Die Dunkelheit, die nicht vergeht
Ein Unbekannter tötet Polizisten. Polizisten, die vor über zwanzig Jahren ein Massaker an einer schwarzen Familie verübten. Auch Colonel Vaughn de Vries war damals dabei, als unfreiwilliger Zeuge des Verbrechens. Und schon damals kämpfte er gegen eine korrupte Hierarchie im Polizeiapparat.
Höhere Stellen behindern ihn auch bei seinem neuen, seinem heikelsten Fall: Eine Milliardärin - grausam ermordet. Der Vater war eine Stütze des Apartheid-Regimes. Hauptverdächtiger: Ihr schwarzer Liebhaber, Sohn eines einflussreichen Politikers. Vaughn de Vries steht vor vielen Fragen: Geht es um Hautfarbe, Geld oder Macht? Wer hatte ein Interesse am Tod der Frau? Wer hat kein Interesse daran, dass die Wahrheit herauskommt?
Ein Unbekannter tötet Polizisten. Polizisten, die vor über zwanzig Jahren ein Massaker an einer schwarzen Familie verübten. Auch Colonel Vaughn de Vries war damals dabei, als unfreiwilliger Zeuge des Verbrechens. Und schon damals kämpfte er gegen eine korrupte Hierarchie im Polizeiapparat.
Höhere Stellen behindern ihn auch bei seinem neuen, seinem heikelsten Fall: Eine Milliardärin - grausam ermordet. Der Vater war eine Stütze des Apartheid-Regimes. Hauptverdächtiger: Ihr schwarzer Liebhaber, Sohn eines einflussreichen Politikers. Vaughn de Vries steht vor vielen Fragen: Geht es um Hautfarbe, Geld oder Macht? Wer hatte ein Interesse am Tod der Frau? Wer hat kein Interesse daran, dass die Wahrheit herauskommt?
buecher-magazin.deColonel Vaughn de Vries ist seit 20 Jahren in Kapstadt Polizist - und erlebte das Ende der Apartheid im paramilitärischen Polizeiapparat mit. Damals, 1995, wurde er Zeuge, wie ein General eine schwarze Familie aus Frust hinrichtete. Er verlor nie ein Wort darüber. Inzwischen, 2015, ist er leitender Ermittler einer Sondereinheit, die sich mit komplizierten Mordfällen befasst. Eine millionenschwere Erbin wurde in ihrem Haus erschossen. Arrangiert wie auf einem von ihr ausgestellten Gemälde, auf dem Gewalt gegen Frauen gezeigt wird. Die Ausstellung zog den Unmut der Kirche und Frauenrechtlerinnen auf sich. Doch ein religiöser Fanatiker, der mit der Tatwaffe tot aufgefunden wird, erscheint als zu einfache Lösung. Und irgendwo weiter oben will jemand nicht, dass de Vries weitergräbt. Zeitgleich werden Augenzeugen des Massakers von 95 einer nach dem anderen ermordet. Das Herausragende an Mendelsons Romanen ist, neben der Sprache und dem fühlbaren Lokalkolorit, dass er den Würgegriff des allgegenwärtigen Rassismus, auch 20 Jahre nach Ende der Rassentrennung, authentisch schildert. Auch de Vries ist Rassist und weiß es. Sich in diesem Spannungsfeld zu tarieren und objektiv zu bleiben, kostet ihn Anstrengung - ebenso wie die Aggressionen der neuen Beamten gegen Weiße im Polizeidienst.
© BÜCHERmagazin, Meike Dannenberg (md)
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.02.2017Moralisten mit Makeln
Krimis in Kürze: Charyn, Connelly, Mendelson
Was für ein Kontrast! Oder ist es eine merkwürdige Koinzidenz? Wofür man sich auch entscheidet, es macht Jerome Charyns Roman "Winterwarnung" (Diaphanes, 328 S., geb., 24 [Euro]) zum Buch der Stunde. Da ist gerade einer ins Weiße Haus eingezogen, den man sich dort nie hatte vorstellen können. Und dort sitzt einer in Charyns Buch, der Isaac Sidel heißt und ein mindestens so unwahrscheinlicher Bewohner ist wie Donald Trump. Sidel war Polizeichef und Bürgermeister in New York, ins Weiße Haus ist er eher hineingerutscht. Aber er lässt den Apparat rotieren, weil er anders als die anderen ist.
