In einer Provinzstadt weit weg von Peking soll die junge Gu Shan hingerichtet werden. Ihr Verbrechen: Sie, die während der Kulturrevolution fanatische Rotgardistin war, hat dem Kommunismus abgeschworen. Shans Tod wird weitreichende Konsequenzen haben. Nicht nur für ihre Eltern, sondern auch für die Rundfunksprecherin Kai, die längst an der Partei zweifelt; für die verkrüppelte Nini, die wie eine Sklavin gehalten wird; oder für den kleinen Tong, der nur von seinem Hund Liebe bekommt. Yiyun Li zeichnet ein plastisches Bild der Ereignisse in China am Ende der siebziger Jahre, die heute wieder von beklemmender Aktualität sind. Ihr Roman ist ein universelles Porträt von menschlichem Leiden und menschlichem Mut.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.10.2009Als das Sterben schon nicht mehr das Schlimmste war
Unschuldig kann man nicht bleiben: Yiyun Li hat ein furioses, zutiefst verstörendes Romandebüt über das postmaoistische China geschrieben.
Von Sandra Kegel
Der Tod ist nicht das Schlimmste, was einem Menschen passieren kann. Dieser Gedanke, der das Ende allen Denkens markiert und der dem alten Lehrer durch den Kopf geht, als er seine misshandelte Tochter Shan ein letztes Mal vor ihrer Hinrichtung im Gefängnis besucht, bildet den morastigen Untergrund dieses meisterlichen Romans, der sich liest wie ein dunkler Traum, aus dem es kein Erwachen gibt. Die Welt im postmaoistischen China, von der Yiyun Li in ihrem Debüt erzählt, ist in ihren Grundfesten zerrüttet. Menschlichkeit gilt als Verbrechen, Mitgefühl als Sünde, und Unschuld ist nicht möglich, weil nur überlebt, wer sich schuldig macht - an seiner Familie, seinen Freunden, seinen Nachbarn. Indem man wegschaut, täuscht und verrät. Die zwölfjährige Nini, die, weil ihre im achten Monat schwangere Mutter gefoltert wurde, als Krüppel zur Welt kam, ist nur ein Sinnbild für die Deformation einer ganzen Gesellschaft, die einer unmenschlichen Politik zum Opfer fiel.
Der Roman "Die Sterblichen" beginnt am Morgen der Tagundnachtgleiche des Jahres 1979 mit einem Festtag in Hun Jian, einer im Nirgendwo aus dem Boden gestampften Provinzstadt. Munter schwatzend ziehen Männer, Frauen und Kinder durch die Gassen und wedeln mit bunten Fahnen und Spruchbändern. Alle haben frei, doch nicht etwa, weil endlich der Frühling gekommen ist. Vielmehr wird an diesem Tag die achtundzwanzigjährige Gu Shan hingerichtet, und die Bürger des Städtchens strömen zur Denunziationszeremonie ins Stadion. Noch ehe die Gefesselte der Masse vorgeführt wird, hat man ihr die Stimmbänder entfernt, damit sie keine "konterrevolutionären Parolen" mehr schreien kann. Später schneidet man ihr dann am lebendigen Leib die Nieren heraus, die für einen alternden Politkader bestimmt sind. Und weil der Boden zu dieser Jahreszeit noch hart und vereist ist, macht man sich nach der Hinrichtung auch nicht die Mühe, den Leichnam zu verscharrten. So kann sich ein perverser Alter an der toten Frau vergehen. Die angeordnete Ermordung Gu Shans, deren Vergehen es war, sich von einer fanatischen Rotgardistin zur Gegnerin des Systems zu wandeln, löst in der Stadt und mithin in einem System, in dem kein Handeln folgenlos bleibt, eine Kettenreaktion aus, der sich kaum jemand entziehen kann. Nicht nur für das Ehepaar Gu, das kein Wort findet für die Trauer, zu Lebzeiten ein Kind verloren zu haben, ändert dieser Märztag alles. Auch in der Radiosprecherin Kai, die als junges Mädchen einst ihre Klassenkameradin Shan bewunderte, nagt nun das Misstrauen gegenüber dem System, dessen offizielle Stimme sie ist.
