Von Che Guevara bis Karl Valentin, von Hans Söllner bis Kofelgschroa. Die Bandbreite des Trikont-Universums ist unermesslich. Höchste Zeit, dass ein Buch die Geschichte und Geschichten des Münchner Traditionslabels festhält. Erzählt wird die Geschichte alternativer Musik, Kultur, Politik und Ökonomie seit Ende der Sechzigerjahre. Nicht im Großen und Ganzen, sondern im Kleinen und Feinen.
Christof Meueler und Franz Dobler haben gründlich die Archive des Labels durchforstet, mit den Labelinhabern, Künstlern und Weggefährten gesprochen und unternehmen eine faszinierende Reise durch die letzten 50 Jahre Kultur abseits des Mainstream. Zahlreiche Dokumente und Bilder ergänzen die Biografie.
Ausstattung: Durchgehend farbig illustriert
Christof Meueler und Franz Dobler haben gründlich die Archive des Labels durchforstet, mit den Labelinhabern, Künstlern und Weggefährten gesprochen und unternehmen eine faszinierende Reise durch die letzten 50 Jahre Kultur abseits des Mainstream. Zahlreiche Dokumente und Bilder ergänzen die Biografie.
Ausstattung: Durchgehend farbig illustriert
»Verdiente Ehrung: Ein Prachtband feiert das Plattenlabel Trikont zum Fünfzigsten« Dietmar Dath, Frankfurter Allgemeine Zeitung
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.12.2017Sie befreien sich selbst und ihre Stammkundschaft
Verdiente Ehrung: Ein Prachtband feiert das Plattenlabel Trikont zum Fünfzigsten
Wenn Reichweite direkt von Repertoire-Bandbreite abhinge, würde diese Plattenfirma die Musikwelt beherrschen. Andererseits halten diejenigen, die sie betreiben, seit jeher nicht viel vom Herrschen und Beherrschtwerden. Dass sie den Menschen nicht nur musikalisch mehr zutrauen als die Ausgabe und den Empfang von Befehlen und Regeln, bedeutet aber andererseits auch wieder nicht, dass sie einfach allen einfach alles anbieten wollten.
Man beschränkt sich bei Trikont in München vielmehr seit einem halben Jahrhundert auf das Schönste vom Guten und das Beste vom Schönsten, und das reicht von der antivolksmusikalischen Blechschönheit des "Sogenannten Linksradikalen Blasorchesters" um Heiner Goebbels über die schwebend eigensinnige Weltverwandlungspoesie des texanischen Sängers und Liederdichters Daniel Johnston, dessen erstes Livekonzert in Deutschland 1999 eine im Jahr darauf erschienene Trikont-Platte für die verdiente Ewigkeit aufbewahrt, ferner über ein anderes als das von CSU-Parteitagen und Oktoberfestreportagen her bekannte Bayern, wie's aus den Platten von LaBrassBanda oder Hans Söllner spricht, bis hin zu einem lebendigen Archiv derjenigen Kunstsorte, die man den Deutschen am allerwenigsten zutraut, die aber in den von Trikont verbreiteten Werken von Studio Braun oder Karl Valentin mühelos Weltgeltung erreicht - der Komik nämlich.
Dass man bei Trikont all das mit den Jahren immer professioneller eingesammelt, aufgemacht und vermittelt hat, heißt allerdings nicht, dass man etwa, wie das Kulturgeschäftsträger aller Unterhaltungsbranchen empfehlen, immer aufmerksamer auf den Markt gehört hätte, sondern vielmehr genau umgekehrt: dass man da immer besser wusste und weiß, wie man den Markt zum Hinhören kriegt.
Dass man den Weg dahin jetzt nachlesen kann, greift auf ganz frühe Motive der Vorgeschichte des Ganzen zurück, denn Anfangs war Trikont ein Buchverlag: Der Name bezog sich auf die drei Kontinente, von denen aus der Weltkapitalismus in den Siebzigern aufgemischt werden sollte - Afrika, Asien, Lateinamerika. Die Brandherde antiimperialistischer Aufstände, ganz nach der alten linken Theorie, dass die Kette, an der die arme Menschheit durch die jüngere Weltgeschichte geschleift wird, am ehesten von den schwächsten Kettengliedern her zerbrochen werden kann. Die Trikont-Geschichte beginnt als, wie das heute heißt, Selbstermächtigungsakt - die erste Platte heißt "Wir befreien uns selbst", erscheint 1972, nachdem der Verlag, ursprünglich nicht in Bayern, sondern in Köln von Gisela Erler und Herbert Röttgen gegründet, nach München umzog, wo ein linker Buchladen gleichen Namens, der Legende nach der erste seiner Art und eher eine Art Kunstwerk als ein Geschäft, eine Entmietung zum Anlass nahm, auf der Straße Papier in Flammen aufgehen zu lassen.
