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Im Dialog mit drei zentralen Thesen zur Subjektivität versucht Slavoj Zizek, das philosophisch und politisch subversive Erbe des cartesianischen Cogito vom Standpunkt der psychoanalytischen Theorie Lacans aus freizulegen und zu verteidigen - und auf diesem Wege den Raum für radikales politisches Handeln unter den Bedingungen des globalen Kapitalismus zu öffnen. Das "Opus magnum" (Neue Zürcher Zeitung) Zizeks präsentiert das gesamte Spektrum seines Denkens und liegt nun in einer preiswerten Sonderausgabe vor.

Produktbeschreibung
Im Dialog mit drei zentralen Thesen zur Subjektivität versucht Slavoj Zizek, das philosophisch und politisch subversive Erbe des cartesianischen Cogito vom Standpunkt der psychoanalytischen Theorie Lacans aus freizulegen und zu verteidigen - und auf diesem Wege den Raum für radikales politisches Handeln unter den Bedingungen des globalen Kapitalismus zu öffnen. Das "Opus magnum" (Neue Zürcher Zeitung) Zizeks präsentiert das gesamte Spektrum seines Denkens und liegt nun in einer preiswerten Sonderausgabe vor.

Autorenporträt
Slavoj Zizek, geb. am 21. März 1949 in Ljubljana, Slowenien, wuchs auch dort auf. Er studierte Philosophie und Soziologie an der Universität in Ljubljana und Psychoanalyse an der Universität Paris VIII. Seit den achtziger Jahren hat er zahlreiche Gastprofessuren im Ausland inne, unter anderem an der Tulane University, New Orleans (1993), der Cardozo Law School, New York (1994), der Columbia University, New York (1995), in Princeton (1996) und an der New School for Social Research, New York (1997). Von 2000-02 leitete er eine Forschungsgruppe am kulturwissenschaftlichen Institut in Essen. Er war jahrelanger Herausgeber der Zeitschrift der slowenischen Lacan-Schule 'Wo Es war' und setzte sich unter anderem mit der Philosophie des Deutschen Idealismus, mit Hegel und mit Karl Marx auseinander, sowie mit zeitgenössischen Denkansätzen aus dem Bereich des Poststrukturalismus, der Medientheorie, des Feminismus und der Cultural Studies. Seine erste englischsprachige Buchveröffentlichung 'The Sublime Object of Ideology' erschien 1989. Zizek bemühte sich zunächst um eine lacanianische Lesart der Philosophie, der Populärkultur und in den letzten Jahren zunehmend der Politischen Theorie.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.09.2001

Volk der tückischen Subjekte
Gespenstereintreibung: Slavoj Zizek will das Comeback des Cogito

"Ein Gespenst geht um", so lauten die ersten Worte, "das Gespenst des cartesianischen Subjekts" - die Eröffnungsfanfare des "Kommunistischen Manifests". Marx und Engels wußten den Zar und den Papst, Slavoj Zizek weiß sämtliche "wissenschaftlich-akademischen Mächte" gegen sich: Postmoderne und Dekonstruktion, Diskursethik und Feminismus, sie alle (und noch viel mehr) seien sich einig in der Ablehnung des Cogito. Hohe Zeit also, meint Zizek, daß die "Anhänger" dieses Konzepts dem "Ammenmärchen vom Gespenst der cartesianischen Subjektivität mit dem philosophischen Manifest der cartesianischen Subjektivität selbst entgegentreten". Ende der Fanfare.

Der schrille Anfang ist perfekt, insofern er einiges über das Buch "Die Tücke des Subjekts" verrät. Er inszeniert einen heroischen Kampf: Einer gegen den Rest der Welt. Er offenbart ein befremdliches Stilverständnis, denn man hält kein pointiertes philosophisches Manifest in der Hand - ein solches hat Zizeks heutiger Kombattant Alain Badiou einmal geschrieben -, sondern ausladende 550 Seiten, auf denen der Furor der ersten Absätze schnell erkaltet. Und schließlich streift das variierte Marx-Zitat die Grenze zur Polit-Folklore. Wenn ein Autor wie Richard Rorty in der außerakademischen Öffentlichkeit bemerkenswerte Aufmerksamkeitsquoten erzielt, indem er bestimmte Begriffe mit brachialem Gestus entsorgt (Wahrheit, Kapitalismus, Sozialismus), so wählt Zizek den umgekehrten Weg: Er beschwört untote Begriffe (Wahrheit, Kapitalismus, Lenin), bläst sie neu auf, und das Publikum gruselt sich.