Am Ende der vierzig eisigen Frühlingstage, von denen dieser Roman erzählt, wird eine Mutter für ihre politischen Ideale ihr Kind im Stich gelassen haben; ein Mädchen, das von seinen Eltern wie eine Sklavin gehalten wird, seine Schwestern verbrennen lassen; ein Junge, um den eigenen Vater zu retten, Unschuldige denunziert haben. Und es wird abermals ein Mensch aufs Schafott geführt.
Yiyun Li, die 1972 in Peking geboren wurde und seit 1996 in Amerika lebt, wo sie zunächst Immunologie studierte und bislang einige Kurzgeschichten veröffentlicht hat, schreibt all das in erschreckend eindringlicher, lakonischer Sprache auf, mit einem fast schon nüchtern-dokumentarischen Blick auf das Geschehen. Neben Junoz Díaz und Aleksandar Hemon gehört die Chinesin zu jener jungen amerikanischen Schriftstellergeneration, deren Thema die fremde Herkunft ist. Nicht das kommunistische System und seine Vorkämpfer steht indes im Mittelpunkt. Deng Xiaoping und die Regierenden in Peking bleiben im Roman so fern wie die tyrannischen Machthaber der Provinz. Für den Leser wirkt deren Präsenz mithin genauso anonym und ungreifbar wie für die Opfer. Spürbar sind allein die Folgen monströser Entscheidungen, die irgendwer irgendwo fällt.
In geschickter Parallelmontage verdichtet Yiyun Li das Schicksal von mehreren Figuren zu einem Kosmos des Grauens, dem man sich kaum entziehen kann. Hier kann man nur überleben, indem man sich unsichtbar macht, oder man muss verbrecherisch handeln. Aus dieser verdrehten Logik folgt, dass Eltern sich wünschen, dass ihre Kinder nichts lernen. Shan wäre niemals eine glühende Mao-Anhängerin geworden, glaubt ihr Vater, der alte Lehrer Gu, "wenn sie die verlockenden Sprüche der Kulturrevolution nicht hätte lesen können; und sie wäre nicht verhaftet worden, als sie ihre Zweifel anmeldete, hätte er ihr nicht beigebracht, selbständig zu denken, statt den Argumenten der Masse zu glauben".
Sie selbst sei aufgewachsen in einer Welt, wie der Roman sie schildert, erzählte die Autorin, die auf Englisch schreibt, als ihr Werk Anfang des Jahres im Original erschien. Die Zeit nach Mao und der Kulturrevolution, die späten siebziger und frühen achtziger Jahre, als in China vorsichtige Demokratiebestrebungen keimten, erlebte sie als Kind in Peking. Mao wurde in ihrer Familie der "Höllenfürst" genannt, doch nur, wenn die Türen verschlossen waren. Als Fünfjährige schleifte eine Lehrerin sie auf einen Platz, auf dem, genau wie im Roman, eine Hinrichtungszeremonie stattfand. Jahre später überstand sie das Tiananmen-Massaker, keine fünfzehn Minuten entfernt in ihrem Kinderzimmer, in das die Eltern sie in jener Nacht gesperrt hatten. Die Warnung, außerhalb der eigenen vier Wände niemals etwas zu sagen, hat sie tief verinnerlicht.
Dass Autorität grausam und Macht tyrannisch ist, davon handelt Yiyun Lis beunruhigende Anklage gegen das kommunistische China. Trost und Hoffnung, dass dem brutalen Frühling ein besserer Sommer folgen könnte, hat die junge Autorin nicht zu bieten. Im Gegenteil lässt sie nicht einen einzigen Mensch auftauchen, der sich nicht schuldig gemacht hätte. Das ist wohl die bitterste Erfahrung der Lektüre: Dass in einer Welt, die von der dunklen Seite der Macht beherrscht wird, so etwas wie Integrität, Loyalität oder Güte für jedermann obsolet geworden sind.
