Die 25-jährige Takako hat einen Job, eine Wohnung in Tokio und einen festen Freund. Als dieser ihr eines Abends freudig eröffnet, er werde heiraten - und zwar eine andere -, fällt sie aus allen Wolken. Vor Kummer verkriecht sie sich und kündigt ihren Job. Als ihr Onkel ihr anbietet, eine Zeitlang in seinem Antiquariat im berühmten »Bücherviertel« Tokios, Jimb ch , auszuhelfen und dort auch unterzukommen, findet sie das zwar zunächst alles andere als reizvoll, willigt aber ein. Doch in dem kleinen Zimmer über dem Laden, inmitten von Büchern, entdeckt sie ihre Leidenschaft fürs Lesen - und schöpft allmählich wieder neue Kraft.
Satoshi Yagisawa erzählt in seinem Bestseller schnörkellos, leichtfüßig und charmant von einer jungen Frau, die durch die heilsame Kraft des Lesens zurück ins Leben und zu neuen Freundschaften findet.
Satoshi Yagisawa erzählt in seinem Bestseller schnörkellos, leichtfüßig und charmant von einer jungen Frau, die durch die heilsame Kraft des Lesens zurück ins Leben und zu neuen Freundschaften findet.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.05.2023Ankerplatz im Antiquariat
Bücher über Bücher und die ihnen gewidmeten Läden haben weltweit Konjunktur. Oft sind sie allzu gefällig geraten. Aber Satoshi Yagisawas Roman "Die Tage in der Buchhandlung Morisaki" sticht aus dem Genre hervor.
Für manche Tokio-Touristen sind die spezialisierten Viertel von besonderem Reiz. Da gibt es die "Elektronikmeile" Akihabara oder etwa Kappabashi, eine Einkaufsstraße mit Läden für Restaurant- und Küchenbedarf, vom Geschirr und Besteck bis hin zu Manufakturen für die so echt aussehenden Nachbildungen von Gerichten und Getränken aller Art in gehärtetem Wachs. Büchernarren hingegen favorisieren Jinbocho, die Bücher- und Verlagsstadt mit der, wie es im Buch selbst heißt, weltgrößten Ansammlung von Buchläden aller Art. Hier, in einem der winzigen, von oben bis unten vollgestopften, individuell geführten Antiquariate, spielt die Geschichte, die uns aus der Perspektive der fünfundzwanzigjährigen Takako erzählt wird.
Takako ist wie vom Blitz getroffen, als sie erfährt, dass ihr fester Freund demnächst heiraten wird - allerdings eine andere. Da sie es nicht aushält, ihm und ihrer bisher unbekannten Rivalin täglich auf der Arbeit zu begegnen, kündigt sie und gibt sich ihrem Kummer hin. Da meldet sich ein Onkel und bietet ihr an, bei ihm für eine Weile im Antiquariat unterzuschlüpfen und auszuhelfen. Zunächst eher widerwillig lässt sie sich auf diese ihr bisher völlig fremde Welt ein, fängt aber zunehmend Feuer. Der Laden mit den oft schrulligen Stammkunden, die Bücher aus dem Sammelgebiet japanische Literatur der Frühmoderne, also aus der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts, die sie nach Ladenschluss ganz für sich allein hat, und die Leute aus der Nachbarschaft, die sie vom Sommer bis zum Frühjahr des nächsten Jahres kennenlernt, dieser Kosmos bringt sie auf neue Gedanken. Sodass sie schließlich ihr Leben neu anzupacken lernt.
