20,00 €
inkl. MwSt.
Versandkostenfrei*
Versandfertig in 1-2 Wochen
  • Gebundenes Buch

3 Kundenbewertungen

Können Frauen eine bessere Welt erschaffen?
England, in einer unbestimmten Zukunft: Umweltkatastrophen und Wirtschaftskrisen haben das alte politische System hinweggefegt. Diktatorisch regiert, leben die Menschen in städtischen Zentren, die Einwohnerinnen dürfen nur in Ausnahmefällen Kinder bekommen. Eine junge Frau, die sich »Schwester« nennt, entflieht den Kontrollen und schließt sich einer legendären Gruppe weiblicher Abtrünniger an, die in den Bergen des Lake District eine einsame Farm bewirtschaften. Unter Führung der charismatischen Jackie hat sich die Gemeinschaft immer stärker…mehr

Produktbeschreibung
Können Frauen eine bessere Welt erschaffen?

England, in einer unbestimmten Zukunft: Umweltkatastrophen und Wirtschaftskrisen haben das alte politische System hinweggefegt. Diktatorisch regiert, leben die Menschen in städtischen Zentren, die Einwohnerinnen dürfen nur in Ausnahmefällen Kinder bekommen. Eine junge Frau, die sich »Schwester« nennt, entflieht den Kontrollen und schließt sich einer legendären Gruppe weiblicher Abtrünniger an, die in den Bergen des Lake District eine einsame Farm bewirtschaften. Unter Führung der charismatischen Jackie hat sich die Gemeinschaft immer stärker radikalisiert. Gewalt und militärischer Drill bestimmen inzwischen den Ton. Auch Schwester scheint bereit, Jackies Kampf gegen das verhasste System mitzutragen. Als Jackie den Krieg ausruft, muss sie sich entscheiden... Mitreißend und psychologisch eindrucksvoll schildert Sarah Hall die Kraft weiblicher Rebellion. »Ein prophetischer, futuristischer Roman in der Tradition von H.G. Wells, Margaret Atwood und Will Self« The Independent
Autorenporträt
Sarah Hall, 1974 in Cumbria geboren, studierte Literatur an der schottischen Universität St. Andrews. Sie hat Romane und Storys veröffentlicht, die mit bedeutenden Preisen und Stipendien ausgezeichnet und von der Kritik bejubelt wurden. Feministische Themen und intensive Naturbeschreibungen verbinden sich in ihrem Werk, das in 16 Sprachen übersetzt ist, auf überraschende, ungewohnte Weise. Zuletzt erschien 2021 ihr Roman 'Die Töchter des Nordens'. Sarah Hall lebt mit ihrer Familie in Kendal.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensent Fritz Göttler warnt davor, Sarah Halls nüchtern erzählten dystopischen Roman über eine Frauen-Gemeinschaft im postapokalyptischen Norden Englands allzu leicht zu nehmen. Der "naive Unterton" wird gebrochen durch Reflexion, etwa über das einsame Herrschen und die Dialektik der Revolution, erklärt Göttler. Der Roman ist im englischen Original bereits 2007 erschienen, also vor dem Brexit und vor "MeToo", informiert der Rezensent, der den Text mit Romanen von Doris Lessing und Margaret Atwood vergleicht.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 14.07.2021