So ist niemand in diesem Personentableau allein Opfer, alle sind auch Täter. Die hingerichtete Gu Shan etwa war, ehe sie abschwor, selbst eine der grausamsten Vollstreckerinnen der Mao-Doktrin gewesen, die nicht nur Freunde und Verwandte quälte und folterte, sondern auch diejenige war, die Ninis Mutter so brutal in den Bauch trat, dass diese ein verkrüppeltes Kind zur Welt brachte. Auch Shans Vater wurde damals als Intellektueller gedemütigt und gefoltert: Nun glaubt Lehrer Gu inzwischen selbst, dass man "zum Leben kein Gewissen braucht". Als seine einzige Tochter erbarmungslos zuschlägt, versteckt er sich hilflos in seinem Büro und schreibt einen feinsinnigen Aufsatz über die Poesie in Zeiten der Tyrannei. Das alte Ehepaar Hua wiederum, das vom Müll der Stadt lebt und die ausgesetzten Säuglinge am Flussufer aufsammelt, um sie großzuziehen, will Lehrer Gu nicht einmal in seiner schwersten Stunde mit einem Gefallen beispringen, der sie nichts kosten würde. Und Nini, die zu Hause nichts zu essen bekommt und den Mehlkleister der Propagandaplakate an den Wänden ableckt, zögert nicht eine Sekunde, die einzigen Menschen zu verraten, die je gut zu ihr waren.
Kai schließlich, die den umgekehrten Weg ihrer früheren Schulfreundin Shan einschlägt und sich von der Konformistin zur Rebellin wandelt, verhält sich nicht weniger skrupellos wie zuvor, als sie noch das fügsame Sprachrohr der Partei war. Denn mit dem Aufstand, den sie gegen die Regierung anzettelt, opfert sie nicht nur sich selbst, sie opfert auch ihr Kind.
Wer dieser Tage auch nur ein Buch über China lesen will, sollte zu diesem Roman greifen. Dass Yiyun Li an den Verrat, den Schmerz, und die Verirrung erinnert, die einem verrückt gewordenen System entsprungen sind, ist ein Verdienst. Doch wie sie das tut, mit Bildern, die man nicht vergisst, das ist große Kunst.
Yiyun Li: "Die Sterblichen". Roman. Aus dem Englischen von Anette Grube. Hanser Verlag, München 2009. 378 S., geb., 21,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Unschuldig kann man nicht bleiben: Yiyun Li hat ein furioses, zutiefst verstörendes Romandebüt über das postmaoistische China geschrieben.
Von Sandra Kegel
Der Tod ist nicht das Schlimmste, was einem Menschen passieren kann. Dieser Gedanke, der das Ende allen Denkens markiert und der dem alten Lehrer durch den Kopf geht, als er seine misshandelte Tochter Shan ein letztes Mal vor ihrer Hinrichtung im Gefängnis besucht, bildet den morastigen Untergrund dieses meisterlichen Romans, der sich liest wie ein dunkler Traum, aus dem es kein Erwachen gibt. Die Welt im postmaoistischen China, von der Yiyun Li in ihrem Debüt erzählt, ist in ihren Grundfesten zerrüttet. Menschlichkeit gilt als Verbrechen, Mitgefühl als Sünde, und Unschuld ist nicht möglich, weil nur überlebt, wer sich schuldig macht - an seiner Familie, seinen Freunden, seinen Nachbarn. Indem man wegschaut, täuscht und verrät. Die zwölfjährige Nini, die, weil ihre im achten Monat schwangere Mutter gefoltert wurde, als Krüppel zur Welt kam, ist nur ein Sinnbild für die Deformation einer ganzen Gesellschaft, die einer unmenschlichen Politik zum Opfer fiel.
