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Mirko Kovac erzählt in seinem meisterhaften Epos von einem Landstrich, in dem Sehnsucht ein Lebensgefühl ist. 'Die Stadt im Spiegel' lässt uns an einer wuchtigen Familienchronik teilhaben, die in der Landschaft von Mittelmeerraum und Balkan angesiedelt ist.
Die Hauptfigur des Romans, ein Schriftsteller, schreibt die Erinnerungen seiner Kindheit und Jugend nieder. Sagen, Legenden und Mythen aus weit vergangenen Zeiten holen ihn ein und mit ihm seine ganze Familie. So muss die hässliche Tante immer einen Schleier tragen, so wird der bucklige Onkel zum Vater seines Neffen, und so müssen sich…mehr

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Produktbeschreibung
Mirko Kovac erzählt in seinem meisterhaften Epos von einem Landstrich, in dem Sehnsucht ein Lebensgefühl ist. 'Die Stadt im Spiegel' lässt uns an einer wuchtigen Familienchronik teilhaben, die in der Landschaft von Mittelmeerraum und Balkan angesiedelt ist.

Die Hauptfigur des Romans, ein Schriftsteller, schreibt die Erinnerungen seiner Kindheit und Jugend nieder. Sagen, Legenden und Mythen aus weit vergangenen Zeiten holen ihn ein und mit ihm seine ganze Familie. So muss die hässliche Tante immer einen Schleier tragen, so wird der bucklige Onkel zum Vater seines Neffen, und so müssen sich Kinder auf die Suche nach einem Schatz im Zypressenhain begeben. Über Generationen hinweg kämpft eine Familie von Viehhändlern, Kleinkriminellen und Parteifunktionären darum, ihren Sehnsüchten ein Stück näher zu kommen.

Kovacs Roman ist eine Hymne an die Familie und die Herkunft. Ein Roman über Väter und Söhne. Ein Roman über Erleben und Erinnern. Ein Roman wie eine Stadt.

"Wir ließen uns dieNamen aller Meeresstädte auf der Zunge

zergehen, sprachen von Dubrovnik. Dort, betonten wir, könnte man schöner leben."
Autorenporträt
Mirko Kovac ist 1938 in Petrovici zur Welt gekommen und im Jahr 2013 gestorben. Er hat Dramaturgie an der Akademie für Theater, Film und Fernsehen in Belgrad studiert. Mirko Kovac galt als der bedeutendste Schriftsteller des ehemaligen Jugoslawien. Seine Bücher sind in über zehn Sprachen übersetzt. Er erhielt u.a. den Kurt-Tucholsky-Preis für Schriftsteller im Exil.

Marica Bodrozic, geboren 1973 in Svib/Dalmatien im heutigen Kroatien, lebt seit 1983 in Deutschland. Sie ist freie Schriftstellerin und übersetzte u.a. Igor Sticks und Julia Leigh ins Deutsche. Zuletzt erschien ihr Roman 'Das Gedächtnis der Libellen'.

Marica Bodrozic wurde 1973 in Svib/ Dalmatien, dem heutigen Kroatien geboren. Sie lebt seit 1983 in Deutschland und schreibt Gedichte, Romane, Erzählungen und Essays. Für ihre Bücher erhielt sie zahlreiche Preise und Stipendien, darunter den Förderpreis für Literatur von der Akademie der Künste in Berlin, den Kulturpreis Deutsche Sprache und 2013 für ihren Roman "Kirschholz und alte Gefühle" den Preis der LiteraTour Nord und den Kranichsteiner Literaturpreis. 2015 erhielt sie den Literaturpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung. Marica Bodrozic lebt als freie Schriftstellerin in Berlin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.06.2012

Menschen mit Dilemma

Erzählen gegen die Wirklichkeit: In seinem neuen Roman "Die Stadt im Spiegel" versucht Mirko Kovac die Übersicht über eine Familie zurückzugewinnen.

Es ist Nacht, als der Großvater stirbt. Der Mond scheint auf den am Boden liegenden Körper, und die Großmutter schickt den Jungen, den Spiegel zu holen. Sie überprüft, ob der Großvater noch atmet. Der Spiegel bleibt unbeschlagen, und die Großmutter sagt: "So, das war's. Jetzt werden wir nie wieder ein Wort aus seinem Munde hören." Später wird der Junge diese Geschichte vom Tod des Großvaters immer wieder erzählen müssen. Seine Mutter verlangt es, der Junge erzählt gut.