Unantastbare
Kriegerinnen
Nach dem Desaster: Sarah Halls
Roman „Die Töchter des Nordens“
„Als sie mich zum zweiten Mal holten, hielt ich es sieben Tage im Hundeloch aus ...“ Das Hundeloch ist ein enger Eisenkasten, der Boden mit Scheiße verklebt, wenn das Wasser alle ist, trinkt man seinen eigenen Urin, die Luft ist eiskalt, der Winter naht. Der ultimative Härtetest für die Frauen von Carhullan – für die unter ihnen, die sich dem Training zur Kriegerin unterziehen („The Carhullan Army“ ist der Originaltitel des Romans von Sarah Hall). Damit bereiten sie sich darauf vor, der Folter zu widerstehen, sollten sie in Gefangenschaft geraten.
Carhullan heißt eine Gemeinschaft in den Bergen von Cumbria im Norden Englands, abgelegen, autark, alternativ, nur Frauen hier. Dorthin bricht die junge Erzählerin auf, als das Leben in ihrer Heimatstadt Rith ihr unerträglich wird. England ist nach einer Ökokatastrophe einem totalitären Regime unterworfen, es gibt einen strengen Zehnjahresplan für den Wiederaufbau, alles ist von der „Obrigkeit“ reguliert und rationalisiert, das Essen, die Arbeit, der Sex, die Liebe. Die Frauen kriegen Spiralen eingesetzt, nur wer in einer Lotterie das große Los zieht, darf ein Kind kriegen. Die Armee ist in Kriege in China und Amerika verwickelt, die Medien sind verschwunden, mit ihnen der Widerstand. Das ist nicht mehr England, sagen viele, die diese Entwicklung erleben mussten. Das Land ist in Regionen zerfallen, die Hauptstadt London hat ihre Bedeutung verloren. Die alten Höfe und Cottages verfallen, Autowracks liegen als leere Hülsen einer privilegierten Epoche herum.
Die junge Frau bleibt namenlos auf eigenen Wunsch, sie wird „Schwester“ genannt, die anderen aber, mit denen sie leben und lieben und kämpfen wird, nennt sie mit Namen, Jackie, Megan, Lorry, Chloe, Shruti. Gleich am Tag ihrer Ankunft wird Schwester ein erstes Mal ins Hundeloch gesteckt, ein erster Test. Für die einen ist Carhullan das mythische Shangri-La, der Sehnsuchtsort außerhalb der Zeiten. Für die anderen ein Hexennest, ein Ort für Desertierte. Es wird dort Landwirtschaft betrieben, Viehzucht, Torfstecherei. Es gibt Gemeinschaftsräume, Lieder am Abend, gleichgeschlechtliche Liebe. Männer spielen nur am Rande mit, ein wenig Liebe, ein wenig Fortpflanzung. Alles eine Frage des Überlebens. Feuchtigkeit und Kälte gehen nicht mehr weg. Schwester hat eine Gabe mitgebracht, ein Gewehr ihres Vaters aus dem Weltkrieg.
„Die Töchter des Nordens“ ist eine Frauen-Dystopie in der Tradition von Doris Lessing oder Margaret Atwood. Sarah Halls Roman ist 2007 in England erschienen, also noch vor der „Me Too“-Debatte, seine Katastrophenerwartung stammt aus einer Zeit vor dem Brexit, vor der Trump-Präsidentschaft und vor der Corona-Pandemie. Kühle und Leidenschaft prägen die Erzählung, es handelt sich um „Protokoll Nr. 498“, die Aussage einer Gefangenen, sieben Akte insgesamt, nach der Niederschlagung eines Aufstands. Schwester ist fasziniert von Jackie Nixon, der Führerin von Carhullan, ihrem Charisma, in dem sich demagogische, hexenhafte, erotische, paranoide Momente mischen. Sie schafft das obligatorische Feindbild, den demagogischen Zirkelschluss: Alle Zeichen deuten darauf hin, dass die Obrigkeit angreifen wird, also muss man zuerst losschlagen. Was den Aufstand selbst angeht, sind die Akten aber lückenhaft. Dreiundfünfzig Tage haben die Aufständischen durchgehalten.
Schwester weiß, dass sie ein Nichts geworden ist, dass der Gang nach Carhullan ein Selbstmordkommando war. In ihr pulsiert die Gemeinschaft der Frauen. Man kennt so eine nihilistische Zen-Ertüchtigung aus amerikanischen Kriegsfilmen, aus Stanley Kubricks „Full Metal Jacket“. „Me Too“ martialisch: „Sie hat uns nicht zu Monstern gemacht. Sie hat uns einfach nur die Macht gegeben, uns in die unantastbaren Wesen zu verwandeln, als die der Gott der Gleichheit uns vorgesehen hat. Wir wussten, dass sie dabei war, die alten, unbrauchbaren Versionen unseres Geschlechts zu dekonstruieren, und nur deshalb so skrupellos vorging, weil diese Konstrukte auf Dauer ausgelegt waren. Sie hat die Mauern eingerissen, die uns gefangen hielten. Auf der anderen Seite kam eine frische, rote Wiese zum Vorschein, und aus dem üppigen Boden sprossen all die Blumen des Krieges, die zu pflücken die Geschichte uns verwehrt hatte.“
Die Erzählung hat einen naiven Unterton, aber sie wird vielfach gebrochen und reflektiert. „Die Töchter des Nordens“ zeigt die Pathologie einer Stirb-und-Werde-Logik, das Psychogramm des einsamen Herrschens, die Dialektik einer Revolution.
FRITZ GÖTTLER
Eine Frauen-Dystopie in der
Tradition von Doris Lessing
oder Margaret Atwood
Die weibliche Version der
nihilistischen Zen-Ertüchtigung
aus amerikanischen Kriegsfilmen
Sarah Hall: Die Töchter des Nordens. Roman.
Aus dem Englischen von Sophia Lindsey. Penguin Verlag, München 2021.
254 Seiten, 20 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
…mehr
»Überzeugt mit szenischer Kraft, sprachlicher Klarheit und einer starken Geschichte. ... Auf den Kern reduzierte, Klischees vermeidende Literatur. Eindrucksvoll. Und dazu ein Spiegel für die Gegenwart.« Augsburger Allgemeine, Wolfgang Schütz