Produktdetails
- Verlag: Herder, Freiburg
- Seitenzahl: 351
- Abmessung: 29mm x 139mm x 213mm
- Gewicht: 480g
- ISBN-13: 9783451270932
- ISBN-10: 3451270935
- Artikelnr.: 08289208
- Herstellerkennzeichnung Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.10.1999Da lacht der Laie
Und der Pfarrer windet sich: Für ein Christenleben braucht es keine Weihe / Von Christian Geyer
Was soll sich ein Laie unter dem katholischen Laien vorstellen? Kann es sein, dass eine Kirche die Mehrzahl ihrer Gläubigen mit dem Etikett des Nichtfachmannes, der Nichtfachfrau belegt? An diesem erstaunlichen Befund ändert auch der Hinweis nichts, dass man im theologischen Sprachgebrauch mit dem Laien nicht etwa den Ahnungslosen, sondern den Nichtgeistlichen, ethmologisch sauber: den zum Volk Gehörigen meint. Denn Tatsache bleibt doch, dass man in der längsten Zeit der Kirchengeschichte dachte, das Christsein erfülle sich im Kleriker und der Nichtgeistliche sei dazu verurteilt, ein geistliches Leben zweiter Klasse zu führen. Was von frühchristlicher wie von heutiger Zeit aus gesehen wie ein grosses historisches Missverständnis wirken muss, war doch, so zeigt der Fribourger Theologieprofessor Leo Karrer in seinem Buch "Die Stunde der Laien", über Jahrhunderte hin eine herrschende Theologenmeinung.
Dass erst in unserem Jahrhundert nicht zuletzt unter protestantischem Einfluss in der katholischen Kirche die Mündigkeit des Laien wiederentdeckt wurde, wird von Karrer gebührend als theologischer Segen beschrieben. Dass die Mündigkeitsvokabel gerade in der deutschsprachigen Kirche auch manch unmündige Verwendung findet, bleibt dagegen unterbelichtet. So gibt es ganz offensichtlich einen ausgreifenden Gebrauch des Laienbegriffs, der dazu führt, dass die theologischen Grenzen zum geweihten Priestertum, wie es für die katholische Kirche konstitutiv ist, verschwimmt. Die Aufhebung der theologischen Differenz zwischen dem Priestertum des sakramental Geweihten und des Laien führt zu mancherlei Anachronismen. Laien sehen dann ganz unabhängig von jedem Priesternotstand ihre Erfüllung darin, im Gottesdienst zu predigen, so als ginge es wie früher wieder darum, den Kleriker nachzuahmen. Priester wiederum stellen die nur ihnen mögliche Spendung von Sakramenten zurück, so als solle nicht auffallen, welche Aufgabe sie von den Laien unterscheidet. Was man in der säkularen Welt als funktionale Differenzierung begrüßen würde, wird in manchen sich lebensnah gebenden Kreisen der katholischen Kirche noch immer als unanständig empfunden: Als begründe eine andere Aufgabe ein moralisches Vorrecht. Karrer macht es sich daher zu einfach, wenn er hinter der Warnung vor der "Klerikalisierung der Laien und der Laisierung des Klerus" nur eine Form der Besitzstandswahrung sieht: die "Angst um die klare ständische Ordnung".
Natürlich hat der Autor recht, wenn er betont, dass das Engagement des Laien sich auch auf verschiedene kirchliche Aufgabenfelder erstrecken kann. Aber entscheidend für den Status des Laien bleibt doch sein "Weltcharakter", wie es in einer entlarvend klerikalen Wendung des Zweiten Vatikanischen Konzils heisst. Das müsste dem Laien sein Dasein eigentlich angenehm machen. Denn anders als der den vielfältigen Regelmentierungen eines klerikalen Milieus unterworfene Geistliche flottiert er frei. So lebt er sein Christentum in einem durchaus urchristlichen Sinn, der sich wenigstens in soziologischer Hinsicht als ein eminent zeitgemäßer herausstellt. Denn in der Moderne, zu deren Kennzeichen die Entstrukturierung der Milieus gehört, ist der Glaube nicht um so präsenter, je kompakter die Kirche als gesellschaftliche Großgruppe agiert, sondern je integrer die einzelnen Christen in ihrem Lebensbereich sind. Hier sitzen die heute zentralen Fragen auf dem Schnittpunkt von Soziologie und Theologie, die von Karrer nicht prägnant genug herausgestellt werden.
