1703 macht Zar Peter auf der Haseninsel in der Newa-Mündung den ersten Spatenstich für seine neue Hauptstadt „Pieterburch“ (der Name Sankt Petersburg setzt sich erst später durch). Sie soll an Amsterdam und Venedig erinnern, die einzelnen Stadtteile nur durch Kanäle verbunden sein und auf einem
Schachbrettmuster beruhen – „Vielleicht die erdachteste Stadt der Welt.“ (S. 16).
Sein bester Freund…mehr1703 macht Zar Peter auf der Haseninsel in der Newa-Mündung den ersten Spatenstich für seine neue Hauptstadt „Pieterburch“ (der Name Sankt Petersburg setzt sich erst später durch). Sie soll an Amsterdam und Venedig erinnern, die einzelnen Stadtteile nur durch Kanäle verbunden sein und auf einem Schachbrettmuster beruhen – „Vielleicht die erdachteste Stadt der Welt.“ (S. 16).
Sein bester Freund und Vertrauter Alexander Menschikow findet das verrückt, würde dem Zar aber nie wiedersprechen. Da Peter weiß, dass das in seinen Augen rückständige Russland diese Mammutaufgabe nicht allein stemmen kann, holt er sich Spezialisten aus aller Welt, um von ihnen zu lernen. Die Hauptaufgabe aber, das sumpfige Gelände überhaupt erst bebaubar zu machen und danach Straßen und Häuser hochzuziehen, wird von hunderttausenden Kriegsgefangenen und Leibeigenen bewerkstelligt – in meinen Augen die eigentlichen Erbauer von St. Petersburg.
„Die Stadt des Zaren“ liest sich fast wie ein Abenteueroman, denn es waren Abenteurer, die sich auf die Umsiedlung in den Sumpf und den Aufbau der Stadt einließen. Aus verschiedenen Sichtweisen erzählt Martina Sahler, wie St. Petersburg gegen alle damals gängigen Vorstellungen und den Unwillen der Russen aus dem Sumpf gestampft wurde: „Ich lasse mich von nichts und niemandem aufhalten.“ (S. 306) ist Peters Leitspruch.
Zu den Pionieren der ersten Stunde gehört u.a. die fünfköpfige, ehemals deutsche Arztfamilie von Richard Albrecht. Seine Frau Frieda und die 14jährige Paula sind sofort begeistert, ahnen sie doch noch nicht, wie schwer und entbehrungsreich das Leben auf der Großbaustelle sein wird, dass sie bis zum Umfallen Verletzte und Kranke behandeln werden. Paula hofft gar, einmal Medizin studieren zu können – „Kind, freu Dich an dem, was Du hast, statt nach den Sternen zu greifen.“ (S. 42). Der kleine Gustav will Schiffbauer werden – auch das fördert Peter besonders, denn er plant eine Kriegsflotte – und Helena sehnt sich nach einer eigenen Familie. Verlieben wird sie sich aber ausgerechnet in den Kriegsgefangenen Erik, der wegen ihr zum Mörder wird ...
Erik und die anderen Kriegsgefangenen sind „menschliches Baumaterial“ – unterernährt, kaum bekleidet und häufig verletzt halten sie im Durchschnitt nur 2-3 Monate durch, dann müssen neue ihren Platz einnehmen. Erik überlebt nur, weil er auf eine Rückkehr in die Heimat zu seiner Verlobten hofft.
Auch die jungen italienischen Architektenbrüder Francesco und Matteo versuchen in St. Petersburg ihr Glück. Matteos Motto gilt für viele Hoffnungsvolle: „Was schert mich der Weg, der hinter mir liegt. Alles, was zählt, ist die Zukunft.“ (S. 262)
Fjodor Bogdanowitsch, der General der Leibgarde, hofft auf den Aufstieg. Seine Tochter Ariana soll den Zaren heiraten! Er begreift nicht, dass er für die alte Zeit, das alte Russland steht. Ariana passt überhaupt nicht zu Peters Plänen und Ideen und will ihn auch gar nicht ... Doch „In dieser Stadt schien alles möglich zu sein; sie hatte keine Vergangenheit, nur einen Gegenwart und eine Zukunft.“ (S. 330)
Es gibt natürlich noch viele weiter Protagonisten mit zum Teil sehr bewegenden Schicksalen. Und auch Peters Lebensweg ist wird erzählt. Ein Herrscher zwischen Rückstand und Moderne, der die alten Bärte nicht nur symbolisch abschneiden will und immer wieder gegen seine Feinde in den Krieg ziehen muss.
Martina Sahler hat ihr ein wahres Epos geschaffen, unterhaltsam abenteuerlich und so spannend, dass ich die über 500 Seiten an nur 3 Abenden „inhaliert“ habe. Lediglich das Ende fand ich etwas kurz, da nicht alle Stränge aufgelöst wurden. Ich vermute und hoffe aber, dass die Geschichte weitergehen wird ;-).