DIE STILLE VON CHAGOS behandelt das Schicksal der Chagossianer, einer Volksgruppe, die auf den Inseln des Chagos-Archipels im Indischen Ozean lebte, bis sie ab Mitte der 1960er Jahre von dort vertrieben wurde. Die Chagos-Inseln gehören noch zum britischen Territorium und wurden für 50 Jahre an die USA verpachtet, die dort eine Militärbasis errichtet haben. Von hier wurden und werden Luftangriffe auf Afghanistan und den Irak geflogen. Die Inselbewohner hat man zwangsumgesiedelt - die meisten landeten in Slums in der mauritischen Hauptstadt Port Louis. Die Vertriebenen kämpfen bis heute vor Gericht vergeblich um ihre Rückkehr. Der Roman zeigt aus verschiedenen Perspektiven die Schicksale mehrerer Chagossianer. Da ist Charlesia, die mit ihrer Familie nach Mauritius fährt, da ihr Mann im Krankenhaus behandelt werden muß, und plötzlich und ohne jede Information nicht mehr auf ihre geliebte Insel Diego Garcia zurückkehren kann. Da ist Tony, ein Hafenarbeiter auf Mauritius, der Charlesia immer wieder am Kai stehen sieht, sehnsüchtig aufs Meer starrend. Da ist Désiré, der nach der Verschleppung seiner Mutter auf der Schiffsreise nach Mauritius geboren wird und sich zwischen den Welten fühlt. Und da ist der Schiffskapitän, der Gewissensbisse hat, weil er die Inselbewohner gegen deren Willen wegbrachte, nachdem er jahrelang mit Lebensmittellieferungen zu der isolierten und weitgehend unberührten Insel gekommen war. Erzählt wird vom Leben auf Diego Garcia, von den Festen, dem Essen und dem Alltag, und von dem Leben auf Mauritius, das in starkem Kontrast zu dem paradiesischen Inselleben steht. Die tschagos-kreolischen Einschübe in Dialogen und Liedern bringen die fernen Inseln sprachlich ein wenig näher.Die Frage, was es bedeutet, heimatlos und entwurzelt zu sein, ist heute aktueller denn je. Der Roman spürt sensibel den verschiedenen Varianten des Unrechts nach, das den Chagossianern vor rund 50 Jahren widerfahren ist. Der Pachtvertrag mit den USA sollte eigentlich im Jahr 2016 auslaufen, jedoch wird sich die Nutzung voraussichtlich bis 2036 verlängern. Shenaz Patel verfaßte für die deutsche Ausgabe ein Nachwort, das die politischen Entwicklungen der letzten Jahre nachzeichnet.