Toni Feller hat lange Jahre als Kriminalkommissar gearbeitet - der Mann weiß also, wovon er spricht, wenn er einen Fall beschreibt! Und das merkt man: es wirkt alles sehr authentisch und realistisch, als könne es sich genau so tatsächlich zugetragen haben. Man erfährt hier viel darüber, was hinter
den Kulissen bei der Polizei vor sich geht, wenn ein Mord passiert - und dabei stellt man fest, dass…mehrToni Feller hat lange Jahre als Kriminalkommissar gearbeitet - der Mann weiß also, wovon er spricht, wenn er einen Fall beschreibt! Und das merkt man: es wirkt alles sehr authentisch und realistisch, als könne es sich genau so tatsächlich zugetragen haben. Man erfährt hier viel darüber, was hinter den Kulissen bei der Polizei vor sich geht, wenn ein Mord passiert - und dabei stellt man fest, dass vieles ganz anders ist, als es einen besonders Fernsehkrimis glauben machen wollen. Da waren ganz viele Dinge, bei denen ich dachte: so läuft das also! Und das fand ich unglaublich faszinierend; alleine deswegen lohnt es sich meiner Meinung schon, das Buch zu lesen.
Der Fall an sich ist erfunden, beschäftigt sich aber mit einem Thema, das traurigerweise in den letzten Jahren oft in der Presse war: sexueller Missbrauch von Kindern durch katholische Priester. Ein brisantes Thema und sicher auch kein schönes Thema, aber ein wichtiges Thema... Dabei geht der Autor sensibel damit um, wieviel er beschreibt und wieviel er der Fantasie des Lesers überlässt, was ich sehr gut fand - bei einem solchen Thema ist es nur zu einfach, ins Voyeuristische, Sensationsgeile abzudriften. Ich habe mich mit Herrn Feller auf der Buchmesse ein wenig darüber unterhalten, und er hat unter Anderem gesagt, dass man als Autor ja nicht will, dass Pädophile sich an dem Buch aufgeilen können. (Nur hat er es etwas eleganter ausgedrückt.) In den Passagen, die aus Sicht eines der Kinder geschrieben sind, werden der Schmerz, die Angst und die Verwirrung nur zu deutlich, aber das Sexuelle bleibt mehr oder weniger ungesagt. Ich fand das sehr gut gelöst.
Dabei kann man dem Autor nicht unterstellen, dass er in anderen, nicht-sexuellen Szenen zimperlich mit Gewalt umgeht - es gibt durchaus Blut, Schmerz und Elend, immerhin werden hier Menschen verstümmelt. Aber es überschreitet nie die Grenze zu dem, was man im Englischen "torture porn" (Folterporno) nennt: der Darstellung von Gewalt, um dem Leser einen Kick zu geben.
Das Thema sexuelle Gewalt in Kirchenkreisen ist vielleicht nicht neu, aber ich fand es in "Die Sünde" originell und spannend umgesetzt. Man ist als Leser den Ermittlern immer einen kleinen Schritt voraus - man erfährt sehr schnell zumindest einen Teil der Motivation hinter den Tag, und damit kommt man in ein richtiges moralisches und ehtisches Dilemma. Haben die Opfer verdient, was ihnen angetan wird? Rechtfertigt Gewalt Gegengewalt? Viel der Spannung entsteht daher nicht daraus, dass man herausfindet, wer die Taten begangen hat und warum, sondern daraus, dass man den Ermittlern bei ihrem Wettlauf mit der Zeit zusieht. Können Sie das Opfer noch retten? WILL man als Leser, dass sie das Opfer retten?
Die beiden Protagonisten sind Kriminalkommissar Jürgen Nawrod und Kommissaranwärterin Nesrin Yalcin, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Er ist schwierig, manchmal arrogant, oft aggressiv, ein echtes Alphatier. Die Dinge müssen stets nach seinem Kopf gehen, und er schreckt auch nicht davor zurück, die Vorschriften mal eben über Bord zu werfen. Der Autor macht es einem nicht leicht, Nawrod zu mögen, aber so nach und nach habe ich doch mit ihm mitgefiebert, denn im Endeffekt hat er ein gutes Ziel: er will Menschen retten, und es macht ihn wahnsinnig, dass die Bürokratie da oft im Weg steht. Nesrin ist dagegen klein, zierlich und noch ziemlich unerfahren, und man rechnet erstmal damit, dass sie sich von Nawrod gnadenlos unterbuttern lassen wird - aber weit gefehlt, sie gibt ihm von Anfang an Kontra und fährt die Ellenbogen aus. Auch sie ist alles andere als perfekt, so fährt sie zum Beispiel geradezu kriminell halsbrecherisch Auto... Die Charaktere haben Fehler, Ecken, Kanten, Macken, und das fand ich gerade gut.