Selten zuvor hat sich ein türkischer Wissenschaftler so eingehend und schonungslos mit dem Scheitern der Annäherung zwischen Europa und der Türkei auseinandergesetzt. Dafür gräbt Aktar in diesem kritischen Essay tief in der Geschichte des Osmanischen Reiches und Europas und führt der staunenden Leserschaft vor Augen, wie sehr sich beide Seiten geprägt haben, bis sie sich vom jeweils «Anderen» angewidert abwandten.
Die türkische Malaise ist nach Aktar aber nicht nur Ausdruck einer fehlgeschlagenen Verwestlichung. Er attestiert der türkischen Gesellschaft auch eine Unfähigkeit, sich der eigenen Geschichte zu stellen: «Der Genozid an den Armeniern, die grosse Katastrophe Anatoliens, ist die Mutter aller Tabus. Sein Fluch wird uns so lange verfolgen, wie wir uns weigern, darüber zu sprechen, ihn zu entziffern, uns ihm zu stellen»
Die türkische Malaise ist nach Aktar aber nicht nur Ausdruck einer fehlgeschlagenen Verwestlichung. Er attestiert der türkischen Gesellschaft auch eine Unfähigkeit, sich der eigenen Geschichte zu stellen: «Der Genozid an den Armeniern, die grosse Katastrophe Anatoliens, ist die Mutter aller Tabus. Sein Fluch wird uns so lange verfolgen, wie wir uns weigern, darüber zu sprechen, ihn zu entziffern, uns ihm zu stellen»
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Rezensentin Christiane Schlötzer erfährt vom im Exil lebenden türkischen Wirtschaftswissenschaftler Cengiz Aktar, wie es dazu kommen konnte, dass die demokratischen Errungenschaften der Türkei während der vergangenen zehn Jahre kassiert werden konnten. Den historischen Rückblick im Buch auf das Osmanische Reich und seine Beziehungen zum Westen findet Schlötzer hellsichtig, genau und schonungslos, ebenso die Feststellung, Erdogan sei getrieben von der Angst vor Machtverlust. Die Resignation des Autors in Bezug auf die EU, die Erdogan gewähren lasse und bei Menschenrechtsverletzungen wie bei Umweltzerstörung weggsehe, um weiter von der Türkei als Flüchtlingspuffer zu profitieren, muss Schlötzer leider teilen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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