Die Spurensuche beginnt bei dem legendären Rechtsanwalt Dr. Hugo Sperber, einer schillernden Figur in Friedrich Torbergs Buch. Doch bald rückt in den Recherchen eine jüdische Industriellenfamilie aus Iglau in den Vordergrund: die Tante Jolesch, der Neffe Franzl und die Lieblingsnichte Louise. Haben sie wirklich gelebt? Und wie kam Torberg zu den Sprüchen der Tante Jolesch?Akribisch erforschen die Autoren die Lebensgeschichten dieser Personen und finden wichtige Anknüpfungspunkte in bisher unveröffentlichten Briefen Torbergs.Immer mehr überraschende Querverbindungen ergeben sich während der Recherche. Der Neffe Franzl war mit Anton Kuh und Egon Erwin Kisch befreundet, seine Frau Louise verließ ihn, um den Komponisten Hanns Eisler, einen Weggefährten Bert Brechts, zu heiraten. Wie ein Puzzle setzen die Autoren Stück für Stück das Bild der von Torberg beschriebenen "untergegangenen Welt" neu zusammen.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.12.2013Tante und Tand
Wer war die Tante Jolesch aus der gleichnamigen Erzählsammlung von Friedrich Torberg? Robert Sedlaczek, Sachbuchautor mit Österreich-Schwerpunkt, will ihr und noch anderen Protagonisten des 1975 erschienenen Buches, Torbergs zweiter großer Erfolg nach "Der Schüler Gerber (hat absolviert)" aus dem Jahr 1930, auf die Spur kommen. Ausgangspunkt ist dabei das Schicksal des ebenfalls in der Anekdotensammlung auftauchenden Juristen Hugo Sperber. Laut Torberg erwog jener, seine Dienste mit dem Werbespruch "Räuber, Mörder, Kindsverderber gehen nur zu Dr. Sperber" anzupreisen. Da er aber auch Anwalt der Sozialdemokratischen Partei war, verlor er mit deren Verbot durch den austrofaschistischen Ständestaat 1934 seine Hauptklientel und wurde nach dem sogenannten Anschluss im März 1938 verhaftet, nach Dachau deportiert und dort bereits im Oktober ermordet. Dies und noch einige andere Lebenswege dokumentiert Sedlaczek in seinem Buch "Die Tante Jolesch und ihre Zeit". Er zeigt auch, dass Torberg kein sehr anständiger Mensch war. Die Tante hatte er als Konglomerat aus mehreren Personen erfunden, und skrupellos krempelte er Anekdoten auch einfach um. Ganz abgesehen von seiner Rolle als antikommunistischer Propagandist im Dienste von FBI (noch im amerikanischen Exil) und CIA (wieder in Wien). Sedlaczeks Buch ist jedoch leider in großen Teilen beinahe unlesbar. Im Untertitel verheißt es eine "Recherche", bietet aber bestenfalls die tagebuchartige Aufzeichnung einer solchen. Beim Verlag hat es offenbar niemand für nötig befunden, diese Loseblattsammlung entweder in eine vernünftige Form zu bringen oder dem Autor noch einmal zur Überarbeitung zurückzugeben. (Robert Sedlaczek: "Die Tante Jolesch und ihre Zeit". Eine Recherche. In Zusammenarbeit mit Melita Sedlaczek und Wolfgang Mayr. Haymon Verlag, Innsbruck und Wien 2013. 291 S., geb., 19,90 [Euro].) lho
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wer war die Tante Jolesch aus der gleichnamigen Erzählsammlung von Friedrich Torberg? Robert Sedlaczek, Sachbuchautor mit Österreich-Schwerpunkt, will ihr und noch anderen Protagonisten des 1975 erschienenen Buches, Torbergs zweiter großer Erfolg nach "Der Schüler Gerber (hat absolviert)" aus dem Jahr 1930, auf die Spur kommen. Ausgangspunkt ist dabei das Schicksal des ebenfalls in der Anekdotensammlung auftauchenden Juristen Hugo Sperber. Laut Torberg erwog jener, seine Dienste mit dem Werbespruch "Räuber, Mörder, Kindsverderber gehen nur zu Dr. Sperber" anzupreisen. Da er aber auch Anwalt der Sozialdemokratischen Partei war, verlor er mit deren Verbot durch den austrofaschistischen Ständestaat 1934 seine Hauptklientel und wurde nach dem sogenannten Anschluss im März 1938 verhaftet, nach Dachau deportiert und dort bereits im Oktober ermordet. Dies und noch einige andere Lebenswege dokumentiert Sedlaczek in seinem Buch "Die Tante Jolesch und ihre Zeit". Er zeigt auch, dass Torberg kein sehr anständiger Mensch war. Die Tante hatte er als Konglomerat aus mehreren Personen erfunden, und skrupellos krempelte er Anekdoten auch einfach um. Ganz abgesehen von seiner Rolle als antikommunistischer Propagandist im Dienste von FBI (noch im amerikanischen Exil) und CIA (wieder in Wien). Sedlaczeks Buch ist jedoch leider in großen Teilen beinahe unlesbar. Im Untertitel verheißt es eine "Recherche", bietet aber bestenfalls die tagebuchartige Aufzeichnung einer solchen. Beim Verlag hat es offenbar niemand für nötig befunden, diese Loseblattsammlung entweder in eine vernünftige Form zu bringen oder dem Autor noch einmal zur Überarbeitung zurückzugeben. (Robert Sedlaczek: "Die Tante Jolesch und ihre Zeit". Eine Recherche. In Zusammenarbeit mit Melita Sedlaczek und Wolfgang Mayr. Haymon Verlag, Innsbruck und Wien 2013. 291 S., geb., 19,90 [Euro].) lho
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"Da der Leser den Autoren bei ihrer Recherche über die Schulter schauen kann, liest sich das Buch beinahe so spannend wie ein Kriminalroman." ORF Radio Wien, Thomas Robisek "Ganz viel zum Lesen, zum 'Eingraben' geradezu." Kurier, Peter Pisa "Ein vergnügliches Leseerlebnis." Tiroler Gegenwartsliteratur, Helmuth Schönauer