"Winterwarnung" ist der zwölfte und letzte Teil der Sidel-Serie. Mehr als vierzig Jahre hat Charyn mit Isaac verbracht, es war keine leichte Beziehung, von der er in seinem wunderbaren Nachwort erzählt, seit er 1973 Manfred Coen als eine Kombination aus sich selbst und seinem Bruder Harvey, einem New Yorker Cop, erfand und ihn Sidel als Chef unterstellte, der dann bald das Kommando an sich riss und die Serie zu seiner Saga machte.
Als Präsident ist Sidel ein Tarantino-Charakter, was nicht verwundert, da Charyn auch ein (leider nicht übersetztes) Buch über Tarantino geschrieben hat. In "Winterwarnung" wird Washington daher zur wilden Landschaft mit bizarren Gestalten. Das Unwahrscheinliche ist der Normalzustand, die Routinen der Plot-Entwicklung sind suspendiert. Charyn kann sich das leisten, weil er das Genre kennt, weil er dessen Asphaltblüten liebt und weil in seinem Biotop zahlreiche neue gedeihen. Er macht Sidel, den "Golem mit der Glock", zum Ziel einer Verschwörung, hinter der ein begnadeter russischer Fälscher, ein Basler Bankier, ein deutscher Nachtclubbesitzer, ein "Darth Vader der Devisenmärkte" und noch ein paar andere Sinistre stecken. "Winterwarnung" mit seiner funkelnden, bildreichen Prosa ist ein Buch, das mit dem Washingtoner Establishment auf seine Weise Schlitten fährt.
Für Michael Connelly sind die Gesetze des Genres der Goldstandard. Dafür schätzt man ihn, weil Subversion bei vielen Adepten nur der Deckname für Konfusion ist, deswegen liest man ihn seit mehr als zwanzig Jahren. Deshalb ist sein Hieronymus "Harry" Bosch zu einer stabilen Größe in der "Hall of Fame" des Kriminalromans geworden. Er hat einiges mitgemacht mit Vorgesetzten und Verbrechern in den nunmehr zwanzig Büchern, in denen er aufgetaucht ist; auch wir haben mit ihm einiges erduldet und verziehen, dass er, während seiner kurzen Auszeit als privater Ermittler, auf einmal in der ersten Person Singular zu erzählen begann. Die Scheuklappen des Ichs bekamen den Büchern nicht, weil einer wie Bosch mit seinem ausgeprägten Gerechtigkeitsdrang und einem gewissen Hang zur Selbstgerechtigkeit mehr erzählerischen Überblick braucht, um nicht unsympathisch zu werden.
In "Scharfschuss" (Droemer, 464 S., geb., 22,99 [Euro]) gelingt Connelly auch wieder eine komplexe Konstruktion, die zwei Fälle überzeugend verknüpft. Bosch hat eine neue Partnerin, Lucia Soto, sie bearbeiten einen "cold case", den ungeklärten Mord an einem Mariachi-Musiker, bis sich eine Querverbindung ergibt zu einem traumatischen Erlebnis aus Sotos Kindheit. Und weil Boschs moralischer Grundsatz "entweder zählt jeder oder keiner" unerschütterlich ist, arbeiten sie bald zweigleisig. Klar, Bosch nervt, aber er wäre nicht Bosch, wenn er das nicht täte, und so wünscht man sich, er möge nicht demnächst in Pension gehen, obwohl Alter und Arbeitsvertrag das nahelegen.
