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Anfang März 1939, die letzten Tage des republikanischen Madrid. Das Chaos in der Stadt ist unvorstellbar. Denunziation und Verdächtigungen greifen um sich, niemand ist vor niemandem mehr sicher. Die Regierung hat den letzten Rest an Autorität verspielt. Ohne sich abzustimmen, unternehmen einige Generäle und Politiker einen letzten Versuch, die Macht in die Hand zu nehmen und einen Friedensschluß zu verhandeln. Eines der vielen Einzelschicksale, die der Roman verfolgt, ist das des ahnungslosen Vicente Dalmascs, der als Verräter verdächtigt wird und in den Wirren seine Unschuld nicht beweisen…mehr

Produktbeschreibung
Anfang März 1939, die letzten Tage des republikanischen Madrid. Das Chaos in der Stadt ist unvorstellbar. Denunziation und Verdächtigungen greifen um sich, niemand ist vor niemandem mehr sicher. Die Regierung hat den letzten Rest an Autorität verspielt. Ohne sich abzustimmen, unternehmen einige Generäle und Politiker einen letzten Versuch, die Macht in die Hand zu nehmen und einen Friedensschluß zu verhandeln. Eines der vielen Einzelschicksale, die der Roman verfolgt, ist das des ahnungslosen Vicente Dalmascs, der als Verräter verdächtigt wird und in den Wirren seine Unschuld nicht beweisen kann. Ausgerechnet Lola, mit der er seine Verlobte Asuncion betrogen hat, gibt sich seinen Peinigern hin, um ihn zu retten. In Vicente spiegelt sich, wie in vielen anderen Figuren, die Tragik der historischen Ausnahmesituation.
Autorenporträt
Max Aub, geb. am 2. Juni 1903 in Paris, starb am 24. Juni 1972 in Mexico City. Als Sohn eines Deutschen und einer Französin lernte er erst mit vierzehn Jahren Spanisch, als die Familie nach Valencia emigrierte. Er war befreundet mit Ernest Hemingway, Andre Malraux und vor allem Pablo Picasso. Er kämpfte im Spanischen Bürgerkrieg und gab als Kulturattache in Paris 1937 den Auftrag an Picasso für 'Guernica'. 1940-42 in Konzentrationslagern, ab 1945 im Exil in Mexiko.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 19.06.2001

Verratenes Madrid – verratene Republik
Weiter im „Magischen Labyrinth” des Max Aub: „Nichts geht mehr”, der vierte Band der Romanreihe
„Welcher Verrat öffnet die Türen? Welcher Tod schleicht sich hinterrücks an die Lichter der Stadt heran?” – „Die Lüge. Es gilt zu siegen, und sei es mit Hilfe von Lügen. Damit sie nicht einmarschieren. Damit sie nicht durchkommen. Damit sie Madrid nicht erobern ...” Ahnungsvolle Sätze, Sätze aus den ersten Bänden des „Magischen Labyrinths”, die einem wieder aufscheinen – jetzt bei der Fortsetzung von Max Aubs infernalischem Reigen über den Spanischen Bürgerkrieg. Vier Bände sind inzwischen erschienen. Ihre Wirkung auf den Leser liegt gleichwohl in der dynamischen Lektüre mit dem Blick auf das Ganze, dem Gedächtnis wie eingebrannten work in progress. Die spanischen Originaltitel, mit dem Substantiv „campo” und einem Adjektiv oder einer Substantiv-Zusammensetzung gebildet, betonen diesen engen historisch- thematischen Zusammenhang. Da „campo” sowohl „Feld”, „Schlachtfeld” – als auch „Konzentrationslager” heißen kann, haben die beiden souveränen Übersetzer treffende, interpretatorische Titel gebildet.
Im Blick zurück und zugleich nach vorn zu Band IV: „Nichts geht mehr” („Campo cerrado”) spielt zunächst zu Beginn des Jahrhunderts in der Provinz von Valencia, dann hauptsächlich im Juli 1936, also bei Ausbruch des Bürgerkriegs, und endet im brennenden Barcelona. Im „Theater der Hoffnung” („Campo abierto”) sind die Mitglieder einer Theatergruppe ins Kriegsgeschehen zwischen Valencia, Burgos und Madrid verwickelt. „Blutiges Spiel” („Campo de sangre”) beschäftigt sich mit der erbitterten Schlacht um Teruel, von Dezember 1937 bis März 1938.
