Produktdetails
- suhrkamp taschenbuch
- Verlag: Suhrkamp
- Abmessung: 177mm x 108mm x 15mm
- Gewicht: 173g
- ISBN-13: 9783518370889
- ISBN-10: 351837088X
- Artikelnr.: 25082320
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 14.01.2020NEUE TASCHENBÜCHER
Mächtige Strömung –
José Maria Arguedas’ „Die tiefen Flüsse“
Alles in diesem Roman ist Musik voller Sehnsucht und Melancholie: Bäume und Flüsse, Vögel und Insekten, die Glocken der Kirchen und die Lieder der Indios zur Gitarre, Harfe, Geige. Und der Kreisel, den Ernesto tanzen lässt, um sich fort zu träumen aus dem katholischen Internat, den Prügeln und Prügeleien: „Er surrte mit sanfter Stimme und schien den Gesang der Insekten, die zwischen blühenden Bäumen summen, in den Hof zu tragen.“ Jahrelang ist der Junge mit seinem Vater, einem Anwalt, durch Peru gereist, nun soll die Lehranstalt ihn auf die Universität vorbereiten. Statt Freiheit Festung. Statt Geborgenheit Gewalt. Noch bevor er die Schule in Abancay betritt, ahnt er, was ihn erwartet: „… ich würde die Schläge einer traurigen, mächtigen Strömung spüren wie alle Kinder, die allein in der Welt sind, in einer Welt voller Ungeheuer und Feuer …“
Der sensible Ernesto lernt auf dem Weg zum Erwachsenen die brutale Diskriminierung der Indigenen im Land kennen. Und zeigt dabei Haltung. Er schließt sich einem Aufstand der Maisbierverkäuferinnen gegen die Großgrundbesitzer an, die ihr Salz lieber an die Tiere verfüttern, als es den Arbeitern zu geben. Dafür kassiert er vom Pater Rektor vor dem Altar Prügel. „Hast du auch mit diesen Diebinnen zusammen gesungen? (…) Sprich!“ „Ja, ich habe gesungen. Sie haben den Armen der Hacienda Salz gebracht. Wir haben gesungen!“ Vorbild für Ernestos Standfestigkeit ist der Pachachaca: „Man musste sein wie dieser unerschütterliche kristallklare Fluss, wie seine unbesiegbaren Wasser.“ José María Arguedas, 1911 geboren, hat in „Die tiefen Flüsse“ seine eigene Kindheit verarbeitet. Er wuchs unter Indios auf, sprach Spanisch und auch Quechua, später studierte er Anthropologie. Ein zerrissenes Leben. Das spiegelt sich auch in seinem bekanntesten, heute gleichwohl so gut wie vergessenen Roman von 1958 wider, der zart und hart, traumverloren und realistisch zugleich ist. 1969 schied Arguedas, dem die lateinamerikanische Literatur so viel verdankt, freiwillig aus dem Leben. FLORIAN WELLE
José María Arguedas: Die tiefen Flüsse. Aus dem Spanischen von Suzanne Heintz.
Wagenbach Verlag 2019, 284 Seiten, 13,90 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Mächtige Strömung –
José Maria Arguedas’ „Die tiefen Flüsse“
Alles in diesem Roman ist Musik voller Sehnsucht und Melancholie: Bäume und Flüsse, Vögel und Insekten, die Glocken der Kirchen und die Lieder der Indios zur Gitarre, Harfe, Geige. Und der Kreisel, den Ernesto tanzen lässt, um sich fort zu träumen aus dem katholischen Internat, den Prügeln und Prügeleien: „Er surrte mit sanfter Stimme und schien den Gesang der Insekten, die zwischen blühenden Bäumen summen, in den Hof zu tragen.“ Jahrelang ist der Junge mit seinem Vater, einem Anwalt, durch Peru gereist, nun soll die Lehranstalt ihn auf die Universität vorbereiten. Statt Freiheit Festung. Statt Geborgenheit Gewalt. Noch bevor er die Schule in Abancay betritt, ahnt er, was ihn erwartet: „… ich würde die Schläge einer traurigen, mächtigen Strömung spüren wie alle Kinder, die allein in der Welt sind, in einer Welt voller Ungeheuer und Feuer …“
Der sensible Ernesto lernt auf dem Weg zum Erwachsenen die brutale Diskriminierung der Indigenen im Land kennen. Und zeigt dabei Haltung. Er schließt sich einem Aufstand der Maisbierverkäuferinnen gegen die Großgrundbesitzer an, die ihr Salz lieber an die Tiere verfüttern, als es den Arbeitern zu geben. Dafür kassiert er vom Pater Rektor vor dem Altar Prügel. „Hast du auch mit diesen Diebinnen zusammen gesungen? (…) Sprich!“ „Ja, ich habe gesungen. Sie haben den Armen der Hacienda Salz gebracht. Wir haben gesungen!“ Vorbild für Ernestos Standfestigkeit ist der Pachachaca: „Man musste sein wie dieser unerschütterliche kristallklare Fluss, wie seine unbesiegbaren Wasser.“ José María Arguedas, 1911 geboren, hat in „Die tiefen Flüsse“ seine eigene Kindheit verarbeitet. Er wuchs unter Indios auf, sprach Spanisch und auch Quechua, später studierte er Anthropologie. Ein zerrissenes Leben. Das spiegelt sich auch in seinem bekanntesten, heute gleichwohl so gut wie vergessenen Roman von 1958 wider, der zart und hart, traumverloren und realistisch zugleich ist. 1969 schied Arguedas, dem die lateinamerikanische Literatur so viel verdankt, freiwillig aus dem Leben. FLORIAN WELLE
José María Arguedas: Die tiefen Flüsse. Aus dem Spanischen von Suzanne Heintz.
Wagenbach Verlag 2019, 284 Seiten, 13,90 Euro.
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