Colonel Vaughn de Vries könnte so etwas wie Boschs südafrikanischer Stiefbruder werden. Ein Moralist mit Makeln, zu deren schwersten zählt, dass er schon Polizist zu Zeiten des Apartheid-Regimes war, ohne dadurch vollends kompromittiert zu sein. Auch der Brite Paul Mendelson hat einen extrem sturen, schon leicht verbitterten Cop erfunden, der von Dienstweg und diplomatischem Verhalten nicht viel hält und dem seine schwarzen Vorgesetzten nicht trauen.
Die Schatten der Vergangenheit fallen noch immer in seinen Alltag, in einem Land, das sich mühsam nach den Jahren der Apartheid als Nation konstituieren und als Gesellschaft finden muss. "Die Straße ins Dunkel" (Rowohlt, 400 S., br., 16,99 [Euro]) ist daher ein passender deutscher Titel, denn der Weg nach der Ermordung einer reichen Erbin, deren Vater eine Säule des alten Regimes war, führt de Vries auf vermintes Terrain. Der Fall zieht Kreise bis nach Pretoria. Zugleich ist da die Angst, ein Rächer könne auch de Vries beseitigen, da mehrere andere Beteiligte an einem lange zurückliegenden Einsatz tot aufgefunden werden.
Paul Mendelson erzählt klar und hart und mit gutem Gespür für Situationen und Schauplätze, für die politischen Verwicklungen und moralischen Verstrickungen. Es ist ein kompakter, politisch aufgeladener Roman, der mal wieder demonstriert, dass man ein Genre manchmal "nur" konsequent und präzise ausfüllen muss, um etwas über die zentralen Widersprüche und Friktionen einer Gesellschaft zu erfahren.
PETER KÖRTE
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Krimis in Kürze: Charyn, Connelly, Mendelson
Was für ein Kontrast! Oder ist es eine merkwürdige Koinzidenz? Wofür man sich auch entscheidet, es macht Jerome Charyns Roman "Winterwarnung" (Diaphanes, 328 S., geb., 24 [Euro]) zum Buch der Stunde. Da ist gerade einer ins Weiße Haus eingezogen, den man sich dort nie hatte vorstellen können. Und dort sitzt einer in Charyns Buch, der Isaac Sidel heißt und ein mindestens so unwahrscheinlicher Bewohner ist wie Donald Trump. Sidel war Polizeichef und Bürgermeister in New York, ins Weiße Haus ist er eher hineingerutscht. Aber er lässt den Apparat rotieren, weil er anders als die anderen ist.
"Winterwarnung" ist der zwölfte und letzte Teil der Sidel-Serie. Mehr als vierzig Jahre hat Charyn mit Isaac verbracht, es war keine leichte Beziehung, von der er in seinem wunderbaren Nachwort erzählt, seit er 1973 Manfred Coen als eine Kombination aus sich selbst und seinem Bruder Harvey, einem New Yorker Cop, erfand und ihn Sidel als Chef unterstellte, der dann bald das Kommando an sich riss und die Serie zu seiner Saga machte.
Als Präsident ist Sidel ein Tarantino-Charakter, was nicht verwundert, da Charyn auch ein (leider nicht übersetztes) Buch über Tarantino geschrieben hat. In "Winterwarnung" wird Washington daher zur wilden Landschaft mit bizarren Gestalten. Das Unwahrscheinliche ist der Normalzustand, die Routinen der Plot-Entwicklung sind suspendiert. Charyn kann sich das leisten, weil er das Genre kennt, weil er dessen Asphaltblüten liebt und weil in seinem Biotop zahlreiche neue gedeihen. Er macht Sidel, den "Golem mit der Glock", zum Ziel einer Verschwörung, hinter der ein begnadeter russischer Fälscher, ein Basler Bankier, ein deutscher Nachtclubbesitzer, ein "Darth Vader der Devisenmärkte" und noch ein paar andere Sinistre stecken. "Winterwarnung" mit seiner funkelnden, bildreichen Prosa ist ein Buch, das mit dem Washingtoner Establishment auf seine Weise Schlitten fährt.
