Eine internationale Tauchercrew, vier Männer und eine Frau, soll die Förderverluste einer Bohrinsel untersuchen. Der Auftrag wird jedoch zu einem Alptraum... Mit diesem Roman über eine Frau, die sich in einer männerdominierten Welt behauptet, gelang der Autorin in Schweden der Durchbruch.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.12.2001Kesser im Wasser
Bei Aino Trosells Krimi hält nicht nur der Leser die Luft an
Recht früh beim Lesen dieses Romans aus Schweden regt sich das Verlangen nach einem fachtechnischen Glossar. Offenbar hat der deutsche Verlag seine Buchkunden in dem schmeichelhaften Verdacht, sie könnten mit Termini technici wie ASDIC, ROV, Umbilical und so weiter auf Anhieb richtig umgehen. Die Rätselbegriffe entstammen dem Milieu der Berufstaucher, und in deren Welt entführt uns die Romanhandlung, deren Spannung erschlafft, wenn man alle naselang in Lexika nachschlagen muß. Man kann natürlich auch auf das technische Verständnis verzichten und sich an die menschlichen Dimensionen des Romans "Die Taucherin" halten.
Die Autorin Aino Trosell, 1950 geboren, besitzt ein hinreichendes Sensorium für den Aufwand an Ernst und an Narretei, mittels dessen die Menschen ihre Siege anstreben und ihre Niederlagen verursachen, und sie weiß derlei Seelenforschereien leichthändig mit einer Kriminalstory zu verschwistern. Eines ihrer Werke erhielt im Jahr 2000 den schwedischen Krimi-Preis, und auch "Die Taucherin", 1999 im Original erschienen, wurde ausgezeichnet.
Der Titel suggeriert zunächst, uns erwarte nichts als die Geschichte einer Frau, die es im Männermilieu schwer hat. Tatsächlich bietet der Roman über lange Strecken eine mit hypermoderner Technik garnierte High-noon-Atmosphäre, in der die zierliche Ingrid sich im Dauerclinch mit ihren Machokollegen abarbeitet. Die Kerle halten weibliche Konkurrenz für eine Beleidigung ihrer Männlichkeit; sie versuchen immer wieder, die Aufsteigerin in die erotische Schmuddelecke zu drücken.
Dann aber erweist sich, daß es keinesfalls allein um diesen Handlungsstrang geht. Von Anfang an werden ja nicht bloß Vorgeschichte, Talente, Ängste, Bravourstücke der weiblichen Figur vorgeführt, sondern mit gleicher Intensität die ihrer Kumpels Glenn, Bengt, Ian und Ego Boy. Das Taucherteam muß schließlich gemeinsame Romansache machen. Es geht darum, in norwegischen Nordseegewässern zu den Fundamenten einer Bohrinsel vorzudringen, um herauszufinden, warum der Fördergesellschaft in letzter Zeit soviel Öl abhanden gekommen ist. Während der ausgiebigen Ouvertüre zum Tauchgang bietet sich eine Menge Gelegenheit, die Autorin wegen ihrer technischen Versiertheit zu bestaunen, auch wegen der Geschicklichkeit, mit der sie Kapitän-Nemo-Abenteuer der Millennium-Wende und klassische Beziehungsdramen zu verschränken weiß.
Und dann scheint mitten in den Vorbereitungen zum Kontrolltauchen ein neues Ereignis die Fabel umzulenken: Ein U-Boot kracht in die Basis der Ölinsel, es sieht so aus, als würden die unternehmerischen Anliegen zugunsten der humanen Katastrophenhilfe verabschiedet. Im havarierten U-Boot hocken jedoch die Ölräuber, vier russische Piraten. Drei werden geborgen, sie erweisen sich als Gangster übelsten Formats. In der Taucherglocke, während der langen Dekompressionsphase, drohen sie ihren Rettern mit Ampullen, gefüllt mit hochbrisanten Pockenviren, und fordern ein neues U-Boot und die Bergung der Geldkoffer aus ihrem Wrack.
Gangster Iwan zwingt Ingrid und Ego Boy mit sich zur Dollarbeute in die mörderische Tiefe. Ingrid findet dabei Gelegenheit zu heroischem Verhalten. Ego Boy bringt Iwan um und verfällt danach in heulendes Elend. Den Kollegen in der Taucherglocke gelingt es nach langen Zitterstunden, auch die zwei restlichen Strolche unschädlich zu machen. Am Ende sind die Tauchhelden, die Crew des Taucherschiffs, das Personal der Bohrinsel aus den Fugen. Ein Gefühl, alles sei fragwürdig geworden, macht sich in ihnen breit. Doch gemach, es wird nicht so bleiben, irgendeines gewöhnlichen Tages werden sie wieder nach gewohntem Schema funktionieren. Die Romanautorin sagt das nicht expressis verbis. Aber sie läßt es durchblicken. SABINE BRANDT
Aino Trosell: "Die Taucherin". Roman. Aus dem Schwedischen übersetzt von Gisela Kosubek. Gustav Kiepenheuer Verlag, Leipzig 2001. 253 S., geb., 34,90 DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Bei Aino Trosells Krimi hält nicht nur der Leser die Luft an
Recht früh beim Lesen dieses Romans aus Schweden regt sich das Verlangen nach einem fachtechnischen Glossar. Offenbar hat der deutsche Verlag seine Buchkunden in dem schmeichelhaften Verdacht, sie könnten mit Termini technici wie ASDIC, ROV, Umbilical und so weiter auf Anhieb richtig umgehen. Die Rätselbegriffe entstammen dem Milieu der Berufstaucher, und in deren Welt entführt uns die Romanhandlung, deren Spannung erschlafft, wenn man alle naselang in Lexika nachschlagen muß. Man kann natürlich auch auf das technische Verständnis verzichten und sich an die menschlichen Dimensionen des Romans "Die Taucherin" halten.