Nicht dass Takako von Beginn an eine Leseratte gewesen wäre. Zumal ihr, wie vielen Japanerinnen und Japanern heute, die Literatur der Frühmoderne bis auf wenige Namen und Titel aus dem Schulunterricht ziemlich fernliegt. Ab und zu teilt sie eine gelungene Sentenz aus einem der vergessenen Bücher mit. Aber zum Glück werden wir nicht mit einem Schnellkurs in Literaturgeschichte oder mit Inhaltsangaben traktiert. Was wir beim Lesen mitbekommen, ist das entschleunigte Leben inmitten von Büchern, das wohltuend Analoge und Überschaubare einer mit Humor geschilderten Binnenwelt, in der der Onkel, der selbst das plötzliche Verschwinden seiner Ehefrau vor einigen Jahren zu verkraften hatte, Takako auf burschikose, aber empathische Weise seelisch auf die Sprünge hilft. Im zweiten Teil des Buchs geschieht dann das Überraschende - Takakos Tante Momoko findet sich plötzlich und mit selbstverständlicher Attitüde wieder ein. So trägt jeder seinen Schmerz und vergangene Geheimnisse mit sich durchs Leben. Wer aber mit wachem Auge durchs Leben geht, hat alle Chancen zur Selbstheilung.
Bücher über Buchläden bilden fast so etwas wie ein literarisches Genre für sich. Oft gleichen sich die Muster: Ob die Läden an der Themse liegen, am Stadttor oder in einem Dorf am Meer, in Schottland oder eben in Japan - meist geht es um Zauberwelten, über denen gern auch dräuende Wolken hängen. Hierher verirren oder flüchten sich Menschen, die auf der Suche sind. Oft wissen sie noch nicht, wonach, aber im Laufe der Erzählung findet sich dann ein Geheimnis, ein Sinn, eine Neuorientierung. Und wenn es nur eine Begegnung mit sich selbst ist. "Wohlfühlromane" dieser Art haben anscheinend Konjunktur: Bücher als altmodisches Medium im nostalgischen Raum, dazu die passenden Personen, werden mit liebevollem Erzählerblick gefeiert. So sind auch die Alltagsweisheiten, mit denen die leichtgängige Story gespickt ist, recht universal: "Das Leben ist lang. Zwischendurch muss man auch mal innehalten, Pause machen. Du ankerst hier bloß ein Weilchen, und wenn du dich erholt hast, stichst du wieder in See."
Doch warum dann ausgerechnet diesen japanischen Roman lesen? Weil er kurzweilig geschrieben und verdammt gut übersetzt ist. Und weil er nicht in Nostalgie schwelgt, sondern uns bei aller Kuriosität sehr heutig und hautnah kommt. Da ist das japanische Ambiente nur ein zusätzlicher Unterhaltungsfaktor.
Die Übersetzung liest sich wunderbar frisch, mit lebendigen, ungemein natürlich klingenden Dialogen und in allen Teilen federleichter Prosa. Nimmt man das japanische Original zur Hand, staunt man noch mehr: Da wurde durchaus umgestellt, ja umgeschrieben, manche Passagen werden übersprungen, tauchen aber in Teilen an anderer Stelle wieder auf. Manche Sprachbilder behält die Übersetzung bei, beispielsweise den "Mann mit der Haarpracht einer samenlosen Pusteblume", andere formt sie stark um, zum Beispiel die "Sonne, die wie ein Teenie-Bengel strahlt", wird zur "gelben Scheibe", die "grell grinst". Immer aber geschieht das mit so viel Sprachgefühl und Souveränität, dass man spürt: Da hat jemand ein Konzept für das Buch vor Augen und knetet den Text so um, dass er eine stolperfreie, entspannte Lektüre ermöglicht, wie es sich für ein Trostbuch gehört. So zu übersetzen, schafft man nur mit großer Erfahrung. Sollte Ute Enders ihr Talent womöglich jahrzehntelang im Verborgenen kultiviert haben? Die an japanischer Literatur auf Deutsch Interessierten freut's jedenfalls, wenn Übersetzungen von diesem Kaliber sich mehren, ob nun von Phantomen oder nicht. IRMELA HIJIYA-KIRSCHNEREIT
Satoshi Yagisawa: "Die Tage in der Buchhandlung Morisaki". Roman.