Der Roman "Die Sterblichen" beginnt am Morgen der Tagundnachtgleiche des Jahres 1979 mit einem Festtag in Hun Jian, einer im Nirgendwo aus dem Boden gestampften Provinzstadt. Munter schwatzend ziehen Männer, Frauen und Kinder durch die Gassen und wedeln mit bunten Fahnen und Spruchbändern. Alle haben frei, doch nicht etwa, weil endlich der Frühling gekommen ist. Vielmehr wird an diesem Tag die achtundzwanzigjährige Gu Shan hingerichtet, und die Bürger des Städtchens strömen zur Denunziationszeremonie ins Stadion. Noch ehe die Gefesselte der Masse vorgeführt wird, hat man ihr die Stimmbänder entfernt, damit sie keine "konterrevolutionären Parolen" mehr schreien kann. Später schneidet man ihr dann am lebendigen Leib die Nieren heraus, die für einen alternden Politkader bestimmt sind. Und weil der Boden zu dieser Jahreszeit noch hart und vereist ist, macht man sich nach der Hinrichtung auch nicht die Mühe, den Leichnam zu verscharrten. So kann sich ein perverser Alter an der toten Frau vergehen. Die angeordnete Ermordung Gu Shans, deren Vergehen es war, sich von einer fanatischen Rotgardistin zur Gegnerin des Systems zu wandeln, löst in der Stadt und mithin in einem System, in dem kein Handeln folgenlos bleibt, eine Kettenreaktion aus, der sich kaum jemand entziehen kann. Nicht nur für das Ehepaar Gu, das kein Wort findet für die Trauer, zu Lebzeiten ein Kind verloren zu haben, ändert dieser Märztag alles. Auch in der Radiosprecherin Kai, die als junges Mädchen einst ihre Klassenkameradin Shan bewunderte, nagt nun das Misstrauen gegenüber dem System, dessen offizielle Stimme sie ist.
Am Ende der vierzig eisigen Frühlingstage, von denen dieser Roman erzählt, wird eine Mutter für ihre politischen Ideale ihr Kind im Stich gelassen haben; ein Mädchen, das von seinen Eltern wie eine Sklavin gehalten wird, seine Schwestern verbrennen lassen; ein Junge, um den eigenen Vater zu retten, Unschuldige denunziert haben. Und es wird abermals ein Mensch aufs Schafott geführt.
Yiyun Li, die 1972 in Peking geboren wurde und seit 1996 in Amerika lebt, wo sie zunächst Immunologie studierte und bislang einige Kurzgeschichten veröffentlicht hat, schreibt all das in erschreckend eindringlicher, lakonischer Sprache auf, mit einem fast schon nüchtern-dokumentarischen Blick auf das Geschehen. Neben Junoz Díaz und Aleksandar Hemon gehört die Chinesin zu jener jungen amerikanischen Schriftstellergeneration, deren Thema die fremde Herkunft ist. Nicht das kommunistische System und seine Vorkämpfer steht indes im Mittelpunkt. Deng Xiaoping und die Regierenden in Peking bleiben im Roman so fern wie die tyrannischen Machthaber der Provinz. Für den Leser wirkt deren Präsenz mithin genauso anonym und ungreifbar wie für die Opfer. Spürbar sind allein die Folgen monströser Entscheidungen, die irgendwer irgendwo fällt.
In geschickter Parallelmontage verdichtet Yiyun Li das Schicksal von mehreren Figuren zu einem Kosmos des Grauens, dem man sich kaum entziehen kann. Hier kann man nur überleben, indem man sich unsichtbar macht, oder man muss verbrecherisch handeln. Aus dieser verdrehten Logik folgt, dass Eltern sich wünschen, dass ihre Kinder nichts lernen. Shan wäre niemals eine glühende Mao-Anhängerin geworden, glaubt ihr Vater, der alte Lehrer Gu, "wenn sie die verlockenden Sprüche der Kulturrevolution nicht hätte lesen können; und sie wäre nicht verhaftet worden, als sie ihre Zweifel anmeldete, hätte er ihr nicht beigebracht, selbständig zu denken, statt den Argumenten der Masse zu glauben".