Erinnern, wiederholen und durcharbeiten nannte das Sigmund Freud. Bei Mirko Kovac wird es Literatur, denn der Junge erzählt nicht nur gern und gut, er denkt sich an anderen Tagen manchmal auch etwas für die Mutter aus, weil er sie beeindrucken will. So erscheint dem Jungen beispielsweise der Tod nach jener Nacht als "Teil der Unendlichkeit, als ein Verwandter der Leuchtkraft des Mondes". Es sind diese kleinen, intuitiven Verrückungen, denen Mirko Kovac einen besonderen Platz zuweist und die seine Prosa weit übers Anekdotische hinausheben. Es scheint, dass der Junge auch im Alter das Rekonstruieren, Lügen und Ausschmücken gut beherrscht. Zusammengetragen hat sie der längst Erwachsene, inzwischen Schriftsteller wie Kovac selbst. Er wollte sich endlich einmal nicht mit anderen befassen, sondern mit sich selbst, mit der eigenen Familie, gesteht er etwas trotzig gleich zu Beginn. Die Distanz sollte ihm einen neuen Blick auf die Vergangenheit bescheren.

Der Montenegriner Mirko Kovac, geboren 1938 in Petrovici, lebt heute in Istrien. Seine Bücher prägten das ehemalige Jugoslawien, und auch in den neu gezogenen Grenzen ist er prominent. "Die Stadt im Spiegel", 2007 auf Kroatisch erschienen, von Marica Bodrozic souverän in sich wiegendes Deutsch gegossen, erzählt vom Familie-Sein in dieser Gegend, wo Regierungen, Kriege und Grenzen wechseln und wo dieses Familie-Sein auf besondere Weise kompliziert ist. Nichts ist geschlossen oder abgerundet. Und deshalb wird auch das Erinnern und Wiederholen zu einem unkontrollierbaren Vorgang, der Zweifel freisetzt. Sein Erzähler betreibt nicht nur Rückschau, sondern hält die Not aus, die das Zerren an der Vergangenheit mit sich bringt. Auf nichts ist Verlass beim Blick in diesen magischen Familienspiegel, der nur den Tod mit Sicherheit anzeigt.

Das Zweifeln liegt indes schon im Eingeständnis, uns ein Manuskript vorgelegt zu haben, dessen Wurzeln zwanzig Jahre zurückreichen. Ein Problemschriftstück also. Familie geht eben nicht leicht von der Hand, schon gar nicht die eigene. Fast wäre sie damals veröffentlicht worden. Dann entschied sich der Autor im letzten Moment dagegen. Jetzt sitzt er auf seiner Terrasse, hat seinen Stoff verknappt und überarbeitet, Stereotypien gestrichen, sich von Skandalösem und Blasphemischem getrennt. Kaum mehr als eine Versuchsanordnung ist diese Familienchronik. Und sie versucht das zum Glück nicht zu verbergen.

Was für eine Familie! Sie besteht aus Viehhändlern, Kleinkriminellen, Parteifunktionären. Wir begegnen einer Tante, die als Kind lange im Haus gehalten wird, weil sie als unansehnlich gilt. Wir sehen einen abtrünnigen, ausgewanderten Onkel, von dem auch aus dem Exil nichts wirklich Gutes kommt. Wir betreten einen düsteren Wald, in den alle Familienmitglieder als Kind hineingestoßen werden, um zu reifen. Dieser Hain ist ein unheimlicher, märchenhafter, ritueller Ort. Seine Durchquerung gleicht einer Mutprobe, zu bestehen nur mit Kerze und Knoblauch gegen Hexen. Wir lesen aber auch vom "Geschmack des Glücks". Und so steht ein schwarzes, naturwüchsiges, sehr persönliches Erzählen gegen die harte Wirklichkeit, die das Überleben in dieser Region mit sich bringt.