Aus dem Japanischen von Ute Enders. Insel Verlag, Berlin 2023. 189 S., geb., 18,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Bücher über Bücher und die ihnen gewidmeten Läden haben weltweit Konjunktur. Oft sind sie allzu gefällig geraten. Aber Satoshi Yagisawas Roman "Die Tage in der Buchhandlung Morisaki" sticht aus dem Genre hervor.
Für manche Tokio-Touristen sind die spezialisierten Viertel von besonderem Reiz. Da gibt es die "Elektronikmeile" Akihabara oder etwa Kappabashi, eine Einkaufsstraße mit Läden für Restaurant- und Küchenbedarf, vom Geschirr und Besteck bis hin zu Manufakturen für die so echt aussehenden Nachbildungen von Gerichten und Getränken aller Art in gehärtetem Wachs. Büchernarren hingegen favorisieren Jinbocho, die Bücher- und Verlagsstadt mit der, wie es im Buch selbst heißt, weltgrößten Ansammlung von Buchläden aller Art. Hier, in einem der winzigen, von oben bis unten vollgestopften, individuell geführten Antiquariate, spielt die Geschichte, die uns aus der Perspektive der fünfundzwanzigjährigen Takako erzählt wird.
Takako ist wie vom Blitz getroffen, als sie erfährt, dass ihr fester Freund demnächst heiraten wird - allerdings eine andere. Da sie es nicht aushält, ihm und ihrer bisher unbekannten Rivalin täglich auf der Arbeit zu begegnen, kündigt sie und gibt sich ihrem Kummer hin. Da meldet sich ein Onkel und bietet ihr an, bei ihm für eine Weile im Antiquariat unterzuschlüpfen und auszuhelfen. Zunächst eher widerwillig lässt sie sich auf diese ihr bisher völlig fremde Welt ein, fängt aber zunehmend Feuer. Der Laden mit den oft schrulligen Stammkunden, die Bücher aus dem Sammelgebiet japanische Literatur der Frühmoderne, also aus der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts, die sie nach Ladenschluss ganz für sich allein hat, und die Leute aus der Nachbarschaft, die sie vom Sommer bis zum Frühjahr des nächsten Jahres kennenlernt, dieser Kosmos bringt sie auf neue Gedanken. Sodass sie schließlich ihr Leben neu anzupacken lernt.
Nicht dass Takako von Beginn an eine Leseratte gewesen wäre. Zumal ihr, wie vielen Japanerinnen und Japanern heute, die Literatur der Frühmoderne bis auf wenige Namen und Titel aus dem Schulunterricht ziemlich fernliegt. Ab und zu teilt sie eine gelungene Sentenz aus einem der vergessenen Bücher mit. Aber zum Glück werden wir nicht mit einem Schnellkurs in Literaturgeschichte oder mit Inhaltsangaben traktiert. Was wir beim Lesen mitbekommen, ist das entschleunigte Leben inmitten von Büchern, das wohltuend Analoge und Überschaubare einer mit Humor geschilderten Binnenwelt, in der der Onkel, der selbst das plötzliche Verschwinden seiner Ehefrau vor einigen Jahren zu verkraften hatte, Takako auf burschikose, aber empathische Weise seelisch auf die Sprünge hilft. Im zweiten Teil des Buchs geschieht dann das Überraschende - Takakos Tante Momoko findet sich plötzlich und mit selbstverständlicher Attitüde wieder ein. So trägt jeder seinen Schmerz und vergangene Geheimnisse mit sich durchs Leben. Wer aber mit wachem Auge durchs Leben geht, hat alle Chancen zur Selbstheilung.
