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Kaffeesorte und Karriere, Kinderwunsch und unser Körper - alles eine Frage der richtigen Entscheidung? Renata Salecl entlarvt eine gefährliche Illusion
Es ist das große Versprechen der Gegenwart schlechthin: Wir sind frei, unser eigener Herr, unseres Glückes Schmied, die Bildhauer unserer eigenen Identität. Doch die Ideologie der grenzenlosen Entscheidungsfreiheit hat gravierende Mängel. Renata Salecl legt dar, wie diese vermeintliche Freiheit zur Tyrannei wird: Zu viel Auswahl überfordert, produziert Stress, sorgt dafür, dass einmal getroffene Entscheidungen laufend hinterfragt oder ewig…mehr

Produktbeschreibung
Kaffeesorte und Karriere, Kinderwunsch und unser Körper - alles eine Frage der richtigen Entscheidung? Renata Salecl entlarvt eine gefährliche Illusion

Es ist das große Versprechen der Gegenwart schlechthin: Wir sind frei, unser eigener Herr, unseres Glückes Schmied, die Bildhauer unserer eigenen Identität.
Doch die Ideologie der grenzenlosen Entscheidungsfreiheit hat gravierende Mängel. Renata Salecl legt dar, wie diese vermeintliche Freiheit zur Tyrannei wird: Zu viel Auswahl überfordert, produziert Stress, sorgt dafür, dass einmal getroffene Entscheidungen laufend hinterfragt oder ewig aufgeschoben werden. Die totale Verantwortung für das eigene Glück lastet Menschen jede Enttäuschung, jeden Missstand persönlich an, sie macht sozialen Wandel undenkbar und erzeugt einen neurotischen Menschen, der nicht in Freiheit lebt, sondern unter Zwängen leidet.

In ihrem mitreißenden Essay blickt Renata Salecl mit dem Gespür einer Philosophin und dem Fokus einer Psychologin tief in die Seele der konsumkapitalistischen Gesellschaft.
Autorenporträt
Renata Salecl lebt in London, wo sie eine Professur an der London School of Economics innehat, und in Ljubljana, wo sie am Institut für Kriminologie der juristischen Fakultät forscht. Sie war Gastprofessorin in New York, Michigan und Berlin und Mitglied am Berliner Wissenschaftskolleg.
Rezensionen
Die Wahlfreiheit im wahrsten Sinne des Wortes erleben - dieses Buch hilft dabei. Fazit: Wir müssen uns nicht tyrannisieren lassen, denn wir können entscheiden. Berthold Merkle, Neue Zürcher Zeitung, Bücher am Sonntag

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Nun ist es also so weit: Auch die Freiheit steht auf dem Prüfstand, zumindest in Renate Salecls neuem Buch "Die Tyrannei der Freiheit" berichtet Rezensent Edo Reents. Genau genommen meint die an der School of Economics lehrende Philosophin Salecl allerdings die "Wahlfreiheit", korrigiert der Kritiker. Er liest hier insbesondere von den psychischen Belastungen, die schon die Wahl des Essens, des Partners oder der Wohnungseinrichtung verursachen kann, fragt sich aber doch, wie die im Untertitel des Buches genannte "Zumutung" entstehen mag. Während Reents die Erklärungen über Ängste und Neurosen durchaus interessiert aufnimmt, wundert er sich im Laufe der Lektüre aber doch darüber, wie viele Trivialitäten und "küchenpsychologische" Anekdoten die Autorin einfügt. Gern hätte der Kritiker mehr über die philosophischen Aspekte der Wahlfreiheit erfahren, auch die Hirnforschung kommt ihm hier zu kurz. So ist nach der Lektüre zwar sein Interesse für das Thema geweckt, vom Buch ist er jedoch enttäuscht.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.07.2014

Wer die Wahl hat, hat nur noch die Qual
Aber der Markt hat nicht das letzte Wort: Renata Salecl nimmt die Ideologie der Wahlfreiheit aufs Korn

Man hätte es sich, nach der Epochenwende 1989/90, nicht träumen lassen, dass auch die Freiheit einmal zur Disposition gestellt würde, und zwar freiwillig - nur Marxisten haben das mit ihrem dialektischen Geschichtsverständnis wahrscheinlich kommen sehen. In jüngerer Zeit häufen sich die Stimmen, die nicht vor der Freiheit als solcher, aber doch vor der zweifellos größer gewordenen Wahlfreiheit warnen, die sich dem immens gewachsenen Waren- und Dienstleistungsangebot verdankt. Dadurch bekommt diese Form der Freiheitskritik automatisch etwas Kapitalismus- oder zumindest Marktkritisches.

Beinahe schon so etwas wie ein Klassiker ist das Buch des amerikanischen Politikwissenschaftlers Benjamin R. Barber "Consumed! Wie der Markt Kinder verführt, Erwachsene infantilisiert und die Demokratie untergräbt" (2007), das vor allem die sozial-politischen Folgen in den Blick nimmt, die sich mittelbar aus einem Überangebot ergeben. Warnende Stimmen werden seither vernehmlicher, und ihnen haftet durchaus nichts Spielverderberisch-Sozialneidisches oder Bevormundendes an. Inzwischen haben ja auch Untersuchungen an den Tag gebracht, dass die Leute in Gesellschaften mit mehr Optionen für Konsum und Lebensgestaltung nicht unbedingt glücklicher, oft sogar unzufriedener sind. Der gesunde Menschenverstand würde vielleicht sagen, ein wenig Zwang, ein wenig Not könnten nicht schaden.

