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Ruskin machte sich Gedanken um den Fortbestand Venedigs. Aus Sorge, dass viele Bauten in Zukunft durch die zunehmende Industrialisierung unwiderruflich verloren sein könnten, fertigte er Hunderte von Zeichnungen an, porträtierte Details von Fassaden und ganzen Häusern, zeichnete Kirchen und Basiliken und versuchte so, in Bild und Beschreibung die sterbende Schönheit der Serenissima festzuhalten. Mit den "The Stones of Venice" leistete John Ruskin wichtige Beiträge zur Architekturtheorie. "The Stones of Venice" ist geprägt von einer idealisierten Darstellung insbesondere der Gothik in Venedig…mehr

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Produktbeschreibung
Ruskin machte sich Gedanken um den Fortbestand Venedigs. Aus Sorge, dass viele Bauten in Zukunft durch die zunehmende Industrialisierung unwiderruflich verloren sein könnten, fertigte er Hunderte von Zeichnungen an, porträtierte Details von Fassaden und ganzen Häusern, zeichnete Kirchen und Basiliken und versuchte so, in Bild und Beschreibung die sterbende Schönheit der Serenissima festzuhalten. Mit den "The Stones of Venice" leistete John Ruskin wichtige Beiträge zur Architekturtheorie. "The Stones of Venice" ist geprägt von einer idealisierten Darstellung insbesondere der Gothik in Venedig einschließlich ihrer sozialen Begleitumstände. Außerdem beinhalten die "Stones" präzise Darstellungen und Beschreibungen venezianischer Architektur und Malerei, besonders von Tintoretto, die für baugeschichtliche Analysen bis heute von größtem Interesse sind. Diese Neuausgabe der "Steine von Venedig" enthält auch die Daguerreotypien, die erst 2006 entdeckt und restauriert wurden. Sie werden hiermit erstmals in einer deutschen Buchpublikation gezeigt: "Zwei Sammler haben unbekannte Daguerreotypien von John Ruskin entdeckt. Die Aufnahmen venezianischer Palazzi und Alpenmotive wurden nun in London präsentiert. Ihr Fund ist eine Sensation." Frankfurter Allgemeine Zeitung
Autorenporträt
John Ruskin war Schriftsteller, Maler, Kunsthistoriker und Sozialphilosoph. Geboren 1819 in London, starb er hochangesehen 1900 in Brantwood/Lancashire. 1843 bis 1860 verfasste er eine mehrbändige Geschichte der modernen Malerei und lehrte ab 1869 in Oxford Kunstgeschichte. Als vielseitig gebildeter Kunsthistoriker und bedeutender Sozialreformer nahm er in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine herausragende Stellung im englischen Gesellschaftsleben ein. In vielen Schriften beschrieb er das 'Evangelium der Schönheit', worunter er eine Verschmelzung von Kunst, Politik und Wirtschaft verstand, die sich am Ideal der mittelalterlichen Kunst orientieren sollte. In der zunehmenden Industralisierung sah er die Drohung einer Verkrüppelung menschlicher Tugenden und der künstlerischen Schaffenskraft. Ruskin trat für eine Wirtschaftsethik ein, in deren Mittelpunkt der Mensch steht und die handwerkliche Arbeit als schöpferischen Wert anerkennt. In seinen Vorstellungen zur Sozialreform unterbreitet er zahlreiche bedeutende Vorschläge, wie z. B. Gartenstädte und Arbeiterhochschulen. Catharina Berents Kunsthistorikerin, ehemalige Direktorin des Detlefsen-Museums, von ihr erschien zuletzt 'Die kleine Geschichte des Designs' bei C.H.Beck. Wolfgang Kemp Kunsthistoriker, Autor und Professor für Kunstgeschichte; jüngst erschienen 'Der explizite Betrachter' in der unipress Konstanz und 'Geschichte der Fotografie: Von Daguerre bis Gursky' ebenfalls bei C.H.Beck.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Helmut Mayer freut sich über diese von Catharina Berents und Wolfgang Kemp besorgte Auswahl mit Texten aus John Ruskins zwischen 1851 und 1853 erschienenem Venedig-Buch. Schon früh habe der Autor die Zerstörung der Stadt durch seine Zeitgenossen bemerkt und bereits 1946 festgehalten: "Wie ein Stück Zucker im Tee, so schnell schmilzt Venedig dahin." Ruskins Grammatik der Bauformen ist für Mayer auch eine Geschichtserzählung über Venedig, die sich zugleich als sprachlich meisterliche Kritik an viktorianischen Verhältnissen lesen lässt, wie der Rezensent meint. Die Auswahl zeigt ihm alle Register des Werks, so Mayer, enthält exzellente Einführungen und eine bemerkenswerte Bildausstattung mit Ruskins Zeichnungen und Daguerrotypien. Wer erfahren möchte, wie sich Venedig veränderte und wie Ruskin unter der von ihm mit initiierten touristischen Vermarktung litt, der wird hier fündig, meint Mayer.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.10.2016

