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Eine mitreißende Reportage über die letzten zehn Wochen der Weimarer Republik. Tag für Tag schildern die Historiker Rüdiger Barth und Hauke Friederichs die dramatischen Ereignisse im skrupellosen Kampf um die Macht, an dessen Ende Adolf Hitler Reichskanzler wird und Deutschland in die Diktatur führt. November 1932, die Weimarer Republik taumelt. Die Wirtschaft liegt am Boden. Auf den Straßen toben Kämpfe zwischen Linksextremisten und Rechtsradikalen. Wenige Männer entscheiden in den kommenden Tagen über das Schicksal der Deutschen. Die Nationalsozialisten um Adolf Hitler und Josef Goebbels…mehr

Produktbeschreibung
Eine mitreißende Reportage über die letzten zehn Wochen der Weimarer Republik. Tag für Tag schildern die Historiker Rüdiger Barth und Hauke Friederichs die dramatischen Ereignisse im skrupellosen Kampf um die Macht, an dessen Ende Adolf Hitler Reichskanzler wird und Deutschland in die Diktatur führt.
November 1932, die Weimarer Republik taumelt. Die Wirtschaft liegt am Boden. Auf den Straßen toben Kämpfe zwischen Linksextremisten und Rechtsradikalen. Wenige Männer entscheiden in den kommenden Tagen über das Schicksal der Deutschen. Die Nationalsozialisten um Adolf Hitler und Josef Goebbels greifen nach der Macht, Reichskanzler Franz von Papen zögert zurückzutreten, General Kurt von Schleicher sägt an dessen Ast. Sie alle umgarnen den greisen Reichspräsidenten Paul von Hindenburg, fintieren, drohen und täuschen.
Das farbige und vielschichtige Porträt jener Tage, die Europa in die größte Katastrophe der bisherigen Geschichte führten. Eine Katastrophe, die vermeidbar gewesen wäre - das zeigt dieses Buch in aller Dramatik. Und ist damit eine fesselnde Lektüre in Zeiten, in denen um demokratische Werte gerungen wird.
Autorenporträt
Barth, Rüdiger
Rüdiger Barth, geboren 1972 in Saarbrücken, hat in Tübingen Zeitgeschichte und Allgemeine Rhetorik studiert. Er arbeitete 15 Jahre lang für das Magazin »Stern«, lebt als Autor in Hamburg und ist Mitgründer der »Looping Studios«.

Friederichs, Hauke
Hauke Friederichs, geboren 1980 in Hamburg, hat in Sozial- und Wirtschaftsgeschichte an der Universität Hamburg promoviert, dazu Kriminologie, Politologie und Journalistik studiert. Er schreibt u.a. für »Die Zeit« und »Geo Epoche«.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.05.2018

Die Halswehzeit vor Hitler

Zwei Journalisten haben ein Geschichtsbuch über das Ende der Weimarer Republik verfasst und ein neues populäres Buchgenre erfunden: die historische Chronik als Tag-für-Tag-Reportage

Am Freitag, dem 6. Januar 1933, ändert sich beinahe der Lauf der Weltgeschichte. An diesem Tag meldet sich Otto Braun, der entmachtete, geschäftsführend aber weiter amtierende sozialdemokratische Ministerpräsident des Bundeslandes Preußen, im Dienstzimmer Kurt von Schleichers in der Berliner Reichskanzlei (der alten, Bismarckschen, nicht der von Speer entworfenen "Neuen"). Schleicher ist seit fünf Wochen Reichskanzler der sterbenden Weimarer Republik, und sein Versuch, aus fortschrittlich gesinnten Reaktionären, kompromissbereiten Nationalsozialisten und Vertretern der demokratischen Parteien SPD und Zentrum eine "Querfront" zur Unterstützung seiner Regierung zu schmieden, hat bisher nicht viel gefruchtet.

Das will Braun jetzt ändern. Er bietet Schleicher an, seinen Einfluss bei den Sozialdemokraten geltend zu machen, um die NSDAP mattzusetzen und die arbeitsmarktorientierte, auf staatliche Investitionen setzende Wirtschaftspolitik des Reichskanzlers durchzusetzen - notfalls auch durch Auflösung des Reichstags, in dem Nazis und Kommunisten gemeinsam die Mehrheit der Abgeordneten stellen. Im Gegenzug soll Schleicher den Reichspräsidenten Hindenburg, den mächtigsten Mann der Republik, dazu bringen, dem Kabinett Braun wieder die Regierungsgewalt zu übertragen, die dieser ihm durch den "Preußenschlag" vom 20. Juli 1932, eine Art Verfassungsputsch von oben, entzogen hat.