Auf "Wir befreien uns selbst" hörte man keine Profistimmen, sondern es sang das Trikont-Personal persönlich - "Für sie", liest man jetzt in dem Band "Die Trikont-Story: Musik, Krawall & andere schöne Künste", den Christof Meueler und Franz Dobler zusammengestellt haben, "war das ein Teil ihrer politischen Arbeit. Denn wenn sie damals in München vor den Fabriken Flugblätter verteilten, wollten sie sich dabei nicht langweilen. Das Album verkaufte sich zehntausend mal, heute unvorstellbar, ein roh aufgenommenes Album ohne jeden Pop-Appeal mit radikalen Kampfliedern." Was allerdings "Pop-Appeal" überhaupt heißen kann, hat sich in diesem Land durch die Arbeit von Trikont verändert, nicht nur ästhetisch, sondern immer auch politisch, wie das bewundernswert gründliche, opulent bebilderte und dabei nie reiseführerartig servicedumme Buch ohne jeden Gerichtsaktenstumpfsinn, einfach per Einbettung dessen, was die Kunst angestellt hat, in das, was während all der Zeit auf der Welt sonst los war, unmissverständlich belegt: Die Trikont-Jubiläumsanzeige auf dem "Konkret"-Jubiläumsheft, auf einer Ausgabe im Jahr des sechzigsten Geburtstags der letzten noch mit der Zeit vor 1968 verbundenen linken Zeitschrift, ist ein Dokument, das auch ins Buch gepasst hätte.
Es kam ja leider anders, als die Trikont-Leute beim Beginn ihres Projekts gehofft hatten, wie man heute weiß: Die blöde Kette von Ausbeutung, Unterdrückung, Ausschließung und Einschließung hat unterm neuen schicken Namen "Globalisierung" inzwischen bekanntlich den ganzen Erdball eingewickelt, aber dann doch auch wieder nicht restlos abgewürgt. Dass alle Vorhersagen der Menschen, die hinter Trikont stecken, so verfehlt waren wie jene aufbruchsoptimistische, die im Namen steckt, kann man beim bösesten Willen nicht behaupten - wenn heute Menschen dank Beyoncés "Daddy Lessons" zu ahnen beginnen, dass Country Music und die Tradition schwarzer Popmusik mehr miteinander zu tun haben, als das Formatradio weiß, dann hat die Trikont-Stammkundschaft das mit Hilfe der beiden Sampler "Dirty Laundry - The Soul of Black Country" (2004) und "More Dirty Laundry" (2008) wieder mal schon vor Jahren gewusst.
Falls das Wort "wichtig" etwas bezeichnet, was jemandem viel bedeutet, dann gibt es in Deutschland nicht viel wichtigere Musikpflege-Institutionen als das Trikont-Label. Nicht, dass in Hamburg, Köln, Leipzig, Berlin und Frankfurt nicht auch was los wäre. Aber für die Seele der Musik wird in diesen Städten vielleicht einfach zu viel Hochdeutsch gesprochen. Die Trikont-Geschichte dagegen zeigt: Wenigstens in Bayern ist Deutschland nicht provinziell.
DIETMAR DATH.
Christof Meueler mit Franz Dobler: "Die Trikont-Story: Musik, Krawall & andere schöne Künste".
Heyne Verlag, München 2017. 464 S., zahlr. Abb., geb., 30.- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Verdiente Ehrung: Ein Prachtband feiert das Plattenlabel Trikont zum Fünfzigsten
Wenn Reichweite direkt von Repertoire-Bandbreite abhinge, würde diese Plattenfirma die Musikwelt beherrschen. Andererseits halten diejenigen, die sie betreiben, seit jeher nicht viel vom Herrschen und Beherrschtwerden. Dass sie den Menschen nicht nur musikalisch mehr zutrauen als die Ausgabe und den Empfang von Befehlen und Regeln, bedeutet aber andererseits auch wieder nicht, dass sie einfach allen einfach alles anbieten wollten.
Man beschränkt sich bei Trikont in München vielmehr seit einem halben Jahrhundert auf das Schönste vom Guten und das Beste vom Schönsten, und das reicht von der antivolksmusikalischen Blechschönheit des "Sogenannten Linksradikalen Blasorchesters" um Heiner Goebbels über die schwebend eigensinnige Weltverwandlungspoesie des texanischen Sängers und Liederdichters Daniel Johnston, dessen erstes Livekonzert in Deutschland 1999 eine im Jahr darauf erschienene Trikont-Platte für die verdiente Ewigkeit aufbewahrt, ferner über ein anderes als das von CSU-Parteitagen und Oktoberfestreportagen her bekannte Bayern, wie's aus den Platten von LaBrassBanda oder Hans Söllner spricht, bis hin zu einem lebendigen Archiv derjenigen Kunstsorte, die man den Deutschen am allerwenigsten zutraut, die aber in den von Trikont verbreiteten Werken von Studio Braun oder Karl Valentin mühelos Weltgeltung erreicht - der Komik nämlich.