Diese Marketingstrategie verfolgt das Ziel, Distanz zu den Cultural Studies aufzubauen, die nach Zizeks Meinung nicht nur die Geisteswissenschaften dominieren, sondern obendrein politisch oberflächlich und naiv sind. Mit dieser Kritik steht er keineswegs allein, allerdings verknüpft er sie, anders als etwa Rorty, mit radikalen politischen Ambitionen. Keine "Rückkehr zu den alten Begriffen des Klassenkampfs und der sozialistischen Revolution" wolle er predigen, aber doch die Frage stellen, "wie es tatsächlich möglich ist, das global-kapitalistische System zu unterwandern" - und schiebt verhalten hinterher: "vielleicht aber ist es nicht wirklich möglich".

Die doppelte Gegnerschaft des Buches, die politische und die theoriepolitische, kann man teilen oder nicht, man darf sie jedenfalls nicht aus den Augen verlieren, wenn man in Zizeks Welt orientiert bleiben will. Und das ist anstrengend genug, denn Zizek assoziiert, wie üblich, ganz disparate Phänomene miteinander, Kant und die Filme von David Lynch, Freud und das Lebensmittel-Logo "Du darfst". Das ist manchmal lustig, vereinzelt auch brillant - etwa wenn er mit Lacan die berühmteste Potenzpille der Welt analysiert: "Der Mann, der dank Viagra kopulieren kann, ist ein Mann mit einem Penis, aber ohne Phallus." Aber die meisten seiner ungezählten Beispiele zerklüften eher die Argumentation, als daß sie sie erhellen. Hinzu kommt, daß in "Die Tücke des Subjekts" unterschiedliche Textsorten aufeinanderprallen. Detaillierte philosophische Lektüren und eher freie kulturdiagnostische Stücke stehen oft unverbunden nebeneinander, was nicht zuletzt damit zusammenhängt, daß Zizek weite Teile des Bands bestreitet, indem er ganze Kapitel früherer Bücher wiederholt. Solch extensives Selbstzitat hat - abgesehen vom Beigeschmack der Eitelkeit - seine Vorteile. Zum einen bietet "Die Tücke des Subjekts" eine Art Summe seiner bisherigen Arbeit, zum anderen liegen die wieder aufgenommenen Passagen hier in einer begrifflich konsistenteren Übersetzung vor als in den entsprechenden älteren deutschen Ausgaben. Um so ärgerlicher, daß der Verlag sowohl das Register als auch den Untertitel des englischen Originals unterschlagen hat: "The Absent Centre of Political Ontology".

Um dieses abwesende Zentrum kreist Zizeks Denken, dort verortet er sein Subjekt. Nicht um die bloße Restauration eines sich selbst transparent denkenden Cogito geht es ihm, vielmehr um dessen "exzessiven, nicht anerkannten Kern". Diesen findet Zizek bei Hegel, er rückt jene Stelle aus der "Jenaer Rechtsphilosophie" ins Zentrum, in der Hegel vom Menschen als der "Nacht der Welt" spricht. "Der Mensch ist diese Nacht, diß leere Nichts, das alles in ihrer Einfachheit enthält", heißt es da; in "phantasmagorischen Vorstellungen ist es rings um Nacht; hier schießt dann ein blutiger Kopf, - dort eine andere weisse Gestalt plözlich hervor, und verschwindet ebenso".

Abgrund der Freiheit.