Für Michael Connelly sind die Gesetze des Genres der Goldstandard. Dafür schätzt man ihn, weil Subversion bei vielen Adepten nur der Deckname für Konfusion ist, deswegen liest man ihn seit mehr als zwanzig Jahren. Deshalb ist sein Hieronymus "Harry" Bosch zu einer stabilen Größe in der "Hall of Fame" des Kriminalromans geworden. Er hat einiges mitgemacht mit Vorgesetzten und Verbrechern in den nunmehr zwanzig Büchern, in denen er aufgetaucht ist; auch wir haben mit ihm einiges erduldet und verziehen, dass er, während seiner kurzen Auszeit als privater Ermittler, auf einmal in der ersten Person Singular zu erzählen begann. Die Scheuklappen des Ichs bekamen den Büchern nicht, weil einer wie Bosch mit seinem ausgeprägten Gerechtigkeitsdrang und einem gewissen Hang zur Selbstgerechtigkeit mehr erzählerischen Überblick braucht, um nicht unsympathisch zu werden.
In "Scharfschuss" (Droemer, 464 S., geb., 22,99 [Euro]) gelingt Connelly auch wieder eine komplexe Konstruktion, die zwei Fälle überzeugend verknüpft. Bosch hat eine neue Partnerin, Lucia Soto, sie bearbeiten einen "cold case", den ungeklärten Mord an einem Mariachi-Musiker, bis sich eine Querverbindung ergibt zu einem traumatischen Erlebnis aus Sotos Kindheit. Und weil Boschs moralischer Grundsatz "entweder zählt jeder oder keiner" unerschütterlich ist, arbeiten sie bald zweigleisig. Klar, Bosch nervt, aber er wäre nicht Bosch, wenn er das nicht täte, und so wünscht man sich, er möge nicht demnächst in Pension gehen, obwohl Alter und Arbeitsvertrag das nahelegen.
Colonel Vaughn de Vries könnte so etwas wie Boschs südafrikanischer Stiefbruder werden. Ein Moralist mit Makeln, zu deren schwersten zählt, dass er schon Polizist zu Zeiten des Apartheid-Regimes war, ohne dadurch vollends kompromittiert zu sein. Auch der Brite Paul Mendelson hat einen extrem sturen, schon leicht verbitterten Cop erfunden, der von Dienstweg und diplomatischem Verhalten nicht viel hält und dem seine schwarzen Vorgesetzten nicht trauen.
Die Schatten der Vergangenheit fallen noch immer in seinen Alltag, in einem Land, das sich mühsam nach den Jahren der Apartheid als Nation konstituieren und als Gesellschaft finden muss. "Die Straße ins Dunkel" (Rowohlt, 400 S., br., 16,99 [Euro]) ist daher ein passender deutscher Titel, denn der Weg nach der Ermordung einer reichen Erbin, deren Vater eine Säule des alten Regimes war, führt de Vries auf vermintes Terrain. Der Fall zieht Kreise bis nach Pretoria. Zugleich ist da die Angst, ein Rächer könne auch de Vries beseitigen, da mehrere andere Beteiligte an einem lange zurückliegenden Einsatz tot aufgefunden werden.
Paul Mendelson erzählt klar und hart und mit gutem Gespür für Situationen und Schauplätze, für die politischen Verwicklungen und moralischen Verstrickungen. Es ist ein kompakter, politisch aufgeladener Roman, der mal wieder demonstriert, dass man ein Genre manchmal "nur" konsequent und präzise ausfüllen muss, um etwas über die zentralen Widersprüche und Friktionen einer Gesellschaft zu erfahren.
PETER KÖRTE
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Mendelson zeichnet den Schauplatz Südafrika mit einer Meisterschaft, dass er sich mit alten Hasen wie Deon Meyer messen kann. The Times