Sie selbst sei aufgewachsen in einer Welt, wie der Roman sie schildert, erzählte die Autorin, die auf Englisch schreibt, als ihr Werk Anfang des Jahres im Original erschien. Die Zeit nach Mao und der Kulturrevolution, die späten siebziger und frühen achtziger Jahre, als in China vorsichtige Demokratiebestrebungen keimten, erlebte sie als Kind in Peking. Mao wurde in ihrer Familie der "Höllenfürst" genannt, doch nur, wenn die Türen verschlossen waren. Als Fünfjährige schleifte eine Lehrerin sie auf einen Platz, auf dem, genau wie im Roman, eine Hinrichtungszeremonie stattfand. Jahre später überstand sie das Tiananmen-Massaker, keine fünfzehn Minuten entfernt in ihrem Kinderzimmer, in das die Eltern sie in jener Nacht gesperrt hatten. Die Warnung, außerhalb der eigenen vier Wände niemals etwas zu sagen, hat sie tief verinnerlicht.
Dass Autorität grausam und Macht tyrannisch ist, davon handelt Yiyun Lis beunruhigende Anklage gegen das kommunistische China. Trost und Hoffnung, dass dem brutalen Frühling ein besserer Sommer folgen könnte, hat die junge Autorin nicht zu bieten. Im Gegenteil lässt sie nicht einen einzigen Mensch auftauchen, der sich nicht schuldig gemacht hätte. Das ist wohl die bitterste Erfahrung der Lektüre: Dass in einer Welt, die von der dunklen Seite der Macht beherrscht wird, so etwas wie Integrität, Loyalität oder Güte für jedermann obsolet geworden sind.
So ist niemand in diesem Personentableau allein Opfer, alle sind auch Täter. Die hingerichtete Gu Shan etwa war, ehe sie abschwor, selbst eine der grausamsten Vollstreckerinnen der Mao-Doktrin gewesen, die nicht nur Freunde und Verwandte quälte und folterte, sondern auch diejenige war, die Ninis Mutter so brutal in den Bauch trat, dass diese ein verkrüppeltes Kind zur Welt brachte. Auch Shans Vater wurde damals als Intellektueller gedemütigt und gefoltert: Nun glaubt Lehrer Gu inzwischen selbst, dass man "zum Leben kein Gewissen braucht". Als seine einzige Tochter erbarmungslos zuschlägt, versteckt er sich hilflos in seinem Büro und schreibt einen feinsinnigen Aufsatz über die Poesie in Zeiten der Tyrannei. Das alte Ehepaar Hua wiederum, das vom Müll der Stadt lebt und die ausgesetzten Säuglinge am Flussufer aufsammelt, um sie großzuziehen, will Lehrer Gu nicht einmal in seiner schwersten Stunde mit einem Gefallen beispringen, der sie nichts kosten würde. Und Nini, die zu Hause nichts zu essen bekommt und den Mehlkleister der Propagandaplakate an den Wänden ableckt, zögert nicht eine Sekunde, die einzigen Menschen zu verraten, die je gut zu ihr waren.
Kai schließlich, die den umgekehrten Weg ihrer früheren Schulfreundin Shan einschlägt und sich von der Konformistin zur Rebellin wandelt, verhält sich nicht weniger skrupellos wie zuvor, als sie noch das fügsame Sprachrohr der Partei war. Denn mit dem Aufstand, den sie gegen die Regierung anzettelt, opfert sie nicht nur sich selbst, sie opfert auch ihr Kind.
Wer dieser Tage auch nur ein Buch über China lesen will, sollte zu diesem Roman greifen. Dass Yiyun Li an den Verrat, den Schmerz, und die Verirrung erinnert, die einem verrückt gewordenen System entsprungen sind, ist ein Verdienst. Doch wie sie das tut, mit Bildern, die man nicht vergisst, das ist große Kunst.