Der Titel des vierten Bandes nun, „Campo del moro” („Die Stunde des Verrats”), spielt auf einen geschichtsträchtigen Madrider Platz an; hier widerstanden 1109 die Einwohner den maurischen Almoraviden. Aber die republikanische Front, wenn sie überhaupt noch so genannt werden konnte, widerstand den Franco-Truppen am Ende nicht mehr. Aub konzentriert sich hier auf die letzten sieben Tage des republikanischen Madrid vom 7. bis 13. März 1939. Trauer, Schrecken, Grausamkeiten, Verrat werden zu Chiffren dieses dramatischen Abschnitts – bevor das tragische Finale mit „Am Ende der Flucht” („Campo francés”) einsetzt und „Bittere Mandeln” („Campo de los almendros”), dem erschütterndsten Teil, den ja auch die Dramatik der Ereignisse vorgab, endet.
Dieses „Magische Labyrinth” wird vom vierten Band an von Aub immer weniger als „magisch” begriffen. Zeitgeschichte, Fiktion, Reflexion bilden allerdings wieder das mixtum compositum, jenes Magma, den „blitzartig” wirkenden Simultanstil, mit dem man Aubs Erzähltechnik umschreiben könnte, die rasche, atemlose Abfolge der Bilder, Argumente, Philosopheme.
Wieder eröffnet der Autor seine suggestive Polyphonie der Stimmen, Ausdruck auch des undurchdringlichen Labyrinths, das der Bürgerkrieg vor allem auf Seiten der vielen linken Gruppierungen darbot: die Tragik der republikanischen Front – was ihre Niederlage mit bedingte – dass Anarchisten, Trotzkisten, Syndikalisten, die Milizen der Regierung, die Internationalen Brigaden nicht nur selten zu einer geschlossenen Front zusammenkamen, sondern dass hinter den Linien Verrat, Füsilierungen, politische Morde die Volksfront schwächten. Diese „wahrhaft dramatische Exposition” (Aub), die der Bürgerkrieg vorgab, konnte nicht aus der Sicht nur eines Erzählers geschildert werden oder in nur ein, zwei herausgehobenen Gestalten, in denen das ganze Elend des Spanischen Bürgerkriegs kulminierte. „Helden”, mit denen sich der Leser identifizieren könnte, gibt es auch in diesem vierten Band nicht. Die tragisch Liebenden Vicente Dalmases, ein intellektueller Kommunist, und Asunción Meliá, eine junge, so einfühlsame wie entschiedenen Frau – sie tauchen auf und verschwinden wieder im Malstrom des Bürgerkriegs. Bis zu ihrem schrecklichen Ende.
Hier nun wird das verratene Madrid zum eigentlichen Schauplatz der Entwertung aller Werte. Fast jeder wird im Wirrwarr Madrids zum Schuldigen oder zum Verräter – ohne es zu wollen. In dieser Ausweglosigkeit der Gesamtereignisse gerät Vicente Dalmases in einen politischen Hinterhalt, wird verdächtigt, ein Verräter zu sein. Aber „verraten” hat er eigentlich seine Genossin und Verlobte, indem er sie mit Lola betrog; die sich wiederum seinen Feinden hingibt, um ihn zu retten. Die reflexive Bildhaftigkeit Aubs überspielt für Momente Sarkasmus und Ironie, wenn Lola ihre Liebe zu Vicente angesichts der Toten im Krankenhaus imaginiert, um der grausamen Realität zu entkommen: „Sobald Lola den Tod sieht, kennt sie ihn nicht mehr. Sie stellt sich ihn vor wie erste Hilfe-Station – oder dort, in San Carlos: Organe, Gehirne, bloßgelegt, blutrot. Aber das ist nicht der Tod. Für sie ist der Tod das, was sie fühlt, wenn sie in den Armen ihres Geliebten liegt, ohne sich ihm wirklich hingeben zu können. Liebe – denkt – sie – oder der Tod. Die Liebe, der Besitz, der Körper, der unerreichbar ist, oder der Tod. Dring in mich ein, Geliebter! Spieß mich auf! Wirf mich nieder, zermahle mich, töte mich. Was ist sterben anderes als lieben? Lieben heißt nicht zu sein, ich aber bin .. .”