Wie lieblich dies Gespenst am Gestade der See
Catharina Berents und Wolfgang Kemp präsentieren eine Auswahl aus John Ruskins "Die Steine von Venedig"

Venedig im November 1849: Drei Monate ist es erst her, dass die Stadt als letzte Bastion der italienischen Unabhängigkeitsbewegung kapitulieren musste. Die Österreicher, gedemütigt durch einen lange erfolgreichen Widerstand, den sie sogar durch Bombardements aus der Luft mit Heißluftballons zu brechen versuchten, haben Geschützbatterien rings um die Stadt aufgezogen, selbst direkt gegenüber von San Marco. Eine Choleraepidemie hatte ihnen genauso wie den Belagerten zugesetzt. Nach und nach erst findet sich die durch die Revolutionsjahre durchgerüttelte bessere Gesellschaft Europas wieder in der Stadt ein, mischt sich bei den Festen, in den Theatern und Kirchen mit den österreichischen Offizieren. Auch ein noch junger, dreißigjähriger Engländer ist bereits dabei, gemeinsam mit seiner fast zehn Jahre jüngeren Ehefrau.

Die Heirat von John und Effie Ruskin liegt da erst ein halbes Jahr zurück, aber auf nachgeholte Flitterwochen in romantischer Szenerie läuft der Aufenthalt nicht hinaus. Denn mit einem romantisierten Venedig braucht man John Ruskin nicht zu kommen. Das Venedig der zeitgenössischen Romane und Theaterstücke ist für ihn bloß "ein Bühnentraum, der beim ersten Strahl von Tageslicht in Staub zerfallen muss"; und romantische Gefühle, so wird er schreiben, mögen die Überreste mächtiger Zeitalter vergolden, doch erhalten können sie sie nicht. Um Erhaltung aber geht es dem Sohn aus wohlhabendem Haus, der sich mit den ersten zwei Bänden seiner "Modern Painters" bereits einen Namen gemacht hat, nämlich um die sichernde Dokumentation jener Überreste des alten Venedigs, an deren Vernichtung er die Zeitgenossen unablässig arbeiten sieht - im dramatischen Fall durch Geschütze und Bomben, aber viel eher noch durch Gleichgültigkeit gegenüber dem Verfall und brutale Modernisierungen. Schon 1846 hatte er festgehalten: "Wie ein Stück Zucker im Tee, so schnell schmilzt Venedig dahin."

Dagegen setzt Ruskin seine "Stones of Venice", die in drei Bänden zwischen 1851 und 1853 erscheinen. Ein viel zu nüchterner Titel, wie ihm sein Vater vorhält, der sich mehr rhetorisch glänzende Passagen erwartet, die sein Sohn so beeindruckend beherrscht, statt all der architektonischen Details, die dieser unermüdlich vermisst, zeichnet und auf Daguerreotypien bannen lässt (während Effie den gesellschaftlichen Umgang genießt). Aber er fühle nun einmal keine Romanze, antwortet der Sohn, Venedig sei einfach ein Haufen von Ruinen, die Menschen unter ihren Füßen zertreten haben: "Und das ist die große Tatsache, die ich lehren will."