Die Autorin Aino Trosell, 1950 geboren, besitzt ein hinreichendes Sensorium für den Aufwand an Ernst und an Narretei, mittels dessen die Menschen ihre Siege anstreben und ihre Niederlagen verursachen, und sie weiß derlei Seelenforschereien leichthändig mit einer Kriminalstory zu verschwistern. Eines ihrer Werke erhielt im Jahr 2000 den schwedischen Krimi-Preis, und auch "Die Taucherin", 1999 im Original erschienen, wurde ausgezeichnet.
Der Titel suggeriert zunächst, uns erwarte nichts als die Geschichte einer Frau, die es im Männermilieu schwer hat. Tatsächlich bietet der Roman über lange Strecken eine mit hypermoderner Technik garnierte High-noon-Atmosphäre, in der die zierliche Ingrid sich im Dauerclinch mit ihren Machokollegen abarbeitet. Die Kerle halten weibliche Konkurrenz für eine Beleidigung ihrer Männlichkeit; sie versuchen immer wieder, die Aufsteigerin in die erotische Schmuddelecke zu drücken.
Dann aber erweist sich, daß es keinesfalls allein um diesen Handlungsstrang geht. Von Anfang an werden ja nicht bloß Vorgeschichte, Talente, Ängste, Bravourstücke der weiblichen Figur vorgeführt, sondern mit gleicher Intensität die ihrer Kumpels Glenn, Bengt, Ian und Ego Boy. Das Taucherteam muß schließlich gemeinsame Romansache machen. Es geht darum, in norwegischen Nordseegewässern zu den Fundamenten einer Bohrinsel vorzudringen, um herauszufinden, warum der Fördergesellschaft in letzter Zeit soviel Öl abhanden gekommen ist. Während der ausgiebigen Ouvertüre zum Tauchgang bietet sich eine Menge Gelegenheit, die Autorin wegen ihrer technischen Versiertheit zu bestaunen, auch wegen der Geschicklichkeit, mit der sie Kapitän-Nemo-Abenteuer der Millennium-Wende und klassische Beziehungsdramen zu verschränken weiß.
Und dann scheint mitten in den Vorbereitungen zum Kontrolltauchen ein neues Ereignis die Fabel umzulenken: Ein U-Boot kracht in die Basis der Ölinsel, es sieht so aus, als würden die unternehmerischen Anliegen zugunsten der humanen Katastrophenhilfe verabschiedet. Im havarierten U-Boot hocken jedoch die Ölräuber, vier russische Piraten. Drei werden geborgen, sie erweisen sich als Gangster übelsten Formats. In der Taucherglocke, während der langen Dekompressionsphase, drohen sie ihren Rettern mit Ampullen, gefüllt mit hochbrisanten Pockenviren, und fordern ein neues U-Boot und die Bergung der Geldkoffer aus ihrem Wrack.
Gangster Iwan zwingt Ingrid und Ego Boy mit sich zur Dollarbeute in die mörderische Tiefe. Ingrid findet dabei Gelegenheit zu heroischem Verhalten. Ego Boy bringt Iwan um und verfällt danach in heulendes Elend. Den Kollegen in der Taucherglocke gelingt es nach langen Zitterstunden, auch die zwei restlichen Strolche unschädlich zu machen. Am Ende sind die Tauchhelden, die Crew des Taucherschiffs, das Personal der Bohrinsel aus den Fugen. Ein Gefühl, alles sei fragwürdig geworden, macht sich in ihnen breit. Doch gemach, es wird nicht so bleiben, irgendeines gewöhnlichen Tages werden sie wieder nach gewohntem Schema funktionieren. Die Romanautorin sagt das nicht expressis verbis. Aber sie läßt es durchblicken. SABINE BRANDT
Aino Trosell: "Die Taucherin". Roman. Aus dem Schwedischen übersetzt von Gisela Kosubek. Gustav Kiepenheuer Verlag, Leipzig 2001. 253 S., geb., 34,90 DM.
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Perlentaucher-Notiz zur Dlf-Rezension
Rezensentin Meike Feßmann zeigt sich rundum überzeugt von Verena Boos' neuem Roman, der in Valencia spielt und von zwei Frauen jenseits der 40 erzählt: Eine ist Deutsche, die andere Spanierin, letztere verschwindet auf einmal spurlos und erstere beginnt mitten in einer Lebenskrise die andere zu suchen. Das Leben als stetig befristet beschäftigte Wissenschaftlerin ist ebenso Thema wie die Gefahren des Tourismus und das Phänomen "Bebés robados", der mithilfe der katholischen Kirche systematisch geraubten Kinder während der Franco-Diktatur, womit das Verschwinden einer der Frauen möglicherweise zu tun hat. Ein Roman, der trotz der schwierigen Themen "von Licht und Wärme belebt" ist, befindet Feßmann.
© Perlentaucher Medien GmbH
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