Warum sich zur Bewältigung der "weltlichen Dinge" (Gryphius) in ein kirchliches Milieu eingliedern? Das ist die Frage, die sich in anderer Form auch hinter den sogenannten "neuen Bewegungen" erhebt, zu denen sich innerhalb der Kirche in den letzten dreissig Jahren vorwiegend Laien zusammengeschlossen haben. Paul Josef Cordes, Präsident des Päpstlichen Rates "Cor unum", hat mit einer Reihe von Gründern solcher Gemeinschaften Interviews geführt und sie zusammen mit einem begleitenden Aufsatz unter dem Titel "Nicht immer das alte Lied. Glaubensanstöße der Kirche" vorgelegt. Namen wie Fokular-Bewegung, Gemeinschaft Emmanuel oder Communione e Liberazione hört man hierzulande seltener als den Begriff "Zentralkomitee der deutschen Katholiken" (Zdk). Aber das Zentralkomitee ist eben keine Repräsentanz "der", sondern nur eine solche "von" Katholiken. Warum es in diesem Sinne seinen aus dem vorigen Jahrhundert stammenden Namen nicht ändert, um ihn der gesellschaftlichen Wirklichkeit anzupassen, ist denn auch nicht recht einsehbar.
Repräsentanz ist jedenfalls nicht die Kategorie, in der die Mitglieder der "neuen Bewegungen" ihr Christsein fassen. Wer von ihnen "gesellschaftliche Präsenz" ausübt - so pflegen Theologen das normale Leben zu nennen -, tut dies in eigenem Namen und nimmt dafür nicht den Segen des Vereins in Anspruch, dem er angehört. In dieser nicht delegierbaren Eigenverantwortung liegt nach übereinstimmender Auffassung der Interviewpartner ein Kernelement der Laienspiritualität. Aber ist nicht gerade deshalb die Sozialisierung in einer "Bewegung" auch eine ständige Bedrohung der Laienspiritualität? Cordes konfrontiert eine Interviewpartnerin mit dem Einwand der "Wärmestuben-Mentalität". Tatsächlich stellt sich die Frage, welchen Kulturbegriff jemand hat, der seine Welt in "unterschiedliche Arbeits- und Evangelisationsgruppen" einteilt. "Christliche Psychologen, Landwirte, Wissenschaftler" arbeiteten daran, zwischen dem Glauben und der Welt eine Brücke zu bauen", sagt die Gründerin einer Bewegung. Eben diese strategische Absicht scheint es "Bewegungslaien" nicht immer leicht zu machen, ihre Religion mit der Autonomie des von ihnen verantworteten säkularen Sachbereichs in ein stimmiges Verhältnis zu setzen. Wer hinter jeder Ecke den Heilige Geist zu sichten glaubt, kann rasch blind werden für das Eigengewicht der weltlichen Dinge. Möglicherweise auch für den Heiligen Geist selbst. Denn seine Ortsbestimmung ist nicht so leicht vorzunehmen, wie einem das an manchen vom Geist beschwingten Bibelabenden vorkommen mag. Auch das in den Bewegungen nach altem christlichen Brauch gepflegte Gespräch zur geistlichen Führung - oder Begleitung, wie es weltverträglicher heißt - bedarf wohl großer Zurückhaltung und eines ausgeprägten Bewußtseins von der Endlichkeit menschlicher Ratschläge. Anderenfalls läuft man Gefahr, unter dem Etikett des christlichen Gehorsams Erfahrungen zu sabotieren, ohne die der Christ seinem Laienstatus nicht gerecht werden kann. Dass neben allen geistlichen Chancen, die in den neuen Bewegungen zweifellos stecken, auf diese Weise auch nicht unerhebliche Risiken auftauchen, bleibt bei der Lektüre des Buches nicht verborgen. Welche von diesen Risiken man als Kinderkrankheiten noch junger Institutionen abtun kann, und welche möglicherweise doch strukturell bedingt sind, wird sich in der Kirchengeschichte erst noch herausstellen müssen.
Paul Josef Cordes: "Nicht immer das alte Lied". Neue Glaubensanstöße der Kirche. Bonifatius Verlag, Paderborn 1999. 212 S., geb., 39,80 DM.