Dennoch ist es seit langem üblich, dass Menschen von "Lebensentwürfen" sprechen. Unzweifelhaft haben die Selbstermächtigung und der Mangel an Demut, die darin zum Ausdruck kommen, auch mit der Vielfalt an Optionen zu tun, die den Menschen auf allen Ebenen gewährt wird. Den psychischen Preis der Wahlfreiheit berechnet nun die unter anderem an der Londoner School of Economics lehrende Philosophin und Sozialwissenschaftlerin Renata Salecl, die schon mit dem Titel ihres Buchs andeutet, wie sehr der Nutzen der (übergroßen) Freiheit inzwischen umgeschlagen ist: "Tyrannei der Freiheit".

Sie setzt voraus, dass "eine Wahl nie eine einfache Angelegenheit ist und häufig nichts mit einer rationalen Entscheidung zu tun hat". Auf dieser einleuchtenden, aber nicht sonderlich anspruchsvollen Annahme fußt, was sie auf den unterschiedlichsten Ebenen individueller Lebensgestaltung beschreibt und analysiert - von der eher alltäglichen Wahl des Essens und der Wohnungseinrichtung bis hin zu wirklich wichtigen Entscheidungen wie der für einen Partner oder für ein Kind.

Dass und warum es aber "eine Zumutung ist, sich anhaltend entscheiden zu müssen", wie es der Untertitel nahelegt, erfährt man nur am Rande. Zwar wird in Passagen, die zwischen anekdotenhaft geschilderten Beispielen und einem dann wieder ganz grundsätzlichen, fast leitartikelhaften Ton wechseln, immer wieder die oft verunsichernde Wirkung beschworen, die von zu viel Wahlfreiheit ausgeht; aber im Wesentlichen kommt das über die Eingangsbehauptung nicht hinaus.

Mit Gewinn liest man die psychologisch versierten Ausführungen zu Ängsten und Neurosen, insbesondere zum Sexualverhalten und zu Aspekten der gesellschaftlich vermittelten Körperlichkeit. Daneben stolpert man aber immer wieder über Trivialitäten, deren unfreiwillig komische Wirkung auch der Übersetzung geschuldet sein mag und die mitgeteilten Erkenntnisse in die Nähe zur Küchenpsychologie rücken: "Doch das Faszinosum eines vortrefflichen Objekts kann sich schnell in Abscheu vor dem Objekt verwandeln, weshalb Liebe und Hass ja auch zwei Seiten ein und derselben Medaille sind." Das hat man schon mal gehört.

Entlarvend ist andererseits, was die Autorin zu den jüngeren Auswüchsen der Simplify-your-life-Bewegung sagt: extrem Reiche, die freiwillig auf Konsum verzichten; japanische Edelrestaurants, die dadurch so großen Zulauf und immense Einnahmen bekommen, dass sie ihren Gästen einfach auftischen, was sie essen sollen. Mit solchen Beispielen ließe sich vielleicht auch eine Systemkritik, zu der Salecl immer wieder ansetzt, besser untermauern. Denn in der Tat deuten solche wiederum extremen Erscheinungen darauf hin, dass der Lauf der Dinge dialektisch ist. Zu nennen wären (aber von Salecl nicht erwähnt) natürlich auch die inzwischen geradezu wieder archaisch anmutenden Fahrräder, die, nachdem es jahrelang zwanzig bis dreißig Gänge sein mussten, jetzt überhaupt keine Gangschaltung mehr haben. Auch das ist heute wieder schick, ein, mit Bourdieu gesprochen, Distinktionsgewinn.

Ein anderer, hier ebenfalls vernachlässigter Aspekt wäre ein philosophischer: Soviel sich Salecl auch zum Wahlverhalten äußert - auf die menschliche Willensfreiheit, über die im Lichte der Hirnforschung inzwischen wieder gesprochen wird, geht sie nicht ein. Dabei könnte man gerade auf diesem Gebiet, gewissermaßen in der Mikrostruktur menschlichen Wahlverhaltens, Wissenswertes zutage fördern. Stattdessen widmet sich Salecl aber instruktiv den geistesgeschichtlichen beziehungsweise den eher politischen Wegbereitern der heutigen Freiheits- und Wahlfreiheitsideologie: der europäischen Aufklärung und der amerikanischen Selfmademan-Mentalität.

So liest man das Buch, neugierig gemacht durch den interessanten Titel und vielleicht auch selbst schon ganz kopfscheu und zermürbt von der allgemeinen Angebotspalette, dann doch mit wachsender Enttäuschung.

EDO REENTS

Renata Salecl: "Die Tyrannei der Freiheit". Warum es eine Zumutung ist, sich anhaltend entscheiden zu müssen. Aus dem Englischen von Yvonne Badal. Karl Blessing Verlag, München, 2014. 240 S., geb., 16,99 [Euro].

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