Gedeutet freilich wird „Die Stunde des Verrats” vor allem durch eine Fülle von miniaturhaften Steckbriefen, absurden Dialogen, die das irrwitzige Panorama des Romans bilden. Fidel Muñoz, selbsterklärter Anarchist, Familienvater schießt auf eigene Faust von seinem zerstörten, noch nicht abbezahlten Haus auf Faschisten. Don Manuel, Spiritist, wird beinahe als Spion hingerichtet, weil er zugibt, mit „geheimen Mächten” zu kommunizieren. Dabei hatte sich der Handlungsreisende in Rasierwasser und esoterischen Büchern längst zu den Antifaschisten geschlagen. Die Welt am Vorabend des Untergangs ist aus den Fugen, und Aub kann sie nur noch ironisierend deuten, was bis in die sarkastischen Sprachspielen spürbar wird: „Moisés Gamboa: Antiquar und schon lange nicht mehr jung, seit dreißig Jahren verheiratet mit einer höheren Tochter aus Zamora, die zuerst auf den Hund und dann, für einen Neuanfang nach Madrid gekommen war.”
Eine der Leidenschaften Aubs war das Theater; mehr als 40 Stücke hat er geschrieben. Die Fähigkeit, durch Dialoge zu erzählen und so seine Figuren zu verlebendigen, ist auf vielen Seiten seines Zyklus strukturelle Intention. Ja, es ist eine der Techniken, die Aub ganz virtuos entwickelte. Sein Theater ist ein Theater des Untergangs. Aub beruft sich denn auch auf den großen spanischen Realisten Benito Pérez Gáldos, der als erster von der Verschwisterung zwischen Theater und Roman sprach, genauer vom Erzählstil des „intensiven Romans oder des extensiven Dramas”. Aub hat so eine „Erzählform” geschaffen, die dem Film nahe ist. Er hatte fast zwei Jahre mit André Malraux an der Verfilmung von dessen Roman „L’Espoir” / „Die Hoffnung” gearbeitet. Kenntnis, Einsicht und Begeistgerung des Theatermanns und Epikers Aub für eine neue, vom Film inspirierte dramatische Erzähltechnik – man kann sie an jeder Stelle seines Romans erkennen. Entscheidend ist Aubs epische Komposition in ihrer Zusammensetzung aus einer sehr bildhaften Beschreibung und einem dramatischen Dialogspiel.
Sein Erzählen ist wider den falschen Realismus konzipiert, gegen eine Epik, die sich als Markenzeichen dem obsoleten vitalen Realismus verschrieben hat. Der sprach- und bildverliebte Aub ist die integrative „Leitfigur”, die hie und da einmal etwas hyperargumentativ durchs Labyrinth führt.
Antonio Muñoz Molina hat kürzlich in einer Diskussion den Begriff Exil- Autor für Max Aub als untauglich zurückgewiesen. Sicherlich, entstehen konnte „Das magische Labyrinth” nur durch die Erfahrungen des Republikaners Aub, durch Flucht, Gefangenschaft und mexikanisches Exil. Doch hat Aub mit seiner Erzähltechnik ein so authentisches Panorama geschaffen, als habe er Spanien, das Land seiner Leidenschaft und Trauer, nie verlassen.
HANS-JÜRGEN SCHMITT
MAX AUB: Die Stunde des Verrats. Das Magische Labyrinth. Band 4. Roman. Aus dem Spanischen von Albrecht Buschmann und Stefanie Gerhold. Hrsg., kommentiert von Mercedes Figueras. Eichborn Verlag, Berlin. 370 S., 59,80 Mark.
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