Leo Karrer: "Die Stunde der Laien". Von der Würde eines namenlosen Standes. Herder Verlag, Freiburg 1999. 351 S., geb., 39,80 DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Und der Pfarrer windet sich: Für ein Christenleben braucht es keine Weihe / Von Christian Geyer
Was soll sich ein Laie unter dem katholischen Laien vorstellen? Kann es sein, dass eine Kirche die Mehrzahl ihrer Gläubigen mit dem Etikett des Nichtfachmannes, der Nichtfachfrau belegt? An diesem erstaunlichen Befund ändert auch der Hinweis nichts, dass man im theologischen Sprachgebrauch mit dem Laien nicht etwa den Ahnungslosen, sondern den Nichtgeistlichen, ethmologisch sauber: den zum Volk Gehörigen meint. Denn Tatsache bleibt doch, dass man in der längsten Zeit der Kirchengeschichte dachte, das Christsein erfülle sich im Kleriker und der Nichtgeistliche sei dazu verurteilt, ein geistliches Leben zweiter Klasse zu führen. Was von frühchristlicher wie von heutiger Zeit aus gesehen wie ein grosses historisches Missverständnis wirken muss, war doch, so zeigt der Fribourger Theologieprofessor Leo Karrer in seinem Buch "Die Stunde der Laien", über Jahrhunderte hin eine herrschende Theologenmeinung.
Dass erst in unserem Jahrhundert nicht zuletzt unter protestantischem Einfluss in der katholischen Kirche die Mündigkeit des Laien wiederentdeckt wurde, wird von Karrer gebührend als theologischer Segen beschrieben. Dass die Mündigkeitsvokabel gerade in der deutschsprachigen Kirche auch manch unmündige Verwendung findet, bleibt dagegen unterbelichtet. So gibt es ganz offensichtlich einen ausgreifenden Gebrauch des Laienbegriffs, der dazu führt, dass die theologischen Grenzen zum geweihten Priestertum, wie es für die katholische Kirche konstitutiv ist, verschwimmt. Die Aufhebung der theologischen Differenz zwischen dem Priestertum des sakramental Geweihten und des Laien führt zu mancherlei Anachronismen. Laien sehen dann ganz unabhängig von jedem Priesternotstand ihre Erfüllung darin, im Gottesdienst zu predigen, so als ginge es wie früher wieder darum, den Kleriker nachzuahmen. Priester wiederum stellen die nur ihnen mögliche Spendung von Sakramenten zurück, so als solle nicht auffallen, welche Aufgabe sie von den Laien unterscheidet. Was man in der säkularen Welt als funktionale Differenzierung begrüßen würde, wird in manchen sich lebensnah gebenden Kreisen der katholischen Kirche noch immer als unanständig empfunden: Als begründe eine andere Aufgabe ein moralisches Vorrecht. Karrer macht es sich daher zu einfach, wenn er hinter der Warnung vor der "Klerikalisierung der Laien und der Laisierung des Klerus" nur eine Form der Besitzstandswahrung sieht: die "Angst um die klare ständische Ordnung".
Natürlich hat der Autor recht, wenn er betont, dass das Engagement des Laien sich auch auf verschiedene kirchliche Aufgabenfelder erstrecken kann. Aber entscheidend für den Status des Laien bleibt doch sein "Weltcharakter", wie es in einer entlarvend klerikalen Wendung des Zweiten Vatikanischen Konzils heisst. Das müsste dem Laien sein Dasein eigentlich angenehm machen. Denn anders als der den vielfältigen Regelmentierungen eines klerikalen Milieus unterworfene Geistliche flottiert er frei. So lebt er sein Christentum in einem durchaus urchristlichen Sinn, der sich wenigstens in soziologischer Hinsicht als ein eminent zeitgemäßer herausstellt. Denn in der Moderne, zu deren Kennzeichen die Entstrukturierung der Milieus gehört, ist der Glaube nicht um so präsenter, je kompakter die Kirche als gesellschaftliche Großgruppe agiert, sondern je integrer die einzelnen Christen in ihrem Lebensbereich sind. Hier sitzen die heute zentralen Fragen auf dem Schnittpunkt von Soziologie und Theologie, die von Karrer nicht prägnant genug herausgestellt werden.
Warum sich zur Bewältigung der "weltlichen Dinge" (Gryphius) in ein kirchliches Milieu eingliedern? Das ist die Frage, die sich in anderer Form auch hinter den sogenannten "neuen Bewegungen" erhebt, zu denen sich innerhalb der Kirche in den letzten dreissig Jahren vorwiegend Laien zusammengeschlossen haben. Paul Josef Cordes, Präsident des Päpstlichen Rates "Cor unum", hat mit einer Reihe von Gründern solcher Gemeinschaften Interviews geführt und sie zusammen mit einem begleitenden Aufsatz unter dem Titel "Nicht immer das alte Lied. Glaubensanstöße der Kirche" vorgelegt. Namen wie Fokular-Bewegung, Gemeinschaft Emmanuel oder Communione e Liberazione hört man hierzulande seltener als den Begriff "Zentralkomitee der deutschen Katholiken" (Zdk). Aber das Zentralkomitee ist eben keine Repräsentanz "der", sondern nur eine solche "von" Katholiken. Warum es in diesem Sinne seinen aus dem vorigen Jahrhundert stammenden Namen nicht ändert, um ihn der gesellschaftlichen Wirklichkeit anzupassen, ist denn auch nicht recht einsehbar.