Ohne sich lange in die romantische Metaphorik zu versenken, analysiert Zizek diese Nacht als einen Raum, der jeder Ontologie, jeder Synthese oder symbolischen Ordnung vorausgeht: Partialobjekte irren herum, ohne sich zu einer organischen Einheit zu fügen. Der zerstörerischen Kraft dieser Fremdheit des Anderen begegnet das Subjekt nirgendwo anders als in sich selbst. Im Kern der Subjektivität erkennt Hegel nicht das "Licht der Vernunft", sondern "absolute Negativität"; darin bestand sein Bruch mit der Philosophie der Aufklärung. Zizek leistet also, wenn Hegels System, wie Herbert Schnädelbach formuliert, ein "intellektueller Traum" ist, eine Art Traumdeutung: Ausgerechnet auf dem Gipfel des deutschen Idealismus entdeckt er einen gespenstischen Überschuß der Subjektivität und verortet dort nichts Geringeres als den "Abgrund der Freiheit". Zizek sucht, mit anderen Worten, nach Wegen, sich aus dem Wahnsinn "emporzuarbeiten", ohne ihn umgehend zu normalisieren.

Der exzessive Kern des Subjekts gehört der Sphäre des Realen an, jener lacanianischen Seinsmodalität also, die sich, vorsprachlich, wie sie ist, von keiner Symbolisierung bändigen läßt. Zizek wird nicht müde, die Gefährlichkeit des Potentials des Realen zu betonen, und zugleich ist es ebendies, worauf er sich an entscheidenden Stellen beruft. Zum Beispiel, wenn er gegen Ende des Buches einen Akt postuliert, der durch die "Behauptung eines Realen", das die "Dimension der Unmöglichkeit (wieder) einführt", die phantasmatische Wirklichkeit grundlegend störe. Oder wenn er ein Ereignis als das "Eindringen des traumatischen Realen" umschreibt, das die "vorherrschende symbolische Textur erschüttert". Beide Begriffe, Akt und Ereignis, verbindet Zizek, wenn er im mittleren der drei Abschnitte des Buches an einer Theorie des Politischen arbeitet.

Zu diesem Zweck rekonstruiert er ausführlich einige Begriffe Alain Badious, dessen Denken auf der grundlegenden Unterscheidung zwischen Sein und Ereignis beruht. Während man vom Sein nur "Wahrheitsgemäßes" wissen kann, entspringt echte "Wahrheit" der Ordnung des Ereignisses, und zwar selten und zufällig. Badious Wahrheit ist paradox, sofern sie neu und unveränderlich ist; sie bezieht sich auf eine historisch kontingente Situation und beansprucht doch Allgemeinheit. Politische Subjektivierung vollzieht sich nun, Badiou zufolge, in der "Treue" zu einem Wahrheits-Ereignis, beispielsweise der Französischen Revolution. An diesem Punkt verläßt Zizek den vorgefundenen Weg. Badiou läßt Subjektivität vom Prozeß der Wahrheit abhängen; Zizek dagegen identifiziert das Subjekt mit einem fixen Punkt: "Das ,Subjekt' ist der Akt, die Entscheidung, aufgrund deren wir von der gegebenen Mannigfaltigkeit zum Wahrheits-Ereignis und/oder zur Hegemonie überwechseln."

Funkenflug von 1989.

Daß Zizek das so gehaltvolle Werk des in Deutschland noch kaum bekannten Franzosen einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich macht, ist ihm hoch anzurechnen; aber seine Badiou-Rezeption führt zugleich vor, wie theoriepolitischer Eifer in inhaltliche Verzerrungen umschlägt. Badiou wird - gemeinsam mit Jacques Rancière, Étienne Balibar und Ernesto Laclau - als ehemaliger Althusserianer eingeführt, und selbstverständlich beinhaltet diese genealogische Fixierung, mit Zizek zu sprechen, ein Körnchen Wahrheit. Sie wird allerdings bizarr, wenn sie nur dazu dient, den 1937 geborenen Badiou in plumpen Gegensatz zu jenen älteren Autoren zu bringen, die mit dem Kollektivsingular "der postmoderne Dekonstruktivist" belegt werden: Deleuze, Derrida, Foucault, Lyotard sind böse, Althusser ist gut, wenn er mit Lacan verrückt wird. Zizek betreibt einen intellektuellen Stellvertreterkrieg, als befände er sich in der Enge des Pariser Quartier Latin der sechziger, siebziger Jahre. Indem er aus heterogenen Beziehungen oppositionelle macht, entgehen ihm durchaus anschlußfähige Beiträge - beispielsweise Deleuzes Denken des Ereignisses, das Zizek schon deshalb nicht in den Blick kommt, weil er der "postmodernen" Politik und Theorie pauschal unterstellt, jegliches Ereignis zu domestizieren.