Yiyun Li: "Die Sterblichen". Roman. Aus dem Englischen von Anette Grube. Hanser Verlag, München 2009. 378 S., geb., 21,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Ulrich Baron hat dieser Debütroman der 1972 in Peking geborenen und seit 1996 im amerikanischen Exil lebenden Yiyun Li tief beeindruckt. Er spielt in der vor 20 Jahren mit Maos "Großem Sprung" entstandenen Stadt Hun Jiang, und in seinem Zentrum steht die Hinrichtung der ehemaligen glühenden Rotgardistin Shan, die im Gefängnis den Verstand verloren hat, erklärt der Rezensent. Recht detailliert macht er sich daran, die Handlung nachzuerzählen, die tief in die Finsternis des kommunistischen Chinas führt, wie er feststellt. Dabei beeindruckt ihn das "Unausgesprochene" des Romans, etwa wenn sich die ganze Tragödie der zerrissenen Familie Shans darin entfaltet, dass sie über einen harmlosen Scherz nicht mehr gemeinsam lachen kann, fast noch mehr als das "Ausgesprochene", das manchmal von bestürzender Rohheit ist. Das "Grauen" des postmaoistischen China stellt die Autorin aber stets mit vollendetem "Stilgefühl", in größter erzählerischer Ökonomie und in vielschichtiger Verknüpfung der Einzelschicksale dar, lobt der Rezensent. Damit erweist sich Li in seinen Augen als eine "Meisterschülerin" des irischen Schriftstellers William Trevor, den sie auch als ihr Vorbild angibt. Der Roman erzählt komplex und erschütternd eine "sehr chinesische Geschichte", der begeisterte Baron lässt aber keinen Zweifel daran, dass wir es mit einem Stück "Weltliteratur" zu tun haben.
© Perlentaucher Medien GmbH
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"Yiyun Li spricht aus, was China nicht hoeren will - unerschrocken und wahrhaftig." Sigrid Loeffler, 30.09.09
"Ein grandioses, finsteres Debüt, das von Gewalt und Leid, Angst und Mut, politischer Willkür und Güte erzählt." Format, 07.10.09
"Ein finster-wuchtiges Debut ist Yiyun Li mit "Die Sterblichen" gelungen, ein schwindelerregender Roman über die menschlich entstellte und seelisch verkrüppelte Gesellschaft, die der Maoismus zurückliess." Andreas Breitenstein, Neue Zürcher Zeitung, 22.12.09
"Yiyun Li hat eine sehr chinesische Geschichte und zugleich Weltliteratur geschrieben." Ulrich Baron, Süddeutsche Zeitung, 13.10.09
"Ein eindringliches Porträt Chinas nach der Kulturrevolution." Felicitas von Lovenberg, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.10.09
"Wer dieser Tage auch nur ein Buch über China lesen will, sollte zu diesem Roman greifen. Dass Yiyun Li an den Verrat, den Schmerz, und die Verirrung erinnert, die einem verrückt gewordenen System entsprungen sind, ist ein Verdienst. Doch wie sie das tut, mit Bildern, die man nicht vergisst, das ist große Kunst." Sandra Kegel, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14.10.09
"Ein grandioses, finsteres Debüt, das von Gewalt und Leid, Angst und Mut, politischer Willkür und Güte erzählt." Format, 07.10.09
"Ein finster-wuchtiges Debut ist Yiyun Li mit "Die Sterblichen" gelungen, ein schwindelerregender Roman über die menschlich entstellte und seelisch verkrüppelte Gesellschaft, die der Maoismus zurückliess." Andreas Breitenstein, Neue Zürcher Zeitung, 22.12.09
"Yiyun Li hat eine sehr chinesische Geschichte und zugleich Weltliteratur geschrieben." Ulrich Baron, Süddeutsche Zeitung, 13.10.09
"Ein eindringliches Porträt Chinas nach der Kulturrevolution." Felicitas von Lovenberg, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.10.09
"Wer dieser Tage auch nur ein Buch über China lesen will, sollte zu diesem Roman greifen. Dass Yiyun Li an den Verrat, den Schmerz, und die Verirrung erinnert, die einem verrückt gewordenen System entsprungen sind, ist ein Verdienst. Doch wie sie das tut, mit Bildern, die man nicht vergisst, das ist große Kunst." Sandra Kegel, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14.10.09