Die äußerliche Veränderung durch Todesschlaf, Verwandlung, Verkleidung oder auch der Verlust der Lebensfreude sind im Grunde genommen ein Zeichen des Todes, bei der die Seele des 'Verstorbenen', nicht mehr 'Lebenden' zeitweilig die Gestalt eines fremden Körpers annimmt und so der Außenwelt für 'tot' erklärt wird (die 'tote' Seele). Dieser Todeszustand kommt in den Volksmärchen vor allem im Rahmen des Brautwerbungsaktes deutlich zum Vorschein, zumal der Akt der Werbung mit bestimmten Konfliktsituationen korreliert, die der Handlungsstruktur des Märchens immense Gewichtung verleiht.Erst durch einen kontrastiven und zugleich analytischen Blick in die Rituale, Lebenspraktiken und Glaubensvorstellung archaischer Kulturen findet die Konfrontation mit dem Faktum 'Tod' nähere Erklärung. Diese Lebensphilosophie der Naturvölker widerspiegelt sich nicht nur im Handlungsgeschehen, sondern wird durch den gesamten Handlungseinsatz aller Figuren des erzählten Märchens reflektiert. Folglich erscheint das Todesmotiv als gemeinsamer Nenner der Volks- bzw. Brautwerbungsmärchen in den hier untersuchten Korpora. Abgesehen von den sporadischen Untersuchungen bezüglich einzelner Märchen wurde bisher eine grundlegende und kontrastive Textanalyse der deutschen und türkischen Volksmärchen auf der Basis eines umfangreichen Korpus nicht vorgenommen. Hier wird zum ersten Mal der Versuch einer Deutung gemacht, die den Akt der Partnerwahl und in diesem Kontext die Handlungsfähigkeit der Figuren "Freier" und vor allem "Braut" anhand des Aktantenmodells von Todorov näher bestimmt.