Repräsentanz ist jedenfalls nicht die Kategorie, in der die Mitglieder der "neuen Bewegungen" ihr Christsein fassen. Wer von ihnen "gesellschaftliche Präsenz" ausübt - so pflegen Theologen das normale Leben zu nennen -, tut dies in eigenem Namen und nimmt dafür nicht den Segen des Vereins in Anspruch, dem er angehört. In dieser nicht delegierbaren Eigenverantwortung liegt nach übereinstimmender Auffassung der Interviewpartner ein Kernelement der Laienspiritualität. Aber ist nicht gerade deshalb die Sozialisierung in einer "Bewegung" auch eine ständige Bedrohung der Laienspiritualität? Cordes konfrontiert eine Interviewpartnerin mit dem Einwand der "Wärmestuben-Mentalität". Tatsächlich stellt sich die Frage, welchen Kulturbegriff jemand hat, der seine Welt in "unterschiedliche Arbeits- und Evangelisationsgruppen" einteilt. "Christliche Psychologen, Landwirte, Wissenschaftler" arbeiteten daran, zwischen dem Glauben und der Welt eine Brücke zu bauen", sagt die Gründerin einer Bewegung. Eben diese strategische Absicht scheint es "Bewegungslaien" nicht immer leicht zu machen, ihre Religion mit der Autonomie des von ihnen verantworteten säkularen Sachbereichs in ein stimmiges Verhältnis zu setzen. Wer hinter jeder Ecke den Heilige Geist zu sichten glaubt, kann rasch blind werden für das Eigengewicht der weltlichen Dinge. Möglicherweise auch für den Heiligen Geist selbst. Denn seine Ortsbestimmung ist nicht so leicht vorzunehmen, wie einem das an manchen vom Geist beschwingten Bibelabenden vorkommen mag. Auch das in den Bewegungen nach altem christlichen Brauch gepflegte Gespräch zur geistlichen Führung - oder Begleitung, wie es weltverträglicher heißt - bedarf wohl großer Zurückhaltung und eines ausgeprägten Bewußtseins von der Endlichkeit menschlicher Ratschläge. Anderenfalls läuft man Gefahr, unter dem Etikett des christlichen Gehorsams Erfahrungen zu sabotieren, ohne die der Christ seinem Laienstatus nicht gerecht werden kann. Dass neben allen geistlichen Chancen, die in den neuen Bewegungen zweifellos stecken, auf diese Weise auch nicht unerhebliche Risiken auftauchen, bleibt bei der Lektüre des Buches nicht verborgen. Welche von diesen Risiken man als Kinderkrankheiten noch junger Institutionen abtun kann, und welche möglicherweise doch strukturell bedingt sind, wird sich in der Kirchengeschichte erst noch herausstellen müssen.
Paul Josef Cordes: "Nicht immer das alte Lied". Neue Glaubensanstöße der Kirche. Bonifatius Verlag, Paderborn 1999. 212 S., geb., 39,80 DM.
Leo Karrer: "Die Stunde der Laien". Von der Würde eines namenlosen Standes. Herder Verlag, Freiburg 1999. 351 S., geb., 39,80 DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
In einer Doppelrezension bespricht Christian Geyer "Nicht immer das alte Lied" von Paul Josef Cordes und "Die Stunde der Laien" von Leo Karrer. Cordes spürt nach Geyer in mehreren Interviews den "neuen Bewegungen" der katholischen Kirche nach. Die meisten der Interviewpartner beriefen sich dabei auf die "Eigenverantwortlichkeit" als Kernelement der Laienspiritualität. Geyer lobt, dass das Buch durchaus auch die Risiken aufzeige, die in diesen neuen Bewegungen lägen. Karrer kommt nicht so gut weg. Geyer wirft ihm vor, "zentrale Fragen auf dem Schnittpunkt von Soziologie und Theologie" nicht deutlich genug zu stellen. Vor allem warne Karrer nicht genug vor der Gefahr der Laizisierung der Kleriker und einer Klerikalisierung der Laien. Karrer wittere bei Warnungen vor diesen Tendenzen nur Standesdenken und unterstreiche nicht die Gefahr, die in der Verwischung der Unterschiede bestehe.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH