebzehn "Ich vermisse dich"-Nachrichten schickt. Dann überkommt sie eine seltsame melancholische Stimmung, gleichzeitig traurig und glücklich, die sie nicht in Worte fassen kann. "Hüzün" sei das, was sie fühle, wird ihr Georg Naumann später sagen, "diese besondere Melancholie, die nur Weltstädte haben, voller Schichten und Geschichten, wissen Sie".

Naumann, gebrechlich und im Krankenzimmer, ist von Lees Ähnlichkeit mit Helene verblüfft, von ihrer Gesellschaft sofort angetan. Die zarte, unausgesprochen emotionale und intellektuelle Auseinandersetzung, die zwischen Lee und Naumann stattfindet, erinnert an eine ähnliche väterlich-schülerhafte Konversation, wie sie Göritz schon in seinem Roman "Träumer und Sünder" benutzt hatte. Naumann stellt Lee für ihre Uni- Recherche reichhaltiges Material aus den Dreißigern zur Verfügung, das Lee geradezu verschlingt und das den fiktionalen Weg hinein in die zweite Zeitebene des Romans etabliert. Denn der Journalist ist in den Dreißigern vor Ort gewesen, in Istanbul, bei den wichtigen Diskussionen und politischen Kundgebungen, als der damalige Präsident der türkischen Republik, Kemal Atatürk, nach dem Zerfall des Osmanischen Reiches eine nie dagewesene Kultur- und Gesellschaftsmodernisierung seiner Nation voranbringen wollte. Mit Naumann als Protokollant nimmt der Leser an wissenschaftlichen Kongressen teil, als wäre er dabei gewesen. Die titelgebende "Sprache der Sonne" ist eine Anspielung auf die sprachreformerische Aktivität Atatürks, die zwar in ihrer Absurdität romanesk klingt, aber keineswegs von Göritz erfunden worden ist. Es gab in der Tat eine sogenannte Sonnensprachtheorie, die von 1935 an in der Türkei propagiert und in den Jahren 1936 bis 1938 als Staatsdoktrin galt, allerdings nach Atatürks Tod 1938 gleich wieder fallen gelassen wurde.

In dieser heute kaum mehr bekannten und, wenn doch, dann zur Anekdote minimierten Idee der Sonnensprache kann man ein Konzentrat des Romans finden oder eine Art von Höhepunkt: Alles in der Sprache zu vereinen lässt Utopie und Irrsinn ineinanderfallen, ist schlicht unmöglich. Kommunikation und Verstehen sind komplexer als die vermeintlich richtigen Worte. Und vielleicht schwingt da auch ein wenig ein Lebensthema des Autors Göritz mit, der neben dem eigenen Werk als Übersetzer fast fünfzig Bücher aus aller Herren Ländern mitbetreut hat: Sprache, Grenzen und Möglichkeiten auszuloten. Bereits in seinem Roman "Parker" hat Göritz Aspekte des Themas sondiert, ließ dort einen Rhetorikcoach seinen Seminarteilnehmern Tricks und Kniffe, wie mittels Sprache etwas zu erreichen sei, beibringen, während ihm gleichzeitig im wirklichen Leben Slapstickartiges zusetzt und er diesem Ausgeliefertsein kaum Begriffe entgegenzusetzen vermag.

"Die Sprache der Sonne" greift deutlich weiter: Es geht hier um die menschliche Sprache in jedweder Hinsicht, ihre Möglichkeiten und Grenzen, um Sprache zur Verständigung und beim Missverstehen, um übersetzte, protokollierte, erfundene und vereinnahmte Sprache, neue Begriffe und vergessene Theorien. Ob man das Buch nun einen historischen, einen Entwicklungs-, Reise- und Familienroman nennen möchte, ist nicht so entscheidend. Man wünscht dem bemerkenswert intelligenten und unterhaltsamen Roman viele Leser. Gut möglich, dass sich bei einigen, am Schluss, wenn das Buch zu Ende ist, so etwas wie Hüzün einstellt. Zumindest mir ist es so ergangen. SILKE SCHEUERMANN

Matthias Göritz: "Die Sprache der Sonne".

Roman.

Verlag C. H. Beck, München 2023. 331 S., geb., 25,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Der Roman ist vielschichtig. Ein faszinierendes Puzzles aus Zeitgeschichte und moderner Identitätssuche. ... Wer sich für die Türkei interessiert, muss diesen Roman lesen. Ein spannender und auch handwerklich erstklassig gebauter Roman."
Deutschlandfunk Kultur Lesart, Ingo Arend

"Eine packenden Schilderung der zum Teil dramatischen Ereignisse."
Die Rheinpfalz, Gerhild Wissmann

"Eine faszinierend kunstvolle Collage aus Gegenwart und Vergangenheit, Extrakten aus Tagebüchern, Briefauszügen und erinnerten Gesprächen."
Die Rheinpfalz, Gabriele Weingartner

"Mit einer gekonnten Mischung aus Rückblicken, lebhaften Erzählungen und einer vielschichtigen Handlung entsteht so dank Göritz' erzählerischem Talent ein Roman, der sowohl historische Ereignisse als auch persönliche Geschichten auf beeindruckende Weise miteinander verknüpft."
literaturkritik.de, Lena Berg
Ein "literarisches Energiebündel" hat Matthias Göritz hier vorgelegt, freut sich Rezensent Ingo Arend. Der Roman überzeugt ihn mit einer Mischung aus der spannenden Identitätssuche seiner Protagonistin, intellektuellen Reflexionen und seinem kunstvollen Zusammenspiel aus Geschichte und Fiktion. Die junge Amerikanerin Lee sucht in Istanbul nach der großen Liebe ihrer jüdischen Großmutter und trifft auf den über hundertjährigen Georg Naumann, der die Regierungszeit Mustafa Kemal Atatürks noch miterlebt hat, in die der Leser mittels Rückblenden eintaucht, lesen wir. Damit rücken auch essenzielle Fragen über "Sprache als Zentrum einer Nation" in den Fokus, so der Kritiker, denn Atatürk war überzeugt von der Idee der "Sonnensprache", die das Türkische als "Urgrund der Zivilisation" verstand.

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