Bei dem Ingenieur Dudarew meldet sich eine unbekannte Frau. Zunehmend gereizt versucht der Mann die Fremde, die, wie sie betont, extra aus Tiflis angereist ist, abzuschütteln. Es gelingt ihm nicht. Die Frau ist zu hartnäckig. Sie drängt dem Mann eine Sammlung von Briefen auf, damit er sich an einen
ehemaligen Kameraden erinnert.
Anders als die Protagonisten von Patrick Modiano, die sich stets…mehrBei dem Ingenieur Dudarew meldet sich eine unbekannte Frau. Zunehmend gereizt versucht der Mann die Fremde, die, wie sie betont, extra aus Tiflis angereist ist, abzuschütteln. Es gelingt ihm nicht. Die Frau ist zu hartnäckig. Sie drängt dem Mann eine Sammlung von Briefen auf, damit er sich an einen ehemaligen Kameraden erinnert.
Anders als die Protagonisten von Patrick Modiano, die sich stets vorbehaltlos ihren Erinnerungen hingeben, verweigert Dudarew kategorisch, den ohnehin nicht sonderlich belastbaren Faden ins Gestern aufzunehmen. Dudarew kann und will sich nicht erinnern. Zunächst streitet er ab, den Leutnant je gekannt zu haben, dann sträubt er sich, dessen Briefe zu lesen. Nüchtern stellt Dudarew die ungelöste Gretchenfrage jeder Erinnerung: wozu soll das gut sein. Gerade aus dieser harschen Ablehnung des Gedenkens eines Kriegsveteranen der Roten Armee, ein Affront gegenüber dem ruhmreichen Sieg, entfaltet die Novelle ihre fesselnde Sogwirkung.
Die Spur ist sichtbar noch erzählt von Menschen, die sich ganz nahe standen und trotzdem nie zusammenfanden. Obwohl sich die Frau während des Krieges mit dem Leutnant, an den sich Dudarew erinnern soll, eifrig geschrieben hat, war ihr nach dem Krieg nicht vergönnt, ihren einstigen Brieffreund zu treffen.
Granin, der leider erst kurz vor seinem Tod durch Altkanzler Schmidt auch dem westlichen Publikum nahegebracht wurde, beschreibt die Geschichte mit leisen Tönen: die Dramatik der unerhörten Begebenheit spricht für sich und bedarf keinerlei künstliche Aufputschmittel.