Bücher über Buchläden bilden fast so etwas wie ein literarisches Genre für sich. Oft gleichen sich die Muster: Ob die Läden an der Themse liegen, am Stadttor oder in einem Dorf am Meer, in Schottland oder eben in Japan - meist geht es um Zauberwelten, über denen gern auch dräuende Wolken hängen. Hierher verirren oder flüchten sich Menschen, die auf der Suche sind. Oft wissen sie noch nicht, wonach, aber im Laufe der Erzählung findet sich dann ein Geheimnis, ein Sinn, eine Neuorientierung. Und wenn es nur eine Begegnung mit sich selbst ist. "Wohlfühlromane" dieser Art haben anscheinend Konjunktur: Bücher als altmodisches Medium im nostalgischen Raum, dazu die passenden Personen, werden mit liebevollem Erzählerblick gefeiert. So sind auch die Alltagsweisheiten, mit denen die leichtgängige Story gespickt ist, recht universal: "Das Leben ist lang. Zwischendurch muss man auch mal innehalten, Pause machen. Du ankerst hier bloß ein Weilchen, und wenn du dich erholt hast, stichst du wieder in See."
Doch warum dann ausgerechnet diesen japanischen Roman lesen? Weil er kurzweilig geschrieben und verdammt gut übersetzt ist. Und weil er nicht in Nostalgie schwelgt, sondern uns bei aller Kuriosität sehr heutig und hautnah kommt. Da ist das japanische Ambiente nur ein zusätzlicher Unterhaltungsfaktor.
Die Übersetzung liest sich wunderbar frisch, mit lebendigen, ungemein natürlich klingenden Dialogen und in allen Teilen federleichter Prosa. Nimmt man das japanische Original zur Hand, staunt man noch mehr: Da wurde durchaus umgestellt, ja umgeschrieben, manche Passagen werden übersprungen, tauchen aber in Teilen an anderer Stelle wieder auf. Manche Sprachbilder behält die Übersetzung bei, beispielsweise den "Mann mit der Haarpracht einer samenlosen Pusteblume", andere formt sie stark um, zum Beispiel die "Sonne, die wie ein Teenie-Bengel strahlt", wird zur "gelben Scheibe", die "grell grinst". Immer aber geschieht das mit so viel Sprachgefühl und Souveränität, dass man spürt: Da hat jemand ein Konzept für das Buch vor Augen und knetet den Text so um, dass er eine stolperfreie, entspannte Lektüre ermöglicht, wie es sich für ein Trostbuch gehört. So zu übersetzen, schafft man nur mit großer Erfahrung. Sollte Ute Enders ihr Talent womöglich jahrzehntelang im Verborgenen kultiviert haben? Die an japanischer Literatur auf Deutsch Interessierten freut's jedenfalls, wenn Übersetzungen von diesem Kaliber sich mehren, ob nun von Phantomen oder nicht. IRMELA HIJIYA-KIRSCHNEREIT
Satoshi Yagisawa: "Die Tage in der Buchhandlung Morisaki". Roman.
Aus dem Japanischen von Ute Enders. Insel Verlag, Berlin 2023. 189 S., geb., 18,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Bücher über Buchläden gibt es einige, aber dieses hier ist etwas Besonderes, meint Rezensentin Irmela Hijiya-Kirschnereit. Protagonistin Takako steckt in einer Lebenskrise, als ihr Onkel anruft, der Hilfe in seinem Antiquariat in Tokio benötigt, lesen wir. Eigentlich ist Takako gar nicht so ein Bücherwurm, dieser für sie eher unbekannte Kosmos zieht sie aber zunehmend in ihren Bann und hilft auch ihrer Seele weiter, so die Kritikerin. In diesem Roman gibt es alles, was man zum Wohlfühlen braucht, findet sie: Bücher-Nostalgie, schrullige Charaktere, ein paar pointierte Zitate aus den gelesenen Bänden. Die Übersetzung von Ute Enders versetzt die Rezensentin geradezu in Staunen, so sprachlich klug und experimentierfreudig wurde hier der japanische Text ins Deutsche übertragen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»... kurzweilig geschrieben und verdammt gut übersetzt ... heutig und hautnah.« Irmela Hijiya-Kirschnereit Frankfurter Allgemeine Zeitung 20230524