Dass man bei Trikont all das mit den Jahren immer professioneller eingesammelt, aufgemacht und vermittelt hat, heißt allerdings nicht, dass man etwa, wie das Kulturgeschäftsträger aller Unterhaltungsbranchen empfehlen, immer aufmerksamer auf den Markt gehört hätte, sondern vielmehr genau umgekehrt: dass man da immer besser wusste und weiß, wie man den Markt zum Hinhören kriegt.
Dass man den Weg dahin jetzt nachlesen kann, greift auf ganz frühe Motive der Vorgeschichte des Ganzen zurück, denn Anfangs war Trikont ein Buchverlag: Der Name bezog sich auf die drei Kontinente, von denen aus der Weltkapitalismus in den Siebzigern aufgemischt werden sollte - Afrika, Asien, Lateinamerika. Die Brandherde antiimperialistischer Aufstände, ganz nach der alten linken Theorie, dass die Kette, an der die arme Menschheit durch die jüngere Weltgeschichte geschleift wird, am ehesten von den schwächsten Kettengliedern her zerbrochen werden kann. Die Trikont-Geschichte beginnt als, wie das heute heißt, Selbstermächtigungsakt - die erste Platte heißt "Wir befreien uns selbst", erscheint 1972, nachdem der Verlag, ursprünglich nicht in Bayern, sondern in Köln von Gisela Erler und Herbert Röttgen gegründet, nach München umzog, wo ein linker Buchladen gleichen Namens, der Legende nach der erste seiner Art und eher eine Art Kunstwerk als ein Geschäft, eine Entmietung zum Anlass nahm, auf der Straße Papier in Flammen aufgehen zu lassen.
Auf "Wir befreien uns selbst" hörte man keine Profistimmen, sondern es sang das Trikont-Personal persönlich - "Für sie", liest man jetzt in dem Band "Die Trikont-Story: Musik, Krawall & andere schöne Künste", den Christof Meueler und Franz Dobler zusammengestellt haben, "war das ein Teil ihrer politischen Arbeit. Denn wenn sie damals in München vor den Fabriken Flugblätter verteilten, wollten sie sich dabei nicht langweilen. Das Album verkaufte sich zehntausend mal, heute unvorstellbar, ein roh aufgenommenes Album ohne jeden Pop-Appeal mit radikalen Kampfliedern." Was allerdings "Pop-Appeal" überhaupt heißen kann, hat sich in diesem Land durch die Arbeit von Trikont verändert, nicht nur ästhetisch, sondern immer auch politisch, wie das bewundernswert gründliche, opulent bebilderte und dabei nie reiseführerartig servicedumme Buch ohne jeden Gerichtsaktenstumpfsinn, einfach per Einbettung dessen, was die Kunst angestellt hat, in das, was während all der Zeit auf der Welt sonst los war, unmissverständlich belegt: Die Trikont-Jubiläumsanzeige auf dem "Konkret"-Jubiläumsheft, auf einer Ausgabe im Jahr des sechzigsten Geburtstags der letzten noch mit der Zeit vor 1968 verbundenen linken Zeitschrift, ist ein Dokument, das auch ins Buch gepasst hätte.
Es kam ja leider anders, als die Trikont-Leute beim Beginn ihres Projekts gehofft hatten, wie man heute weiß: Die blöde Kette von Ausbeutung, Unterdrückung, Ausschließung und Einschließung hat unterm neuen schicken Namen "Globalisierung" inzwischen bekanntlich den ganzen Erdball eingewickelt, aber dann doch auch wieder nicht restlos abgewürgt. Dass alle Vorhersagen der Menschen, die hinter Trikont stecken, so verfehlt waren wie jene aufbruchsoptimistische, die im Namen steckt, kann man beim bösesten Willen nicht behaupten - wenn heute Menschen dank Beyoncés "Daddy Lessons" zu ahnen beginnen, dass Country Music und die Tradition schwarzer Popmusik mehr miteinander zu tun haben, als das Formatradio weiß, dann hat die Trikont-Stammkundschaft das mit Hilfe der beiden Sampler "Dirty Laundry - The Soul of Black Country" (2004) und "More Dirty Laundry" (2008) wieder mal schon vor Jahren gewusst.
Falls das Wort "wichtig" etwas bezeichnet, was jemandem viel bedeutet, dann gibt es in Deutschland nicht viel wichtigere Musikpflege-Institutionen als das Trikont-Label. Nicht, dass in Hamburg, Köln, Leipzig, Berlin und Frankfurt nicht auch was los wäre. Aber für die Seele der Musik wird in diesen Städten vielleicht einfach zu viel Hochdeutsch gesprochen. Die Trikont-Geschichte dagegen zeigt: Wenigstens in Bayern ist Deutschland nicht provinziell.
DIETMAR DATH.
Christof Meueler mit Franz Dobler: "Die Trikont-Story: Musik, Krawall & andere schöne Künste".
Heyne Verlag, München 2017. 464 S., zahlr. Abb., geb., 30.- [Euro].
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