Man mag darüber spekulieren, wie viel von diesem Roman der eigenen Biographie entnommen ist und ob sich wohl auch Kovac, wie der Erzähler, mit dieser Art des rigorosen, klaren Erzählens in seinem Geburtsort einige Feinde gemacht hat - der Erzähler gilt dort als "Verräter der heimatlichen Erde". Man hat ihm nicht verziehen, dass er die Mythen der Bewohner ironisierte oder verdrehte. Er verteidigt sich mit dem Plädoyer für eine Poetik, deren Topographie selbstverständlich abstrakt bleiben müsse, weil sein "inneres Inferno nicht einmal an den Echoraum" der Geburtsstadt heranreiche und die Wirklichkeit erst in der Fiktion Sinn mache. Gerade diese Distanz zu festen Werten bei gleichzeitigem Respekt vor dem zutiefst Menschlichen prägt die Prosa. Kovacs Gespür für die Zwischentöne ist beachtlich. Und so entsteht beim Lesen eine bizarre Welt, über die man schweigen könnte - oder mit leiser Stimme sprechen müsste wie der Junge über das Meer.

Die Präsenz der großen Geschichte über mehrere Generationen macht sich am Haus der Familie fest. Es steht in Trebinje und ist zwischenzeitlich in anderen Händen. Als der Krieg vorbei ist, will man es zurückholen. Der neue Bewohner tritt wütend heraus und erklärt, er habe mehr Brüder und Partisanen verloren. Das Rechnen und Aufrechnen, das Werten und Entwerten durchziehen diesen Roman. Jenseits seines geschichtlichen Horizonts wird er zum Spiegel der Sehnsucht nach Übersicht und schließlich über die Zeit auch zur intimen Auseinandersetzung eines Sohnes mit dem Vater.

Im Figurenporträt liegt eine der Stärken dieser Prosa. Man sieht diesen Vater vor sich, diesen "Menschen mit Dilemma", der sich täglich "leise betrinkt", mit Stil zwischen zwei Karaffen wählend. Und man sieht den Sohn, der nicht alles versteht, aber trotzdem tapfer in die Stadt Dubrovnik aufbricht, um diesen Vater suchen zu gehen. Und wenn nach über 400 Seiten das Sterben dieses Vaters beschrieben wird, kann man an der Art des zugewandten Schauens erkennen, wie sich der Erzähler durch das Erinnern verändert hat. Er besucht den Vater ein letztes Mal im Sanatorium. Der Vater hat einen kleinen Jungen bei sich, ein aufgeweckter Kerl, der dem Kranken aus einem Buch vorliest und sich vom Besucher keineswegs vertreiben lässt: "Wir lesen es Gramm für Gramm", sagt der Junge ernst mit Blick auf den Titel: "Balkan-Memoiren". Genauso sollte man auch Mirko Kovacs Roman lesen.

ANJA HIRSCH

Mirko Kovac: "Die Stadt im Spiegel". Roman.

Aus dem Kroatischen von Marica Bodrozic. Dumont Verlag, Köln 2011. 493 S., geb., 22,99 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Beeindruckt zeigt sich Anja Hirsch von Mirko Kovacs Roman "Stadt im Spiegel", in dem ein Schriftsteller sich seiner eigenen alles andere als unkomplizierten Familiengeschichte zuwendet und im Erinnern dem Unkontrollierbaren, Zweifelhaften ins Auge blickt. Eine unübersichtliche, "bizarre" Welt tut sich auf, in der skurrile Figuren, dunkle Familienrituale und natürlich die von Krieg und sich verschiebenden Grenzen tief geprägte Familienchronik aus der Perspektive des Schriftsteller-Erzählers Gestalt gewinnt. Dabei lässt sich die Rezensentin vor allem von Kovacs "Gespür für Zwischentöne" und von seiner eindringlichen Figurenzeichnung faszinieren, wobei sie diesen Roman nicht zuletzt auch als berührende Vater-Sohn-Geschichte gelesen hat.

© Perlentaucher Medien GmbH
Marica Bodrozic über Mirco Kovac: "Der bedeutendste Schriftsteller des ehemaligen Jugoslawiens."
WDR5.de

"Wie bei einer schönen Patchworkdecke die farbigen Flecken willkürlich zusammengenäht erscheinen und dennoch ein harmonisches Ganzes sind, springt Kovac in seinem Roman unvermittelt hin und her, zwischen den Zeiten, den Menschen, den Gedanken."
NÜRNBERGER ZEITUNG

"Kovacs Gespür für die Zwischentöne ist beachtlich. Uns so entsteht beim Lesen eine bizarre Welt, über die man schweigen könnte - oder mit leiser Stimme sprechen müsste wie der Junge über das Meer."
FAZ