Schwerer wiegt, daß Zizek bestimmte Reflexe in die politische Theorie wiedereinführt, deren Kritik gerade zu den Verdiensten der französischen Nachkriegsphilosophie gehört. Zum einen kehrt das "Primat der Wirtschaft" wieder: Zizek behauptet für die Gesellschaftsanalyse die Vorgängigkeit ökonomischer Fakten, ohne diese These auch nur mit einem Wort zu begründen. Und zum anderen keimt in seinen Überlegungen ein utopistisches Moment, das in einzelnen Formulierungen immer wieder zur Blüte kommt - wenn "Wunder" ein anderes Wort für Ereignis ist oder wenn der Überschuß der Subjektivität die "einzige Hoffnung auf Erlösung" darstellt.

Wenn Zizek also vor bestimmten marxistischen Illusionen nicht gefeit ist, so funktioniert seine Kritik liberaler Illusionen um so besser. Da liefert er eine polemische Beschreibung westlicher Demokratien als ins Werk gesetzte "Post-Politik", als bloße Verwaltung gesellschaftlicher Bedürfnisse, die den "eigentlichen politischen Akt" ausschließe, indem sie sich mit Expertenwissen und Meinungsumfragen ausstatte. Und da erkennt er in der Parole der Leipziger Demonstranten von 1989 ("Wir sind das Volk!") die "Geste der Politisierung in Reinform", aber nur, um gleichzeitig die Stillegung dieses Aufbruchs zu zeigen, die sich in der bald folgenden Forderung nach einer schon etablierten Ordnung artikuliere ("Wir sind ein Volk!").

In solchen Passagen kommt ein radikaldemokratischer Intellektueller zum Vorschein, dessen Zeitkritik einzigartig und daher willkommen ist. Neben Lacans Psychoanalyse ist die persönliche Erfahrung in der slowenischen Opposition vielleicht die wichtigste Quelle von Zizeks Arbeit. Beharrlich schlägt er noch heute aus dem traumatischen Ereignis "1989" Funken. Ähnlich ambitionierte Versuche, den letzten Epochenbruch für das politische Denken fruchtbar zu machen, sind, zumal in Ostdeutschland, kaum zu finden. Solange sich daran nichts ändert, wird man Zizek lesen müssen.

RENÉ AGUIGAH.

Slavoj Zizek: "Die Tücke des Subjekts". Aus dem Englischen von Eva Gilmer, Andreas Hofbauer, Hans Hildebrandt und Anne von der Heiden. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2001. 548 S., geb., 64,- DM.

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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Ein Skandal! Ulrich Brieler kann's kaum fassen: Formuliert der Autor doch glatt das linke antikapitalistische Projekt neu! Und mit Verve. Und immerhin derart überzeugend (das Resultat einer "enormen Belesenheit", so Brieler), dass unser Rezensent auch nicht den kleinsten Raum sieht für "akademisches Naserümpfen." Die Hauptsache aber ist: Das Buch macht Laune. "Eine Wundertüte voller Neuigkeiten und Absonderheiten, prall gefüllt mit Lukullischem wie schwer Genießbarem." Mit schwer Genießbarem - tatsächlich. Ob theoretisch, politisch, stilistisch, meint Brieler, das Buch (apropos akademisches Naserümpfen) sei eine Provokation des großen Friedens der Geisteswissenschaften. Theoretisch geht das ungefähr so: Als Schalk, "der die Anstrengung des Begriffs niemals mit Humorlosigkeit verwechselt", macht sich Zizek daran, das cartesianische Subjekt zu retten. Und mitten in der Windmühlenschlacht gegen Diskurstheoretiker, Feministinnen, New-Age-Propheten u.v.a.m. gibt der Autor folgende Kontaktanzeige auf: "Suche in dürftigen Zeiten politisch und philosophisch Gleichgesinnte!" Mindestens einen hat er schon gefunden.

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