Keine ganz einfache Tatsache freilich, denn die "Steine von Venedig" sind mehreres auf einmal. Durchaus eine penibel erstellte Grammatik von Bauformen, aber gleichzeitig auch eine große, mit vielen Details zur Vergangenheit und Gegenwart des städtischen Lebens durchsetzte Geschichtserzählung, in der das Lob der gotischen Formen abgesetzt wird von einer Renaissance als Niedergangsphänomen. Eine Geschichtserzählung noch dazu, die eine Lehre für die Zeitgenossen parat hatte, insbesondere für Ruskins viktorianische Landsleute. Denn was die gotischen Bauleute in seinen Augen auszeichnete, nämlich als ganze Menschen bei ihrer Sache gewesen zu sein, wie es gerade das Unperfekte, Improvisierte und Vielfältige ihrer Werke zum Ausdruck bringt, das gehe bei den gedrillten, zu Maschinen werdenden Arbeitern seiner Zeit verloren: Das unverdächtig benannte Kapitel über "Das Wesen der Gotik" ist tatsächlich ein Auftakt von Ruskins schneidender Kritik an modernen Arbeitsverhältnissen und Lebensformen. Und was auch immer Ruskins Vater befürchtete, die "Steine" zeigen immer wieder den großen, die Kaskaden seiner Sätze beherrschenden großen Autor, hauptsächlich im elegischen Tonfall (wozu die Briefe noch Ironie, milden Sarkasmus und Verzweiflung über die Indolenz der Venezianer beisteuern).

Wolfgang Kemp verdanken wir nicht nur eine vorzügliche Monographie über Ruskin. Er hat auch eine Ausgabe der sehr unterhaltsamen und aufschlussreichen Briefe herausgegeben, die John und Effi während ihrer gemeinsamen Aufenthalte in Venedig schrieben. Beide Bücher sind leider vergriffen, so wie auch der Reprint einer schon vor über hundert Jahre erschienenen vollständigen Edition der "Steine". Jetzt aber haben Catharina Berents und Wolfgang Kemp eine schöne Auswahl aus dieser Ausgabe zusammengestellt. Sie gibt einen Eindruck von allen Registern dieses Werks, enthält exzellente Einführungen der Herausgeber und glänzt noch dazu mit einer bestechenden Bildausstattung. Neben Ruskins Zeichnungen und Aquarellen findet man insbesondere eine Auswahl aus den Daguerreotypien, die er anfertigen ließ oder kaufte, und von denen erst vor zehn Jahren ein großes Konvolut durch Zufall entdeckt wurde.

Was Ruskin noch nicht sah, als er die "Steine" schrieb" - als es ein einziges Hotel, das Danieli, in Venedig gab -, war der Tourismus in seiner halbwegs modernen Form, der erst in den sechziger und siebziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts in Gang kam. Er hatte ihn, wie er grimmig einsehen musste, mit befördert. Denn auch die "Steine" wurden, des Vaters Befürchtung zum Trotz, ein Erfolg und die in ihnen vorgestellten Zeugen des romanischen und gotischen Venedigs zur Attraktion: San Marco, das auf Jacob Burckhardt um die Jahrhundertmitte von außen noch "ziemlich nichtig und ungeschickt" wirkte, stach nun Palladio aus.

Wer lesen will, wie Ruskin unter diesem für Touristen zurechtgemachten Venedig litt, das sein "Gespenst am Gestade der See, so schwach, so still, so beraubt allen Besitzes, nur nicht seiner Lieblichkeit" nun mit Totalrestaurierungen und Dampfschiffverkehr überzog, kann zu späteren Äußerungen blättern. Im Nachwort seiner Briefausgabe stellte Wolfgang Kemp eine an den Schluss, die mit Blick auf Canal Grande und Salute geschrieben wurde: "Die grüne Flut, die an meine Schwelle schlägt, ist voll treibender Leichen, und ich muss mein Essen stehen lassen, um sie zu begraben." Ein unheimlicher Autor war Ruskin eben auch.

HELMUT MAYER

John Ruskin: "Die Steine von Venedig". Neu komponiert von Catharina Berents und Wolfgang Kemp.

Corso Verlag, Wiesbaden 2016. 291 S., Abb., geb., 48,- [Euro].

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