Mapocho ist der Name des Flusses, an dessen Ufern Santiago de Chile erbaut wurde. In Nona Fernández' Roman wird er nicht nur von den Abwasserkanälen der Stadt, sondern auch vom Dunkel der Vergangenheit gespeist. Leichen, Mythen und persönliche Schicksale treiben darin. Der Roman verwebt Geschichten von unter General Ibáñez verschleppten Transvestiten, von einem inzestuösen Geschwisterpaar, versklavten Gefangenen, einem selbstmordgefährdeten Historiker und einem auf der Suche nach seinem Kopf umherstreifenden, enthaupteten Häuptling der Mapocho-Indianer zu einem bunten Mosaik, das einem Gemälde gleicht - mal grotesk und provokativ, mal sanft und fast zärtlich.Nona Fernández packt, beim Umblättern der ersten Seite, den Leser an der Hand, zieht ihn tief in ihre Geschichte und lässt ihn bis zum Ende nicht mehr los.
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Felix Stephan findet es schade, dass Nona Fernández' Debütroman "Die Toten im trüben Wasser des Mapocho" vor etwas mehr als zehn Jahren beinahe unbemerkt geblieben ist. An Kraft hat er seitdem aber nicht verloren, und das heißt schon etwas, so der Rezensent. Fernández erzählt darin die Geschichte einer jungen Chilenin, Rucia, die mit ihrer Mutter und ihrem Bruder Indio nach Spanien flieht, nachdem "freundliche Männer in Zivil" ihren Vater abgeholt haben und er nicht mehr auftaucht, berichtet Stephan. Doch Rucia kommt von ihrer Heimat nicht los, verrät der Rezensent, sie kehrt nach Chile zurück und setzt sich mit der kolonialen Geschichte des Landes auseinander, was Fernández großartig inszeniert, indem sie den europäischen Diskurs imitiert und unterläuft, lobt Stephan. Ihr gerade erschienener Erzählband "Der Himmel" reicht leider nicht an diesen Roman heran, bedauert der Rezensent, aber auf die ausstehenden Übersetzungen ihrer neueren Romane freut er sich schon sehr.
© Perlentaucher Medien GmbH
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