"Es ist ein reizvolles Angebot." Aber, so schreiben Hauke Friederichs und Rüdiger Barth in ihrem Buch "Die Totengräber" über die letzten fünfundsiebzig Tage der ersten deutschen Demokratie: "Schleicher antwortet Braun ausweichend." Warum, das erklären sie nicht. Sie müssen es auch nicht, denn auf den vorhergehenden zweihundertfünfzig Seiten haben sie die Zwickmühle, in der Schleicher steckt, zur Genüge ausgebreitet. Einerseits möchte er die konservative Rechte, vor allem die Deutschnationale Volkspartei des Großindustriellen Hugenberg, zu sich ins Boot holen. Andererseits setzt er auf das Wohlwollen der gemäßigten Linken, der SPD und der Gewerkschaften. Und schließlich will er die parteiinterne Krise der Nationalsozialisten dazu benutzen, um deren Reichsorganisationsleiter Gregor Strasser, den Gegenspieler Hitlers, zu seinem Verbündeten zu machen.

Seit drei Jahren, seit dem Beginn der Weltwirtschaftskrise, hat Schleicher, unterstützt von seinem alten Regimentskameraden Oskar von Hindenburg, dem Sohn des Reichspräsidenten, hinter den Kulissen die Fäden gezogen. Jetzt, am Ziel des Aufstiegs angekommen, plant er die Quadratur des Kreises: Er will die Republik aufheben, um sie zu bewahren, ohne Parlament regieren, um rechten wie linken Staatsfeinden den Garaus zu machen. Schleicher, der auch Reichswehrminister ist, hat die Armee hinter sich. Doch der greise Hindenburg zögert. Und die Zeit, die dem Kanzler bleibt, läuft ab.

Man könnte das alles so erzählen, wie es akademische Historiker seit achtzig Jahren tun, analytisch-nüchtern, mit starrem Blick auf die politischen Fakten und weitestmöglichem Abstand vom Feuilleton. Friederichs und Barth, die beide aus dem Journalismus kommen - der eine schreibt für "Zeit" und "Geo Epoche", der andere war beim "Stern" und bei "P.M." - haben sich für eine andere Methode entschieden. Sie schildern den Untergang der Weimarer Republik in Form einer Chronik, die mit der Regierungskrise nach den Novemberwahlen von 1932 beginnt und mit der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 endet. Kein Panorama also, sondern eine Prozession: ein Todesmarsch der Demokratie, unaufhaltsam, Tag für Tag.

Aber weil das, was täglich geschieht, erst im Nachhinein unvermeidlich erscheint, sind in diese Chronik immer wieder gegenläufige Momente eingelassen, Augenblicke wie jener, in dem Otto Braun bei Schleicher vorspricht. Und weil die Politik selbst in Krisenzeiten nur ein Teil des Alltags ist, haben die Autoren ihren Zeitlupenfilm vom Ende einer Epoche mit Bildern aus dem Familienalbum ergänzt: Wetterberichte, Tagebucheinträge, vermischte Nachrichten, Reklame, Klatsch. Am 11. Dezember 1932 beispielsweise beginnt in Berlin der Verkauf von Weihnachtsbäumen: "Ein gut gewachsenes Exemplar kostet zwischen 1,50 und 2 Reichsmark." Das KaDeWe bietet "elektrische Brotröster" für 9,75 und Kinderschlittschuhe für 3,50 Mark an. Im dritten Obergeschoss gibt Leni Riefenstahl Autogramme. Der "Völkische Beobachter" meldet "Erfolge im Kampf gegen soziale Reaktion und Justizterror", während Joseph Goebbels im Zug nach München unvermutet seinem "Führer" begegnet. Und Mascha Kaléko hat ein Wintergedicht geschrieben, es steht in der Zeitung und heißt "Erster Schnee": "Eines Morgens leuchtet es ins Zimmer, / Und du merkst: 's ist wieder mal so weit. / Schnee und Barometer sind gefallen. / Und nun kommt die liebe Halswehzeit."

Barth und Friederichs, mit anderen Worten, bewegen sich durch den Schlussakt des Weimarer Dramas wie ein Team von "Spiegel"-Reportern: Sie sammeln das Politische und das Private, das Bedeutende und das Banale gleichermaßen auf, sie lassen die Klatschreporterin Bella Fromm und den Dichter Oskar Loerke ebenso zu Wort kommen wie Hitler, Hindenburg und Schleicher. Dadurch bekommt ein Geschehen, das wir bisher nur aus Schul- und Geschichtsbüchern in sachlichen Grautönen kannten, auf einmal glühende Farben. Es ruht nicht mehr im Archipel der Archive; es springt uns an, es zerrt an den Nerven. Hitler hätte damals nicht Reichskanzler werden müssen - sechs Wochen lang, zwischen Ende November und Anfang Januar, stand seine Partei vor der Spaltung. Das alles ist bekannt, beschrieben, aber hier, im Blitzlicht der Collage, sieht man es noch einmal neu, in grotesker Deutlichkeit. Kein Buch für die Wissenschaft also. Aber eines für uns, die Wissenshungrigen, die Leser.

ANDREAS KILB

Rüdiger Barth / Hauke Friederichs: "Die Totengräber. Der letzte Winter der Weimarer Republik". S. Fischer, 416 Seiten, 24 Euro

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ein Geschehen, das wir bisher nur aus Schul- und Geschichtsbüchern kannten, [bekommt] auf einmal glühende Farben. Andreas Kilb Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung 20180513